Urteil des OLG Köln vom 23.12.1997

OLG Köln (zpo, beschwerde, beschwer, begründung, rechtsmittel, monat, höhe, scheidung, gesetz, nachteil)

Oberlandesgericht Köln, 25 UF 123/97
Datum:
23.12.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 UF 123/97
Vorinstanz:
Amtsgericht Bergheim, 61 A F 9/96
Tenor:
Die Berufungsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen das am
15.05.1997 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht -
Bergheim - 61 A F 9/96 - wird als unzulässig verworfen. Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
G r ü n d e
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Die Berufungsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen die
Versorgungsausgleichsreglung in dem angegriffenen Verbundurteil des Amtsgerichts -
Familiengericht - Bergheim vom 15.05.1997 - 61 A F 9/96 - ist unzulässig, da sie nicht in
der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des vorgenannten Urteils
eingelegt und in der weiteren Frist von 1 Monat worden ist (§§ 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e
Abs. 1 und 3, 516, 519 Abs. 2 ZPO).
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Durch vorgenanntes Urteil ist die Ehe der Parteien geschieden und sind zu Lasten der
Versorgungsanwartschaften des Antragstellers bei dem Landesamt für Besoldung und
Versorgung NRW auf dem Konto der Antragsgegnerin bei der BfA
Rentenanwartschaften von monatlich 2.201,01 DM bezogen auf den 31.01.1996
begründet worden.
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Gegen dieses, der weiteren Verfahrensbeteiligten zu 2.) am 23. 05. 1995 zugestellte
Urteil (Bl. 142 GA) hat diese mit bei Gericht am 04.06.1997 eingegangenem Schriftsatz
vom 02.06.1997 (Bl. 147 GA) bezüglich der Versorgungsausgleichsregelung
Berufungsbeschwerde eingelegt und diese begründet.
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Die Antragsgegnerin hat gegen das ihr am 30.05.1997 (Bl. 145 GA) zugestellte Urteil mit
bei Gericht am gleichen Tage eingegangenem Schriftsatz vom 30.06.1997 Berufung
eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
zum 01.09.1997 (Bl. 164 GA) mit am gleichen Tage eingegangenem Schriftsatz vom
22.08.1997 (Bl. 166 GA) begründet. Mit der Berufung hat die Antragsgegnerin begehrt,
nicht geschieden zu werden, da entgegen dem angefochtenen Scheidungsurteil die
gesetzlichen Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe der Parteien nicht vorlägen.
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Die weitere Beteiligte zu 2.) hat mit Schriftsatz vom 05.09.1997 (Bl. 182 GA) ihre
Berufungsbeschwerde zurückgenommen. Sodann hat die Antragsgegnerin mit
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Schriftsatz vom 10.11.1997 (Bl. 188 GA) "die Berufung hinsichtlich des
Scheidungsausspruches" zurückgenommen und sie "als Berufungsbeschwerde
hinsichtlich des Versorgungsausgleiches" aufrechterhalten. Zur Begründung der
Berufungsbeschwerde hat die Antragsgegnerin erstmals ausgeführt, das
Familiengericht habe übersehen, daß von den insgesamt in der Ehezeit erworbenen
Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin in Höhe von 1.078,38 DM lediglich
Rentenanwartschaften von (1,6286 Entgeltpunkte x 46,23 aktueller Rentenwert =) 45,29
DM nach dem "Fürprinzip" auf die Ehezeit entfielen. Im übrigen würden diese
Rentenanwartschaften auf der Nachzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen in der
Ehezeit für Zeiten vor der Ehezeit beruhen. Aufgrund dessen würden sich die zu
übertragenden Rentenanwartschaften auf 2.702,55 DM und nicht ausgeurteilter
2.201,01 DM errechnen.
