Urteil des OLG Köln vom 15.07.2005

OLG Köln: pflichtverteidiger, anhörung, wahlverteidiger, unterlassen, auflage, verfügung, einfluss, vorschlag, unverzüglich, aussetzung

Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 283-284 und 286/05
Datum:
15.07.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 283-284 und 286/05
Tenor:
Die Beschwerden werden auf Kosten der Beschwerdeführer verworfen.
G r ü n d e :
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I.
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Wegen des Sachverhalts wird auf den Senatsbeschluss vom heutigen Tag in dem
Parallelverfahren 2 Ws 223-224/05 und 232/05 verwiesen.
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Dazu ist zu ergänzen, dass der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer mit Verfügung
vom 13.05.2005 die bisherigen Pflichtverteidiger der Angeklagten entpflichtet und
jeweils neue Pflichtverteidiger beigeordnet hat. Am 02.06.2005 hat der Vorsitzende mit
weiterer Verfügung Rechtsanwalt D. entpflichtet und statt seiner Rechtsanwalt H. zum
Pflichtverteidiger für den Angeklagten S. bestellt.
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Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Bestellung ihnen unbekannter und von
ihnen nicht gewünschter Pflichtverteidiger. Die Anordnung, die unter Verletzung des
Grundsatzes des rechtlichen Gehörs erfolgt sei, sei nicht erforderlich, da sie bereits
durch Wahlverteidiger vertreten werden.
5
II.
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Die Beschwerden sind zulässig, aber unbegründet.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme u. a. ausgeführt:
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"Zwar ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers mangels Beschwer grundsätzlich der
Anfechtung entzogen (zu vgl. Senat, StV 1989, 241 [242]; OLG Celle, StV 1988, 100;
NStZ 1988, 39). Es ist jedoch anerkannt, dass die Beschwerde dann zulässig ist, wenn
der bestellte Verteidiger wegen mangelnder Eignung oder wegen
Interessengegensatzes unfähig erscheint, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen,
oder geltend gemacht wird, der Vorsitzende habe - unter Verstoß gegen
Auswahlgrundsätze - ermessensfehlerhaft entschieden, bzw. wenn geltend gemacht
wird, die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem bereits zuvor
bevollmächtigten Wahlverteidiger sei unzulässig (zu vgl. auch hierzu die vorzitierten
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OLG-Entscheidungen). Da die Angeklagten vorliegend geltend machen, dass die
Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben bereits
bevollmächtigten Wahlverteidigern nicht vorlägen bzw. einen Verstoß gegen das
rechtliche Gehör in Ausgestaltung der Vorschrift des § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO rügen,
sind die Beschwerden zulässig.
Sie sind indessen nicht begründet.
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Angesichts des Verhaltens der Verteidiger, das zur Verfahrensabtrennung und
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-aussetzung unter Auferlegung der Kosten sowie (zunächst) zur Entpflichtung der
bisherigen Pflichtverteidiger geführt hat, war die Bestellung neuer Pflichtverteidiger
neben bestehenden Wahlverteidigungen zur Sicherung eines reibungslosen Fortgangs
des Verfahrens zulässig."
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Dem schließt sich der Senat an. Ergänzend ist in Hinblick auf die teilweise Aufhebung
der Anordnung vom 13.05.2005 ( in dem Verfahren 2 Ws 280-282/05) anzumerken, dass
der Senat es trotz der Aufhebung der Entpflichtung nach wie vor zur
Verfahrenssicherung für geboten hält, die Bestellung der weiteren Pflichtverteidiger
aufrechtzuerhalten. Es ist Sache des Vorsitzenden, vor oder zu Beginn der
Hauptverhandlung zu entscheiden, ob für die beiden Angeklagten S. und R. G. W.
tatsächlich drei Pflichtverteidiger erforderlich sind - das wird im Übrigen auch von den
Terminskollisionen der jeweiligen Verteidiger für die neuen Hauptverhandlungstermine
abhängen. Für den Angeklagten H. E. W. war ohnehin ein Pflichtverteidiger zu
bestellen, da er derzeit lediglich von einem Wahlverteidiger vertreten wird.
