Urteil des OLG Köln vom 29.06.1995

OLG Köln: behandlungsfehler, verschulden, schmerz, anhörung, gutachter, befreiung, versorgung, form, beweislast, brücke

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Normen:
Leitsätze:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Köln, 5 U 186/94
29.06.1995
Oberlandesgericht Köln
5. Zivilsenat
Urteil
5 U 186/94
§§ 823, 847; BEWEISANZEICHEN FÜR BEHANDLUNGSFEHLER;
Oberlandesgericht Köln, 5. Zivilsenat, Urteil vom 29.06.1995 - 5 U 186/94
-. Das Urteil ist rechtskräftig.
Beweisanzeichen für Behandlungsfehler
§§ 823, 847 Spannungsschmerz infolge Teleskopprothetik sind kein Indiz
für Behandlungsfehler des Zahnarztes.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die nach §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO) und damit zuläsig. Sie ist sachlich jedoch nicht
gerechtfertigt. Das Landgericht hat der Klage mit Recht stattgegeben.
Auch nach der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweiserhebung durch Einholung
eines weiteren Sachverständigengutachtens ist nicht bewiesen, daß die vom Kläger
erbrachten zahnärztlichen Leistungen wegen eines vorwerfbaren Behandlungsfehlers für
den Beklagten nutzlos waren. Das gereicht dem Beklagten zum Nachteil, denn er trägt
insoweit die Beweislast, weil er rechtsvernichtende Einwendungen geltend macht.
Die Sachverständige Dr. R. hat in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlich
hinzugezogenen Sachverständigen Dr. St. die vom Kläger gefertigte Brückenkonstruktion
als in der Planung und Konstruktion mängelfrei bezeichnet. Im Falle des Klägers sei die
Indikation für eine teleskopierende Brücke gegeben gewesen, weil ausreichende
Restzähne in entsprechender Verteilung vorhanden und die Brückenspannen klein
gewesen seien. Ein festsitzender Zahnersatz habe sich wegen der parodontalen
Vorschädigung des Gebisses mit langdauerndem Kariesverlauf nicht angeboten. Die
Verankerung über den Pfeilerzähnen sei die beste und zweckmäßigste Art gewesen
(teleskopierende Prothesenanker). Da auch dies mit der Beurteilung durch Dr. St. in
Einklang steht, hat der Senat keinen Anlaß, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu
zweifeln. Daß durch die Einbeziehung der Außenteleskope ein Spannungsschmerz
hervorgerufen worden ist, hat die Sachverständige als wenig wahrscheinlich bezeichnet.
Sie hat die Schmerzen ursächlich auf endodontische Probleme bestimmter Pfeilerzähne
zurückgeführt, die vom Nachbehandler Grüttner im Zuge der anderweitigen prothetischen
Versorgung ausweislich der Eintragungen in der Behandlungskartei beseitigt worden
seien, so daß der Kläger subjektiv den objektiv unzutreffenden Eindruck gewonnen habe,
der Schmerz sei durch die Konstruktion hervorgerufen worden. Damit hat die
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Sachverständige zwar eine andere Ursache für die Schmerzen angenommen als der
Vorgutachter, der den Schmerz "eher auf Pressen" zurückgeführt hat; es besteht aber
insoweit wiederum Übereinstimmung, als auch Dr. St. keinen auf Verblockung beruhenden
Spannungsschmerz zu diagnostizieren vermochte. Letztlich mag die Frage aber auch
dahinstehen, denn selbst wenn die Ursache in der Verblockung zu sehen sein sollte, so
träfe den Kläger hieran kein Verschulden. Denn es war für ihn nicht vorhersehbar, daß der
Beklagte einem nicht tolerablen Spannungsschmerz ausgesetzt sein würde, wie die
Sachverständige in der Anhörung vor dem Senat erläutert hat. Ein auf Befreiung von der
Honorierungspflicht gerichteter Schadensersatzanspruch oder ein aufrechenbarer
Gegenanspruch aus unerlaubter Handlung setzt aber auf seiten des Behandlers
Verschulden (vorwerfbarer Behandlungsfehler) voraus.
Auch der Umstand, daß sich der vom Kläger eingegliederte Zahnersatz jedenfalls nach
längerer Tragedauer nur unter Kraftanwendung herausnehmen ließ, stellt keinen
vorwerfbaren Behandlungsfehler dar. Beide Gutachter haben ausgeführt, daß dieses
Problem anfänglich auftreten könne und insoweit unvermeidbar sei. Es könne aber durch -
notfalls mehrfaches - Nachschleifen sicher behoben werden, wobei man freilich vorsichtig
zu Werke gehen müsse, damit nicht der gegenteilige Effekt eintrete, nämlich ein zu lockerer
Prothesensitz. Dies erkläre, daß die Nachschleifmaßnahmen des Klägers möglicherweise
noch nicht genügt hätten. Daß der Nachbehandler ebenfalls erfolglos nachgeschliffen
habe, ergebe sich aus der Behandlungskartei nicht. Damit erweist sich die Berufung
mangels Verschuldensnachweises auch in diesem Punkt letztlich als erfolglos.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Wert der Beschwer für den Beklagten: unter 60.000,-- DM.
Dr. Rumler-Detzel Dr. Schmitz-Pakebusch Rosenberger