Die Antragsgegnerin hält ihre Berufungsbeschwerde für zulässig, insbesondere sei
diese nicht verfristet. Zwar habe sie mit ihrer Berufungsbegründung ausschließlich den
erstinstanzlichen Scheidungsausspruch angegriffen. Dies impliziere jedoch den
Berufungsangriff auf den von dem Familiengericht ausgeurteilten
Versorgungsausgleich, da im Falle des Erfolges der Berufung mit der Abweisung des
Antrags auf Scheidung der Ehe ipso iure der von dem Familiengericht ausgeurteilte
Versorgungsausgleich in Fortfall gekommen wäre. Somit sei die Berufung nicht auf den
Scheidungsausspruch beschränkt worden. Somit könne ihr nicht entgegengehalten
werden, daß die Berufung bzw. Beschwerde hinsichtlich des Versorgungsausgleiches
in ihrer Berufungsbegründung nicht begründet worden sei. Eine besondere Begründung
hinsichtlich des Versorgungsausgleiches sei nicht veranlaßt gewesen. So habe das
Gericht auf Beschwerde einer der Parteien den Urteilsausspruch über den
Versorgungsausgleich von Amts wegen umfassend zu überprüfen.
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Diese Rechtsauffassung der Antragsgegnerin ist unzutreffend. Die
Berufungsbeschwerde ist unzulässig, da verfristet. Es fehlt nämlich an der fristgerechten
Geltendmachung einer Beschwer.
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Nach § 621 a Abs. 1 ZPO, § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde gegen eine
Entscheidung über den Versorgungsausgleich jedem zu, dessen Recht durch die
Entscheidung beeinträchtigt ist. Eine Rechtsbeeinträchtigung in diesem Sinne enthält
die Entscheidung des Amtsgerichts jedenfalls insofern, als nach der Auffassung der
Antragsgegnerin ihr zu wenige Rentenanwartschaften übertragen worden sind. Soweit
dies zuträfe, wäre die Antragsgegnerin materiell beschwert und hätte sich dagegen im
Rechtsmittelwege zur Wehr setzen können.
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Nach den im Zivilprozeß entwickelten Grundsätzen genügt es für die Zulässigkeit des
Rechtsmittels jedoch nicht, daß die angefochtene Entscheidung eine Beschwer des
Rechtsmittelführers enthält. Erforderlich ist zusätzlich, daß mit dem Rechtsmittel die
Beseitigung dieser Beschwer erstrebt wird (BGH FamRZ 1982, 1196, 1197 m.w.N.).
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Bei den Rechtsmitteln der Berufung, der Revision und der Berufungsbeschwerde, die
eine fristgebundene Begründung erfordern (§§ 519, 554, 621 e ZPO), muß sich dieses
Ziel des Rechtsmittels aus der fristgerecht eingereichten Begründungsschrift ergeben.
Nach dem Ablauf der Begründungsfrist kann zwar der Rechtsmittelantrag noch erweitert
werden, jedoch nur soweit sich die Erweiterung auf die fristgerecht vorgebrachten
Anfechtungsgründe stützt. Neue Anfechtungsgründe können nach Ablauf der
Begründungsfrist nicht mehr vorgebracht werden. Danach kann die Zielrichtung des
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Rechtsmittels nach Ablauf der Begründungsfrist nicht mehr dahin geändert werden, daß
nunmehr die - innerhalb der Begründungsfrist nicht geltend gemachte - Beschwer durch
die angefochtene Entscheidung bekämpft wird (vgl. BGH FamRZ a.a.O.). Diese
Grundsätze müssen auf die Beschwerde nach § 621 e ZPO, die den Rechtsmitteln der
Berufung und der Revision angenähert ist und wie diese fristgerecht begründet werden
muß, entsprechend angewendet werden. Allerdings kommt im Verfahren über den
Versorgungsausgleich der Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten nicht die gleiche
Bedeutung zu wie im Zivilprozeß. Das Versorgungsausgleichsverfahren ist der
freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet und wird daher nicht von der Parteimaxime,
sondern vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht (§ 621 a Abs. 1 ZPO; § 12 FGG).