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Soweit die Angeklagten das Unterlassen ihrer Anhörung rügen, hat die
Generalstaatsanwaltschaft hierzu in folgender Weise Stellung genommen:
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"Auch das Unterlassen einer vorherigen Anhörung der Angeklagten gemäß § 142 Abs.
1 Satz 2 StPO erweist sich vorliegend nicht als ermessensfehlerhaft. Bei der genannten
Vorschrift handelt es sich um eine Sollvorschrift, die keine unabdingbare Verpflichtung
enthält (zu vgl. BGH, NStZ 1992, 201 [202]; Karlsruher Kommentar (- Laufhütte), StPO,
5. Auflage, § 142 Rn. 8). Die Aufforderung nach § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO ist
insbesondere entbehrlich, wenn erkennbar ist, das der Angeklagte keinen Vorschlag
machen wird (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Auflage, § 142 Rn. 10). Vorliegend war
für den Vorsitzenden aufgrund des prozessualen Verhaltens der Verteidiger sowie der
im Auftrage der Angeklagten - insoweit wurde das Verhalten der Verteidiger von den
Angeklagten sehr wohl "gedeckt"! - eingelegten Gegenvorstellungen und Beschwerden
offenbar, dass die Angeklagten keine anderen "neutralen" Verteidiger als in Betracht
kommende Pflichtverteidiger benennen würden; vielmehr erstrebten die Angeklagten
ausschließlich von den bisherigen Pflichtverteidigern weiter verteidigt zu werden. Bei
dieser Sachlage war es aber nicht ermessensfehlerhaft, angesichts der Eilbedürftigkeit
als Haftsache und angesichts des großen Einarbeitungsaufwandes der neu zu
bestellenden Pflichtverteidiger nach erfolgter Zurückweisung der Befangenheitsanträge
deren Bestellung ohne weitere Anhörung der Angeklagten und ohne Setzung einer Frist
zur Benennung in Betracht kommender Pflichtverteidiger unverzüglich vorzunehmen.
Dies gilt gleichermaßen für die Bestellung von Rechtsanwalt H. als neuen
Pflichtverteidiger für den Angeklagten S. im Austausch für den entpflichteten
Rechtsanwalt D..
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Dass die bestellten neuen Pflichtverteidiger wegen mangelnder Eignung oder wegen
Interessengegensatzes unfähig wären, die Verteidigung zu führen, wird indessen von
den Angeklagten selbst nicht geltend gemacht."
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Diesen Überlegungen tritt der Senat bei und weist ergänzend noch auf folgendes hin:
Der Angeklagte S. hat - wie seine damaligen Wahlverteidiger im Schriftsatz vom
23.05.2005 berichten - mit seiner Äußerung, er wolle "keinen Anwalt ..., der (ihm) von
Herrn B. geschickt wird" deutlich zu erkennen gegeben, dass er einen vom Gericht
bestimmten Verteidiger in jedem Fall ablehnen wird. Seine Anhörung wäre mithin leer
gelaufen. Dass auch die beiden anderen Angeklagten nicht ernsthaft daran interessiert
waren, zur Person eines neuen Pflichtverteidigers Angaben zu machen, zeigt ihr
Vorbringen im Rahmen der Beschwerde. Dies lässt jeden Hinweis auf andere
Rechtsanwälte vermissen, die als neue oder weitere Pflichtverteidiger aus ihrer Sicht in
Betracht gekommen wären. Immerhin hätten die Angeklagten durch Nennung konkreter
Namen Einfluss auf die Entscheidung der Kammer nehmen können, die im Rahmen der
Nichtabhilfe nochmals mit der Sache befasst wurde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.
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