Urteil des OLG Köln vom 04.01.2000

OLG Köln: vertagung, verschulden, offenkundig, bedürfnis, ermessensspielraum, säumnis, erlass, rechtskraft, form, datum

Oberlandesgericht Köln, 6 W 82/99
Datum:
04.01.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 82/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 165/99
Normen:
ZPO §§ 336, 337, 139, 278 ABS. 4
Leitsätze:
1. Wirkt der Vorsitzende einer Zivilkammer (erst) im Termin zur
mündlichen Verhandlung gemäß § 139 Abs. 1 ZPO auf die Stellung
sachdienlicher Anträge hin, kann es geboten sein, einen neuen
Verhandlungstermin anzuberaumen. 2. Hält der Vorsitzende im Rahmen
des ihm zustehenden Ermessens den neuen Termin für erforderlich und
räumt er der belehrten Partei hierdurch eine angemessene Reaktionsfrist
zu seinen Hinweisen ein, handelt er nicht verfahrensfehlerhaft. Einem
Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils ist in diesem Falle nicht zu
entsprechen (§ 337 ZPO analog).
Rechtskraft:
unanfechtbar
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den im
Verhandlungstermin vom 7. Dezember 1999 unter Ziffer 1) verkündeten
Beschluß der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (81
O 165/99) wird auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1
Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Kammer für Handelssachen den Antrag der
Beklagten, ein Versäumnisurteil gegen die Klägerin zu erlassen, abgelehnt. Die
dagegen von den Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde ist nach § 336 ZPO an
sich statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist aber nicht
begründet. Die Ablehnung des Antrags durch das Landgericht war nicht
verfahrensfehlerhaft.
2
Die Säumnis der im Verhandlungstermin erschienenen und auch an sich
ordnungsgemäß vertretenen Klägerin beruht darauf, daß sie nach Hinweisen des
Gerichts, aus denen sich Bedenken gegen die schriftsätzlich formulierte Fassung der
Klageanträge ergaben, die Erklärung abgab, in dem anberaumten Termin keine Anträge
stellen zu wollen. Grundsätzlich ist der Vorsitzende des Gerichts nach § 139 Abs. 1 ZPO
verpflichtet, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Daß der Vorsitzende
der Kammer für Handelssachen die ihm dabei insbesondere durch § 308 Abs. 1 ZPO
gezogenen Grenzen nicht beachtet hätte, kann weder dem Akteninhalt noch dem
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Beschwerdevorbringen entnommen werden. Die dem Richter vom Gesetz auferlegte
Pflicht zu sachdienlichen Hinweisen hat nur dann einen Sinn, wenn der insoweit
belehrten Partei auch eine angemessene Reaktionsfrist eingeräumt wird, ob und ggf. auf
welche Weise sie den Hinweisen entsprechen will. Erfolgt ein derartiger Hinweis daher
nicht schriftlich in angemessener Zeit vor, sondern erst im Termin zur mündlichen
Verhandlung, so kann es, wie es in § 278 Abs. 4 ZPO ausdrücklich vorgesehen ist,
geboten sein, einen neuen Termin anzuberaumen, also eine Vertagung notwendig
werden (vgl. zum Vorstehenden Zöller/Greger, 21. Aufl., § 139 Rn. 5 mit Verweis auf die
Kommentierung zu § 278 Rn. 8 a). Erfordern demnach die Hinweise des Gerichtes nach
den genannten Bestimmungen eine Vertagung des Termins, so kann andererseits dem
Antrag der Gegenseite auf Erlaß eines Versäumnisurteils nicht zu entsprechen sein. In
analoger Anwendung des § 337 ZPO beruht in einem derartigen Fall die Vertagung auf
der Einschätzung des Gerichts, daß die Partei, die soeben den richterlichen Hinweis
erst erhalten hat, ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Der von
Zöller/Herget, a. a. O., § 337 Rn. 2 vertretenen Ansicht, die Bestimmung sei nur
anwendbar bei Abwesenheit der geladenen Partei und nicht auch dann, wenn die
erschienene Partei im Sinne des § 333 ZPO nicht verhandele, vermag sich der Senat
nicht anzuschließen. Vielmehr besteht offenkundig für eine Vertagungsmöglichkeit in
der umschriebenen Prozeßsituation angesichts der Regelungen der §§ 139 Abs. 1, 278
Abs. 4 ZPO ein rechtlich unabweisbares und auch praktisches Bedürfnis.
Dafür, daß im Streitfall die erteilten richterlichen Hinweise nur marginale Punkte
betroffen hätten und auch bei Einräumung einer angemessenen Überlegungsfrist für die
Klägerin eine Reaktion und geänderte Antragstellung im anberaumten
Verhandlungstermin - entgegen der Auffassung des Handelsrichters - ohne weiteres
möglich und zumutbar gewesen wäre, gibt das Beschwerdevorbringen keine
Anhaltspunkte. In dem Terminsprotokoll ist nicht festgehalten, in welchen Einzelheiten
die Fassung der Klageanträge kritisch erörtert worden ist. Auch die Beschwerde
schweigt sich dazu aus und beschränkt sich auf die ergebnisorientierte Wertung, die
Hinweise des Gerichtes seien nicht derart überraschend gekommen oder schwierig
gewesen, daß eine Umformulierung des Antrags unmöglich gewesen sei. Ist infolge
dessen für einen Verfahrensverstoß nichts ersichtlich und mit der
Beschwerdebegründung nichts vorgetragen, so war die sofortige Beschwerde mit der
Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen, ohne daß es noch eines Eingehens auf die
Frage bedarf, ob dem über die Vertagung entscheidenden Richter insoweit ein nicht
nachprüfbarer Ermessensspielraum verbleibt.
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Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.000,00 DM.
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