Darüber hinaus bedarf es für die Durchführung des öffentlich-rechtlichen
Versorgungsausgleichs im Verbundverfahren keines Antrags (§ 623 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Ebenso ist ein Antrag im Rechtsmittelverfahren nicht vorgeschrieben. Unabhängig von
der Frage aber, ob und in welchem Maße das Rechtsmittelgericht an die Anträge und
das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten gebunden ist und ob es die angefochtene
Entscheidung auch zum Nachteil des Beschwerdeführers ändern kann, setzt die
Zulässigkeit der Beschwerde nach § 20 FGG eine Beschwer des Rechtsmittelführers
voraus. Nachdem das Gesetz in § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO - anders als in den
allgemeinen Verfahrensvorschriften des FGG - eine Begründung der Beschwerde
verlangt, muß sich aus dieser ergeben, daß der Rechtsmittelführer durch die
angefochtene Entscheidung beschwert ist und diese Beschwer bekämpfen will.
Andernfalls käme der Beschwerdebegründung keine sinnvolle Funktion zu. Aus dem
Fehlen einer Verweisung auf § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO in § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO kann
daher nicht gefolgert werden, daß es im Beschwerdeverfahren nach § 621 e ZPO keiner
Darlegung der Anfechtungsgründe bedürfe. Vielmehr muß der Beschwerdeführer
wenigstens in kurzer Form angeben, warum er sich durch die Entscheidung beschwert
fühlt, d.h. was er an ihr mißbilligt (vgl. BGH FamRZ a.a.O.).
An der fristgerechten Geltendmachung einer Beschwer fehlt es hier. Die
Antragsgegnerin hat sich mit ihrer ursprünglichen Berufung lediglich gegen den
Scheidungsausspruch gewehrt. Weitere Anfechtungsgründe bezüglich des
Versorgungsausgleiches waren in der Berufungsbegründung nicht vorgebracht worden.
Die Erklärung der Antragsgegnerin, daß für das Berufungsverfahren bezüglich des
Versorgungsausgleiches der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG gelte, kann zwar
dahin verstanden werden, daß sie die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung
auch auf die Höhe des Versorgungsausgleiches erstreckt wissen wollte. Sie hat jedoch
in der Berufungsbegründung keinen Grund angegeben, aus dem sie die angefochtene
Entscheidung mißbillige.
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Nach Ablauf der Begründungsfrist konnte der formelle Mangel der
Beschwerdebegründung nicht mehr durch nachträgliches Vorbringen geheilt werden.
Die nachgereichten Darlegungen über die Auswirkungen der während der Ehezeit
entrichteten Rentennachzahlungen für einen Zeitraum vor Eintritt der Ehe vermochten
deshalb an der Unzulässigkeit der unzureichend begründeten Beschwerde nichts mehr
zu ändern. Danach bedarf es keiner Erörterung mehr, ob die hierzu vertretene
Rechtsauffassung der Antragsgegnerin zutreffend ist.
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Das Rechtsmittel ist auch nicht nach § 629 a Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig. Die dort
vorgesehene befristete Anschlußbeschwerde ist ebenfalls verfristet. Die dort genannte
Monatsfrist zwischen Beschwerdeeinlegung und Anschlußbeschwerde ist längst
abgelaufen, wie sich aus der obigen Sachverhaltsschilderung ergibt. Von daher braucht
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nicht entschieden zu werden, ob die in § 629 a Abs. 3 Satz 1 ZPO vorgesehene
befristete Anschlußbeschwerde nur gegen Teile der Verbundentscheidung stattfindet,
die nicht schon Gegenstand eines Hauptrechtsmittels sind (vgl. OLG Hamburg FamRZ
1988, 1063, 1064).
Schließlich ist das von der Antragsgegnerin weiter verfolgte Rechtsmittel auch nicht als
einfache unbefristete (unselbständige) Anschlußbeschwerde zulässig. Die Zulässigkeit
einer solchen unselbständigen Anschlußbeschwerde ist jedenfalls in dem Zeitpunkt
entfallen, als die weitere Verfahrensbeteiligten zu 2.) ihre Berufungsbeschwerde
zurückgenommen hatte (§ 522 Abs. 1 ZPO analog).
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Zusammenfassend ist also festzustellen, daß die von der Antragsgegnerin weiter
verfolgte Berufungsbeschwerde wegen Versäumung jedenfalls der Begründungsfrist
unzulässig ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
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Beschwerdewert: (2.702,55 DM - 2.201.01 DM) x 12 = 501,54 DM x 12 = 6.018,48 DM.
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