Urteil des OLG Köln vom 03.12.1997

OLG Köln (kläger, lege artis, aufklärung, sterilisation, eingriff, inhalt, sicherheit, vasoresektion, 1995, schwangerschaft)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 110/97
Datum:
03.12.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 110/97
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 32/95
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 23. April 1997 verkündete Urteil
der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 32/95 - wird
zurückgewiesen. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens
zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die
Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 12.000,- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet. Den Parteien bleibt
nachgelassen, Sicherheitsleistung auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder
öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
T a t b e s t a n d :
1
Mit der Klage nehmen die Kläger den Beklagten auf Schadensersatz wegen der Geburt
ihres Sohnes M. nach von dem Beklagten durchgeführter Sterilisation des Klägers zu 1)
in Anspruch.
2
Die Kläger wandten sich Anfang des Jahres 1990 wegen abgeschlossener
Familienplanung nach der Geburt zweier gemeinsamer Kinder an den Beklagten, einen
niedergelassenen Urologen, um eine Sterilisation des Klägers zu 1) durchführen zu
lassen. Am 19. Februar 1990 fand im Beisein beider Eheleute ein Beratungsgespräch
bei dem Beklagten statt, dessen Inhalt im einzelnen streitig ist. Der Beklagte legte den
Klägern einen zweiseitigen Bogen mit der Überschrift "Einwilligungs- und
Verzichtsformular" vor, in welchem sich unter anderem die folgenden Passagen
befinden:
3
"......
4
Nach vollständiger Aufklärung über die technischen Einzelheiten des operativen
Eingriffs wurden wir auch noch über mögliche Folgen informiert:
5
1........
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2. Durch Zusammenwachsen der unterbrochenen Samenleiterenden (einseitig oder
doppelseitig), unter Umständen auch noch nach bereits erfolgter Bestätigung der
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Unfruchtbarkeit durch Samenuntersuchung, kann es zu einer erneuten Durchgängigkeit
des betreffenden Samenleiters und somit zu einer erneuten Fruchtbarkeit
(Zeugungsfähigkeit) kommen (in 0,2 bis 6% der Fälle!).
........
8
Verzicht
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Wir sind über die höchst seltenen, aber dennoch letztlich nicht auszuschließende
(natürliche)
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Wiedervereinigung der vom Arzt kunstgerecht
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durchtrennten Samenleiter und damit über eine in keinem Fall der Sterilisation
auszuschließende Schwangerschaft der Ehefrau und der Geburt eines Kindes
durchgeführten operativen Eingriff voll aufgeklärt worden."
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Wie zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, gab der
Beklagte den Klägern diesen Bogen zur Unterschrift mit nach Hause.
13
Am 13. März 1990 führte der Beklagte bei dem Kläger zu 1) ambulant eine beidseitige
Vasoresektion durch. Am 21. Mai und 29. Juli 1990 erfolgten Kontrollen des Ejakulats
des Klägers zu 1) durch den Beklagten, bei denen sich kein Nachweis lebender
Spermien ergab.
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Im August 1993 wurde die Klägerin zu 2) erneut schwanger. Sie gebar am 12. April
1994 nach Kaiserschnitt einen gesunden Sohn.
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Die Kläger, die ihre hierdurch entstandenen Unterhaltspflichten - neben einem
Schmerzensgeld von mindestens 10.000,- DM für die Klägerin zu 2)- als Schaden
geltend machen, werfen dem Beklagten Behandlungs- und Aufklärungsfehler vor.
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Sie haben behauptet, daß die am 13. März 1990 vorgenommene Sterilisation von dem
Beklagten unter Verstoß gegen anerkannte Grundsätze ärztlicher Behandlung
durchgeführt worden und deshalb der mit ihr angestrebte Erfolg nicht eingetreten sei.
Insbesondere hätten nach den beiden Spermiogrammen noch weitere
Kontrolluntersuchungen, zumindest etwa in jährlichem Abstand, durchgeführt werden
müssen. Zu ihrer Aufklärungsrüge haben die Kläger vorgetragen, der Beklagte habe
ihnen erklärt, daß der Kläger zu 1) nach zweimaliger negativer Kontrolluntersuchung
von seiner Zeugungsunfähigkeit sicher und ohne Einschränkung ausgehen dürfe.
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Die Kläger haben beantragt,
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1) den Beklagten zu verurteilen, an sie die bisherige monatliche Unterhaltsrente für
den Zeitraum vom 12.4.1994 bis vorläufig 12.1.1995 in Höhe von monatlich 507,20
DM, also bislang 4.550,80 DM, zu zahlen,
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2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihnen, den Klägern, den
zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, insbesondere sie, die Kläger, von
ihren zukünftigen Unterhaltspflichten gegenüber ihrem am 12.4.1994 geborenen
Kind M. Heus freizustellen,
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3. den Beklagten zu verurteilen,
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an sie, die Klägerin zu 2), ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das
Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen, nebst 4 % Zinsen seit
Rechtshängigkeit.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist dem Vorbringen der Kläger sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht
entgegengetreten.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß seinen Beweisbeschlüssen vom 20.
