Urteil des OLG Köln vom 23.08.2006

OLG Köln: betroffene person, subjektives recht, entlassung, beschwerdebefugnis, beschwerderecht, amt, versorgung, angehöriger, gesundheitsvorsorge, rechtfertigung

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx069+187/06
Datum:
23.08.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx069+187/06
Tenor:
I. Beschluss zu 16 Wx 69/06
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss der
6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 01.03.2006 – 6 T 486/05 –
(Ziff. 5. des Tenors des Landgerichts) wird als nicht begründet
zurückgewiesen.
Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 4. und 5. gegen den
vorgenannten Beschluss werden als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten zu 3. bis 5. haben den übrigen Beteiligten etwaige im
Rechtsbeschwerdeverfahren entstandene außergerichtliche Kosten
jeweils zu 1/3 zu erstatten, und zwar nach einem Geschäftswert von
4.000,00 €.
II. Beschluss zu 16 Wx 187/06
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss der
6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 01.03.2006 – 6 T 535/05 –
(Ziff. 2. des Tenors des Landgerichts) wird als nicht begründet
zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren sind nach einem
Wert von 3.000,00 € zu erheben.
Der Beteiligten zu 3. hat den übrigen Beteiligten im
Rechtsbeschwerdeverfahren entstandene außergerichtliche Kosten zu
erstatten, und zwar nach einem Geschäftswert von 4.000,00 €.
G r ü n d e
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I. Beschwerdeverfahren 16 Wx 69/06
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Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3. gegen die Entscheidung des
Landgerichts betreffend den Betreuerwechsel wegen der dem Beteiligten zu 2.
übertragenen Aufgabenkreise (Vermögenssorge pp.) und wegen der Bestellung der
Beteiligten zu 6. als Ersatzbetreuerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der
Sache hat sie indes keinen Erfolg. Dagegen sind die von den Beteiligten zu 4. und 5.
eingelegten Rechtsmittel nicht zulässig, weil sie nicht beschwerdebefugt sind.
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1.
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Das Landgericht hat die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 3. gegen seine vom
Amtsgericht ausgesprochene Entlassung aus dem Betreueramt wegen der
Aufgabenkreise der Gesundheitsfürsorge und häuslichen Versorgung mit Recht als
zulässig angesehen. Ein gegen seinen Willen entlassener Betreuer ist nämlich in
eigenen Rechten verletzt mit der Folge, dass er hiergegen Beschwerde einlegen kann
(§ 20 Abs. 1 FGG), und zwar eine sofortige (§ 69g Abs. 4 Nr. 3 FGG). Bezüglich dieses
Teils hat jedoch bereits das Landgericht dem Anliegen des Beteiligten zu 3.
entsprochen und seine Entlassung aus dem ihm übertragenen Amt aufgehoben.
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Bezüglich des weitergehenden "Antrags" des Beteiligten zu 3., den Beteiligten zu 2.
wegen der diesem übertragenen Aufgabenkreise sowie die Beteiligte zu 6. aus ihren
Betreuerämtern zu entlassen sowie ihn selbst, hilfsweise unter Beachtung des Vorrangs
der ehrenamtlichen Betreuung einen anderen Betreuer mit den entsprechenden
Aufgabenkreisen zu bestellen, ist die weitere Beschwerde des Betroffenen zwar
zulässig, weil das Landgericht seine Erstbeschwerde zurückgewiesen hat (vgl.
Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Auflage, § 27 Rdn. 2). Eine ihm günstige
Sachentscheidung kann der Beteiligte zu 3. jedoch schon deshalb nicht erlangen, weil
seine Erstbeschwerde unzulässig war und deshalb vom Landgericht überhaupt nicht in
der Sache beschieden werden durfte.
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Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass die Ablösung eines bereits bestellten
Betreuers durch einen anderen nicht in den Katalog der Entscheidungen fällt, in denen
nahe Angehörige einer betreuten Person gem. § 69g Abs. 1 FGG ein Beschwerderecht
haben. Die in dieser Norm sowie in § 69i FGG enthaltenen Bestimmungen stellen
Sonderregelungen für ein Betreuungsverfahren dar, durch die das in § 57 FGG
enthaltene Recht naher Angehöriger zur Einlegung von Beschwerden in
Vormundschaftssachen eingeschränkt wird (BGH, Beschluss vom 06.03.1996 – XII ZB
7/96 = NJW 1996, 1825).
