Urteil des OLG Köln vom 17.09.2003

OLG Köln: beweiswürdigung, tatsachenfeststellung, hauptsache, auflage, heiratsabsicht, unterbringung, anhörung, freiheitsentziehung, glaubwürdigkeit, abschiebung

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 177/03
Datum:
17.09.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 177/03
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 1 T 281/03
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der
Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln
vom 13.08.2003 - 1 T 281/03 - dahingehend abgeändert, dass die
Kostenentscheidung entfällt.
Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat dem Betroffenen 3/4 der im
Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu
erstatten.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
4.000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
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Die gemäß §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, 103 Abs. 2 AuslG, 27, 29 FGG zulässige
sofortige weitere Beschwerde hat in der Hauptsache keinen Erfolg. Allerdings wendet
sich der Antragsteller mit Recht dagegen, dass ihm die Auslagen des Betroffenen im
(Erst-)Beschwerdeverfahren auferlegt worden sind.
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I.
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In der Hauptsache wendet sich der Antragsteller mit Beweiseinreden gegen die
Feststellung des Einzelrichters, dass aufgrund der im Beschwerdeverfahren
durchgeführten Ermittlungen seiner Überzeugung nach der Betroffene sich nicht der
Abschiebung entziehen werde. Damit kann der Antragsteller indes gem. § 27 Abs. 1
FGG i. V. m. § 546 ZPO nicht gehört werden. Die Tatsachenfeststellung ist ureigenste
Aufgabe des Tatrichters. Sie kann daher im Verfahren der weiteren Beschwerde nur auf
eine etwaige Gesetzesverletzung überprüft werden, also darauf, ob Formvorschriften für
die Beweisaufnahme nicht beachtet worden sind, ob bei der Beweiswürdigung gegen
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gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze
verstoßen worden ist, ob die Beweiswürdigung auf einer rechtlichen Voraussetzung
beruht, die nicht mit dem Gesetz in Einklang steht oder ob entscheidungserhebliche
Tatsachen übergangen bzw. nicht vollständig ermittelt worden sind. Im Übrigen, also z.
B. bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder eines Beteiligten ist die
Beweiswürdigung einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdeverfahren entzogen
(vgl. z. B. Bumiller/Winkler, FGG 7. Auflage, § 26 Rdn. 17).
Gemessen hieran ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Es ist
seiner Pflicht zur Sachaufklärung (§ 12 FGG) erschöpfend nachgekommen. Weitere
Ermittlungsansätze bestanden nicht. Insbesondere gilt dies hinsichtlich der nunmehr
seitens des Antragstellers durchgeführten Recherchen, die wegen der fehlenden
Möglichkeit des Senats zur eigenen Tatsachenfeststellung unbeachtlich sind. Für den
Tatrichter gab es keine Anhaltspunkte für die nunmehr geltend gemachten
Beweiseinreden. Es geht letztlich nur darum, ob dem Betroffenen und der Zeugin U. zur
Ernsthaftigkeit ihrer Heiratsabsicht und einer deswegen im Zeitpunkt der Entscheidung
des Erstbeschwerdegericht fehlenden Entziehungsabsicht geglaubt werden kann oder
nicht. Dazu kann und darf der Senat als Rechtsbeschwerdegericht keine Feststellungen
treffen.
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II.
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Die Voraussetzungen für eine Erstattungsanordnung nach § 16 FEVG liegen wegen der
dem Betroffenen im Erstbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten nicht vor.
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Maßgeblich für eine Anwendung dieser Norm ist nicht die objektive Sachlage, wie sie
sich nach Sachaufklärung für das Beschwerdegericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung
darstellt. Vielmehr kommt es grds. für die Frage, ob der Betroffene begründeten Anlass
für die Stellung eines Haftantrags gegeben hatte, darauf an, wie die Behörde den
Sachverhalt zur Zeit der Antragstellung beurteilen durfte, wenn sie alle ihr zumutbaren
Ermittlungen angestellt hätte (vgl. BayObLG BayVBl. 1999, 27; 1997, 187; KG FGPrax
1998, 199 = KGReport 1998, 403; Marschner/Volkart, Freiheitsentziehung und
Unterbringung, 4. Auflage, § 16 FEVG Rdn. 3). Für die Kosten eines
Rechtsmittelverfahrens ist insofern auf die Sachlage bzw. den Kenntnisstand im
Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels abzustellen (vgl. BayObLG JurBüro 2001,
107; BayObLGZ 1998, 338; KG InfAuslR 2000, 230 = KGReport 2000, 184).
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Hiernach ist die Anordnung einer Kostenerstattung nicht möglich. Der Antragsteller
macht mit Recht geltend, dass er weder vor Einreichung des Haftantrages, noch im
Termin des Amtsgerichts, noch bis zur Einlegung der Erstbeschwerde irgendwelche
Anhaltspunkte dafür haben musste, dass die aufgrund des ihm bekannten Sachverhalts
zweifellos vorliegenden Haftvoraussetzungen wegen einer bevorstehenden Heirat
inzwischen entfallen sein konnten. Er wusste nichts von der Heiratsabsicht und brauchte
hiervon nichts zu wissen, nachdem selbst der Verfahrensbevollmächtigte des
Betroffenen hiervon bei der telefonischen Erörterung mit der Haftrichterin anlässlich der
Anhörung des Betroffenen nichts mitgeteilt hatte.
9
III.
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Anders ist es indes wegen der Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Auch
insofern kommt es darauf an, ob für den Antragsteller begründeter Anlass zur Einlegung
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des Rechtsmittels bestand (JurBüro 2001, 107). Dies war in der Hauptsache ersichtlich
nicht der Fall, da der Antragsteller hätte wissen müssen, dass eine verfahrensfehlerfrei
getroffene Tatsachenfeststellung nicht im Rechtsbeschwerdeverfahren durch
Beweiseinreden "ausgehebelt" werden kann. Gleichwohl kann der Betroffene nicht die
gesamten ihm entstandenen Auslagen nach § 16 FEVG ersetzt verlangen, da der
Antragsteller, der keine isolierte Kostenbeschwerde erheben konnte (vgl. BGHZ 131,
185), teilweise, nämlich mit seinen hilfsweise erhobenen Angriffen gegen die
Auslagenentscheidung des Landgerichts, Erfolg gehabt hat. Der Senat hielt es daher für
angemessen, nur eine Erstattung von 3/4 der dem Betroffenen im
Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten anzuordnen.
Wegen der Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist im Hinblick auf § 15
Abs. 2 FEVG eine Kostenentscheidung nicht veranlasst. Als Geschäftswert war der
Regelwert des § 8 Abs. 2 S. 2 BRAGO anzusetzen.
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