Dezember 1995 und 14. Februar 1996 durch Einholung eines Gutachtens des
Sachverständigen Prof. Dr. M. sowie durch Parteivernehmung des Beklagten.
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Mit seinem am 23. April 1997 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage
abgewiesen. Sachverständig beraten, hat es sich auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beklagte die Vasoresektion lege artis durchgeführt habe und daß zwei
Kontrollspermiogramme nach dem 1990 geltenden medizinischen Standard
ausreichend gewesen seien. Dem Beklagten seien auch keine
Aufklärungsversäumnisse zur Last zu legen; der Beweis für ihre Behauptung, von dem
Beklagten nicht ordnungsgemäß über das Risiko einer fortbestehenden
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Zeugungsfähigkeit aufgeklärt worden zu sein, sei den Klägern nicht gelungen.
Wegen der Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil Bl. 166- 175 d.A. Bezug
genommen.
41
Gegen dieses ihnen am 5. Mai 1997 zugestellte Urteil haben die Kläger am 3. Juni 1997
Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit einem am 28. Juli 1997 eingegangenen
Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf ihren rechtzeitig
gestellten Antrag bis zum 4. August 1997 verlängert worden war.
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Mit ihrer Berufung wiederholen die Kläger ihren Vorwurf, daß der Beklagte den Eingriff
vom 13. März 1990 nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen habe,
und machen dazu geltend, daß bereits die erneute Schwangerschaft der Klägerin zu 2)
Anlaß zu der Annahme gebe, daß dem Beklagten bei dem Eingriff ein
Behandlungsfehler unterlaufen sei. Sie bitten um Einholung eines Obergutachtens, da
nach ihrer Auffassung Zweifel an der Qualität und Objektivität des Gutachtens von Prof.
M. bestehen. Darüber hinaus behaupten die Kläger erneut, von dem Beklagten nicht
ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein. Das Formular habe zu ihrer Unterrichtung
nicht ausgereicht. Darüber hinaus meinen die Kläger, daß der Beklagte nach dem
Vorliegen der beiden negativen Kontrollbefunde ausdrücklich hätte darauf hinweisen
müssen, daß weiterhin mit dem Risiko einer Rekanalisierung zu rechnen sei.
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Die Kläger beantragen,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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nach ihren erstinstanzlichen Schlußanträgen zu erkennen,
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hilfsweise,
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ihnen zu gestatten, Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank,
Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse leisten zu dürfen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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ihm zu gestatten, Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank,
öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu leisten.
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Der Beklagte tritt dem Berufungsvorbringen der Kläger entgegen und ergänzt und
vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen
ihnen gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Berufung der Kläger ist zulässig, in der Sache jedoch nicht gerechtfertigt. Das
Landgericht hat auf der Basis des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die Klage
zutreffend und mit überzeugender Begründung abgewiesen. Das Berufungsvorbringen
der Kläger gibt im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung Anlaß.
70
Ausgehend von der mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. November 1993
(VersR 1994, 425) ausdrücklich aufrechterhaltenen Rechtsprechung zum
Schadenscharakter einer nach fehlgeschlagener Sterilisation entstandenen
Schwangerschaft bzw. Unterhaltsverpflichtung haben die Kläger zwar ihre mit der Klage
geltend gemachten Schadensersatzansprüche schlüssig dargetan.
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Den in dem von ihnen unterschriebenen Formular erklärten Verzicht erachtet der Senat -
ebenso wie stillschweigend offenbar auch das Landgericht- als unwirksam, da er mit
wesentlichen Rechten und Pflichten, die sich aus der Natur des Behandlungsvertrages
ergeben, nicht in Einklang zu bringen ist, § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG.
72
Indessen haben die Kläger den ihnen obliegenden Beweis für die
anspruchsbegründenden Voraussetzungen ihrer Klage, die von ihnen behaupteten
Behandlungs - und Aufklärungsfehler, nicht erbracht und mit ihrer Berufung auch keine
durchschlagenden rechtlichen Gesichtspunkte zu den an die Mißerfolgsaufklärung zu
stellenden Anforderungen geltend gemacht.