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Auch aus § 20 FGG lässt sich entgegen der Meinung des Landgerichts eine
Beschwerdebefugnis nicht herleiten.
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Mit dem Senatsbeschluss vom 17.06.2005 – 16 Wx 36/05 - ist das ursprüngliche
Betreuerbestellerverfahren bestandskräftig abgeschlossen worden. Bei nachfolgenden
"Anträgen" naher Angehöriger oder auch sonstiger Personen zu einem Betreuerwechsel
handelt es sich letztlich nur um bloße Anregungen an das Vormundschaftsgericht, von
Amts wegen zum Wohl der betreuten Person gem. § 1908b BGB einzuschreiten. Wenn
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das Vormundschaftsgericht die entsprechende Anregung nicht aufgreift, sondern es –
nach pflichtgemäßer Prüfung möglicherweise für einen etwaigen Betreuerwechsel
relevanter neuer Tatsachen – bei der bestandskräftigen Betreuerbestellung belässt, ist
der Anregende hierdurch im Rechtssinne nicht beschwert. Eine Beschwerdebefugnis
aus § 20 Abs. 2 FGG scheidet aus, weil nahen Angehörigen nach den gesetzlichen
Regelungen kein formelles Antragsrecht i. S. d. § 20 Abs. FGG eingeräumt ist und sie –
wie ausgeführt – nur Anregungen geben können. Die sodann nur noch in Betracht
kommende Beschwerdebefugnis aus § 20 Abs. 1 FGG setzt voraus, dass ein
subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt ist; bloße rechtliche Interessen
reichen hierfür nicht. Die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts über eine etwaige
Entlassung eines Betreuers nach § 1908 b BGB hat sich primär am Wohl der
betroffenen Person, nicht aber an Interessen sonstiger Personen, die unter Umständen
ganz gegenläufig sein können (z. B. Erhaltung von Vermögen in Erwartung einer
Erbschaft), zu orientieren. In eigenen Rechtspositionen tangiert sind daher nur die
betroffene Person und ggfls. – wie vorliegend bezüglich der Aufhebung der Bestellung
wegen der Gesundheitsvorsorge bereits oben ausgeführt – der aus seinem Amt
entlassene Betreuer. Ein Beschwerderecht steht daher nur ihnen bzw. einem etwaigen
Verfahrenspfleger zu, nicht aber Angehörigen. Deren Befugnis zur Einlegung von
Rechtsmitteln ist auf die – hier nicht einschlägigen - Fälle der §§ 69g Abs. 1, 69i Abs. 8
beschränkt, und zwar auch um dem zu begegnen, was vorliegend geradezu
exemplarisch eingetreten ist, nämlich dass nach Bestandskraft der Betreuerbestellung
dem Wohl der Betroffenen eklatant zuwider laufende gerichtliche
Auseinandersetzungen über die Betreuerauswahl durch die Instanzen geführt werden.
Dies hat der Bundesgerichtshof auf Vorlage des Senats bereits im Jahre 1996
entschieden und dies ist seitdem allgemeine obergerichtliche Rechtsprechung (vgl.
BGH a. a. O. sowie z. B. BayObLG FamRZ 1998, 1186; OLG Zweibrücken OLGR 2003,
134; Senatsbeschluss vom 18.9. 2002 - 16 Wx 173/02 -).
Kurz zusammengefasst stellen sich die für juristische Laien schwer verständlichen
Zulässigkeitsfragen wegen einer Abänderung einer
bestandskräftigen
über die Betreuerbestellung im Ergebnis wie folgt dar:
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Die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 3. war zulässig, soweit er durch die
Entscheidung des Amtsgerichts in einer
eigenen
wegen der Entlassung aus seinem Amt als Betreuer für den Aufgabenbereich der
Gesundheitsvorsorge. Sie war unzulässig, soweit ein solches eigenes Recht nicht
bestand, sondern er gemeint hat, nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse
seiner Mutter, aber im eigenen Namen den vom Amtsgericht abgelehnten
Betreuerwechsel wegen der übrigen Aufgabenbereiche weiterverfolgen zu müssen.
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2.
