Urteil des OLG Köln vom 27.05.1994

OLG Köln (rechtliches gehör, stpo, verteidiger, staatsanwaltschaft, antrag, unbekannt, zustellung, beteiligter, anwaltschaft, vorschrift)

Oberlandesgericht Köln, Ss 58/94 - 34 -
Datum:
27.05.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 58/94 - 34 -
Tenor:
Dem Angeklagten Klitzing wird nach § 33 a StPO Gelegenheit gegeben,
binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses zum
Verwerfungsantrag der Gene-ralstaatsanwaltschaft vom 9. Februar 1994
Stellung zu nehmen.
G r ü n d e
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Der Senat hat durch Beschluß vom 8. März 1994 die Revision des Angeklagten
gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 26. Oktober 1993 nach § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen. Der voraus-gegangene Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft vom 9. Februar 1994 ist dem Verteidiger nicht übersandt
worden. Es wurde nur eine Versendung des Antrags an den Angeklagten persönlich
veranlaßt. Das Schreiben ist jedoch zurückgesandt worden, da der Angeklagte
unbekannt verzogen sei.
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Der Angeklagte hat durch Schriftsatz seines Vertei-digers vom 31.03.1994 beantragt,
ihm nachträglich nach § 33 a StPO rechtliches Gehör zu gewähren.
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Der Antrag ist begründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung vom 08.03.1994 das
rechtliche Gehör des Angeklagten verletzt.
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Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
nach § 349 Abs. 2 StPO grundsätzlich dem Verteidiger zuzu-stellen ist (so Hanack in
Loewe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 349 Rdnr. 18; Kleinknecht/Meyer-Goß-ner,
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StPO, 41. Aufl., § 349 Rdnr. 15) oder ob die Staatsanwaltschaft entweder an den
Beschwerdeführer persönlich oder an den Verteidiger zustellen kann (so Pikart in KK,
3. Aufl., § 349 Rdnr. 20). Eine Übersendung des Antrags an den Verteidiger ist
jedenfalls dann erforderlich, wenn eine Übersendung an den Angeklagten persönlich
nicht durchführbar ist, weil seine Anschrift unbekannt ist. Ein sol-cher Fall lag hier vor.
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Die Mitteilung des Antrags nach § 349 Abs. 3 StPO soll das rechtliche Gehör des
Angeklagten sichern (vgl. Hanack in Loewe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 349 Rdnr.
18; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O., § 349 Rdnr. 15). Die Verletzung des
rechtlichen Gehörs, die darin liegt, daß der Senat entschieden hat, ohne dem
Verteidiger Gelegenheit zur Stellung-nahme zu geben, muß durch Nachholung des
rechtli-chen Gehörs nach § 33 a StPO beseitigt werden. Nach ihrem Wortlaut greift
die Regelung des § 33 a StPO allerdings nur ein, wenn "Tatsachen oder Beweiser-
gebnisse", zu denen ein Beteiligter nicht gehört worden ist, verwertet werden. Bei der
Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat der Senat keine
Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Angeklagte sich nicht
äußern konnte, da die Entscheidung des Senats insoweit auf den Feststellungen des
Landgerichts beruht, zu denen der Angeklagte sich im Berufungs-rechtszug äußern
konnte (vgl. BGHSt 23, 102, 103; Senatsentscheidung vom 15.10.1991 - Ss 372/91
B). Die Vorschrift des § 33 a StPO ist aber so auszu-legen und anzuwenden, daß sie
jeden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Beschlußverfahren erfaßt (BVerfG NStZ
1985, 277; Kleinknecht/Meyer-Goßner a. a. O., § 33 a Rdnr. 1). Der Anspruch auf
recht-liches Gehör gewährleistet den Verfahrensbeteilig-ten das Recht, sich nicht nur
zu dem der Entschei-dung zugrundeliegenden Sachverhalt, sondern auch zur
Rechtslage zu äußern (BVerfG NJW 1992, 2877). Da ein Verwerfungsantrag der
Staatsanwaltschaft nach § 349 Abs. 2 StPO den Weg zu einer Beschluß-verwerfung
eröffnet und im Falle einer Beschlußver-werfung dem Angeklagten die Möglichkeit
genommen wird, in einer Revisionshauptverhandlung zu den Rechtsansichten der
Generalstaatsanwaltschaft Stel-lung zu nehmen und seine eigenen Rechtsansichten
vorzutragen, muß er die Möglichkeit haben, zum Ver-werfungsantrag der
Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen, auch wenn diese nur Rechtsausführungen
ent-hält. Da dem Angeklagten diese Möglichkeit genommen wurde, ist ihm
nachträglich rechtliches Gehör zu gewähren und das Recht einzuräumen, binnen 2
Wochen (vgl. § 349 Abs. 3 StPO) nach Zustellung dieses Be-schlusses zum
Verwerfungsantrag der Generalstaats-anwaltschaft Stellung zu nehmen.
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