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Daß dem Beklagten im Zuge der am 13. März 1990 durchgeführten beidseitigen
Vasoresektion Fehler unterlaufen sein könnten, hat der vom Landgericht beauftragte
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Sachverständige Prof. M. in seinem schriftlichen Gutachten ebenso überzeugend
verneint wie er die Veranlassung zusätzlicher Kontrollspermiogramme als nicht
erforderlich bezeichnet hat. Auf die zutreffende und keiner Ergänzung bedürftige
Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil wird zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen, § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO. Mit ihrer Berufung
vermögen die Kläger denn auch keine inhaltlichen Angriffe von Gewicht gegen die auf
das Behandlungsgeschehen bezogenen Feststellungen des Sachverständigen
vorzubringen. Fehl geht die Auffassung der Kläger, daß bereits die Tatsache einer
erneuten Schwangerschaft dafür spreche, daß die Vasoresektion nicht den Regeln der
ärztlichen Kunst entsprach. Einen solchen Anscheinsbeweis für das Vorliegen eines
Behandlungsfehlers gibt es angesichts der verschiedenen Möglichkeiten der
Rekanalisation wie auch der Möglichkeit einer anlagebedingten Fehl- und
Mehrfachbildung von Samenleitern nicht. Auch mit ihren gegenüber der Objektivität von
Prof. Dr. M. angemeldeten Zweifeln vermögen die Kläger keine Zweifel an der
Überzeugungskraft des Gutachtens zu wecken. In einen Befangenheitsantrag haben die
Kläger ihre Bedenken ohnehin nicht gekleidet. Tatsächlich bestehen nicht die
geringsten Anhaltspunkte dafür, daß Prof. M. sich bei der Erstattung seines Gutachtens
nicht ausschließlich von sachlichen Gesichtspunkten hat leiten lassen. Das Gutachten
zeugt von einer hohen fachlichen Kompetenz, ist wissenschaftlich fundiert und durch
eine gut nachvollziehbare, sachliche Argumentation gekennzeichnet. Wenn auch in
dem Beweisbeschluß des Landgerichts vom 20. Dezember 1995 (Bl. 98/99) nicht
danach gefragt war, ob die Aufklärung der Kläger durch den Beklagten ausreichend war,
so hat Prof. M. es aus seiner fachlichen Sicht in vertretbarer Weise offenbar für
notwendig gehalten, das ihm zur Beurteilung unterbreitete Behandlungsgeschehen im
ganzen zu würdigen. Eine mit der notwendigen Neutralität des Sachverständigen nicht
zu vereinbarende Einmischung kann hierin nicht gesehen werden, zumal die Frage, ob
eine ausreichende Mißerfolgsaufklärung stattgefunden hatte, aus der Sicht des
Sachverständigen auch für die in dem Beweisbeschluß erfragte ordnungsgemäße
Handhabung der Nachkontrollen Bedeutung haben mochte. Soweit der
Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 18. Dezember 1996 auf diesen
Punkt noch einmal zu sprechen gekommen ist (Bl. 137), geschah dies ersichtlich im
Hinblick auf den Schriftsatz der Kläger vom 21. Oktober 1996, in welchem die Kläger um
nähere Erläuterung dazu baten, weshalb der Arzt zu weiteren Spermiogrammkontrollen
nicht verpflichtet sei (Bl. 130).
Daß andere Gutachter über Erkenntnisse verfügen, die denen von Prof. Dr. M.
überlegen sind, machen die Kläger nicht geltend. Für die von ihnen beantragte
Einholung eines weiteren Gutachtens bestand deshalb kein Anlaß.
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Die Kläger können ihre Schadensersatzansprüche auch nicht mit Erfolg auf den Vorwurf
unzureichender Aufklärung über das Mißerfolgsrisiko stützen.
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Die vor einem Sterilisationseingriff vorzunehmende Aufklärung des Patienten über das
Rekanalisationsrisiko steht im Dienste der Sicherung des Behandlungserfolges. Diese
Art der Aufklärung wird Sicherheitsaufklärung genannt (Steffen, Neue
Entwicklungslinien der BGH- Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 6. Aufl, S. 126
m.w.N). Anders als bei der sogenannten Eingriffsaufklärung, die als
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des ärztlichen Eingriffs zur Beweislast des Arztes steht,
handelt es sich bei der Sicherheitsaufklärung um eine aus dem Behandlungsvertrag
fließende Verpflichtung, deren Verletzung einen Behandlungsfehler darstellt. Dies hat
zur Folge, daß die Beweislast für Versäumnisse in bezug auf die Sicherheitsaufklärung
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bei dem Patienten liegt (BGH NJW 1995, 2407,2408 m.w.N.).
Den Beweis für ihre Behauptung, der Beklagte habe sie im Hinblick auf die auch nach
dem Eingriff noch bestehende Möglichkeit weiterer Zeugungsfähigkeit fehlerhaft oder
auch nur unzureichend belehrt, haben die Kläger nicht erbracht.