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Aus dem Vorstehenden folgt weiter, dass den Beteiligten zu 4. und 5., als ebenfalls nicht
antragsberechtigten und nicht in eigenen Rechten tangierten Kindern der Betroffenen
wegen der Ablehnung der von ihnen angeregten Entlassung des Beteiligten zu 3. als
Betreuer bezüglich der Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der häuslichen
Versorgung durch das Landgericht kein Beschwerderecht zusteht, ihre sofortigen
weiteren Beschwerden also unzulässig sind. Die anders lautende, aber nicht auf die
Beschwerdebefugnis bestimmter Personen bzw. Personengruppen bezogene, sondern
nur die allgemeine Statthaftigkeit betreffende Rechtsmittelbelehrung des Landgerichts
ändert hieran nichts. Nur das Gericht der weiteren Beschwerde ist befugt, über die
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Zulässigkeit eines eingelegten Rechtsmittels zu befinden.
3.
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Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist wegen § 131 Abs. 3 KostO nicht
veranlasst. Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten beruht auf §
13a Abs. 1 S. 2 FGG, wobei dem Umstand Rechnung zu tragen war, dass - anders als
bei den Gerichtskosten gem. § 30 Abs. 2, 3 KostO - bei den außergerichtlichen Kosten
gem. § 23 Abs. 3 RVG der anzusetzende Regelwert nicht 3.000,00 €, sondern 4.000,00
€ beträgt.
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II. Beschwerdeverfahren 16 Wx 187/06
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Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3. ist zulässig, nachdem das Landgericht
seine Erstbeschwerde als unzulässig verworfen, sich also geweigert hat, die sachliche
Rechtfertigung seines Rechtsmittels zu prüfen.
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In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg. Das Landgericht hat die
Erstbeschwerde des Betroffenen mit Recht als unzulässig angesehen. Dass die
Erwägung des Landgerichts, der Beweisbeschluss sei als Zwischenentscheidung nicht
anfechtbar, zutreffend ist, zeigt anschaulich die vorliegende Konstellation:
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Ziel der Beschwerde des Beteiligten zu 3. konnte es nur sein, das angeordnete
Gutachten und ggfls. dessen Verwertung durch das Amtsgericht zu verhindern. Dieses
Rechtsschutzziel konnte im Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts nicht mehr
erreicht werden, weil nicht nur bereits das Gutachten erstattet, sondern auch bereits die
Entscheidung des Amtsgerichts, die mit dem Gutachten vorbereitet werden sollte,
ergangen war. Der Beteiligte zu 3. konnte daher mit dem – wie oben ausgeführt -
zulässigen und im Ergebnis auch in der Sache erfolgreichen Rechtsmittel gegen seine
Entlassung aus dem Betreueramt zugleich eine Überprüfung aller ihr zugrunde
liegenden Zwischenentscheidungen erreichen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine
gesonderte Anfechtung einer einzelnen Zwischenentscheidung bestand unabhängig
von der mit der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Frage, ob unter bestimmten
Voraussetzungen auch die Anordnung eines Sachverständigengutachtens anfechtbar
sein kann, jedenfalls in der vorliegenden Konstellation ersichtlich nicht (mehr).
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Da wegen der Beweisanordnung die Beschwerde auf die Verletzung eigener Rechte
des Beteiligten zu 3. gestützt ist, greift wegen der Gerichtskosten der
Gebührenbefreiungstatbestand des § 131 Abs. 3 KostO nicht ein mit der Folge, dass
Gerichtskosten nach dem Regelwert zu erheben sind. Die Erstattungsanordnung beruht
auch zu diesem Rechtsmittel auf §§ 13a Abs. 1 S. 2 FGG i. V. m. § 23 Abs. 3 RVG.
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III.
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Dem Senat ist wegen der Bescheidung der Rechtsmittel aus prozessualen Gründen
gehindert, sich mit der Art und Weise zu befassen, mit der die Beteiligten zu 3. bis 6.
trotz der aktenkundigen intensiven Bemühungen des Amts- und des Landgerichts um
eine Bereinigung meinen, ihren Streit untereinander auf dem Rücken und – jedenfalls in
der Vergangenheit – vor den Augen ihrer Mutter austragen zu müssen. Die möglichen
Folgen ihres Verhaltens für den Lebensabend ihrer Mutter mögen sie selbst für sich
selbst verantworten.
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