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Der Beklagte hat bei seiner auf den Antrag der Kläger erfolgten Parteivernehmung
bestritten, den Klägern erklärt zu haben, daß nach zwei negativ ausfallenden
Kontrolluntersuchungen ein Versagerrisiko absolut ausgeschlossen sei. Er hat vielmehr
ausgesagt, daß er seine Patienten in dem vor der Operation stattfinden
Informationsgespräch über all das aufzuklären pflege, was in dem von ihm verwendeten
"Einwilligungs- und Verzichtsformular" stehe. Insbesondere gehöre dazu auch die
Aufklärung über eine mögliche späte Rekanalisation, weil dieses Restrisiko den
Patienten zumeist nicht verständlich sei. Der Beklagte hat zwar eingeräumt, sich an den
wörtlichen Inhalt des mit den Klägern geführten Gespräches nicht mehr zu erinnern.
Gleichwohl erscheint es glaubhaft, daß auch die Kläger von ihm in der als üblich
beschriebenen Weise informiert wurden, zumal es widersinnig und in keiner Weise
nachvollziehbar erschiene, wenn sich der Beklagte bei der persönlichen Aufklärung
seiner Patienten in Widerspruch zu den Informationen setzte, die in dem "Einwilligungs-
und Verzichtsformular" enthalten sind. Selbst wenn sich aber der Beklagte auf den
Hinweis beschränkt haben sollte, daß die Sterilisation keine hundertprozentige
Sicherheit garantiere- so hat er ursprünglich in der Klageerwiderung vortragen lassen,
Bl. 47 d.A.-, hätte der Beklagte damit vorliegend seiner Aufklärungspflicht genügt. Nach
dem Eindruck, den der Senat von den Klägern in der Berufungsverhandlung gewonnen
hat, wären die Kläger sowohl von ihren intellektuellen Fähigkeiten als auch von ihrem
Selbstbewußstsein her in der Lage gewesen, aus einem solchen Hinweis ein
fortbestehendes Zeugungsrisiko zu folgern und gegebenenfalls nachzufragen. Es
kommt hinzu, daß der Beklagte den Klägern, wie diese nun selbst eingeräumt haben,
das "Einwilligungs- und Verzichtsformular" zur Unterschriftsleistung mitgab, so daß sich
die Kläger in Ruhe mit dessen Inhalt auseinandersetzen konnten. Aus den oben im
Tatbestand zitierten Textpassagen geht auch für einen medizinischen Laien klar und
zweifelsfrei hervor, daß trotz der Sterilisierung und noch nach negativen
Samenuntersuchungen ein Restrisiko bestand. Mehr Informationen brauchten den
Klägern nicht gegeben zu werden, zumal zwischen dem Beratungsgespräch und dem
Eingriff genügend Zeit bestand, um gegebenenfalls noch bestehende Zweifel bei dem
Beklagten zur Sprache zu bringen. Für eine Parteivernehmung der Kläger gemäß § 448
BGB zu dem von ihnen behaupteten Inhalt des Aufklärungsgesprächs war kein Raum.
Es fehlt an der dafür notwendigen Wahrscheinlichkeit, daß die Schilderung der Kläger in
Bezug auf das Aufklärungsgespräch zutreffen könnte. Dies gilt insbesondere auch in
Anbetracht der von den Klägern in der Berufungsverhandlung gegebenen Darstellung,
sie hätten das Formular nicht bzw. nicht sorgfältig gelesen, weil sie auf die - falschen-
Erklärungen des Beklagten vertraut hätten. Daß sich keiner von beiden vor der
Unterschriftsleistung für den Text dieses durch seine fettgedruckte Überschrift
"Einwilligungs- und Verzichtsformular" als wichtig gekennzeichneten Schriftstückes
interessiert haben sollte, läßt sich nicht nachvollziehen, betraf doch der beabsichtigte
Eingriff ganz wesentliche Aspekte ihrer weiteren Lebensgestaltung.
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Einer routinemäßigen Belehrung über das weiterhin bestehende Rekanalisationsrisiko
nach dem Vorliegen der zweiten Kontrolluntersuchung bedurfte es entgegen der
Auffassung der Kläger nicht. Von einem mündigen Patienten kann nach Auffassung des
Senats erwartet werden, daß er sich so wichtige Informationen wie die, daß die von ihm
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gewünschte Sterilisation keine hundertprozentige Sicherheit in der
Empfängnisverhütung gewährleistet, nachhaltig einprägt. Eine wiederholte Aufklärung
ist von dem Arzt von daher nur zu verlangen, wenn er den Eindruck hat oder haben
müßte, daß der Patient die Belehrung in ihrer vollen Tragweite nicht verstanden oder sie
bereits wieder vergessen hat. Daß sich für den Beklagten vorliegend in dieser Richtung
Anhaltspunkte ergaben, ist nicht dargetan.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Wert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Kläger : 64.550,80 DM
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