Urteil des OLG Köln vom 20.11.2001

OLG Köln: verfall, entschuldigung, einspruch, bestätigung, urteilsbegründung, anhörung, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, Ss 448/01 (B)
20.11.2001
Oberlandesgericht Köln
1. Strafsenat
Beschluss
Ss 448/01 (B)
Amtsgericht Aachen, - 198/01 B -
hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln
auf die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten gegen das Urteil des
Amtsgerichts Aa-chen vom 16. Mai 2001
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 3, 5
OWiG
am 20. November 2001
beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die
Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die
Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Aachen
zurückverwiesen.
G r ü n d e
I.
Durch Bescheid des Staatlichen Umweltamtes B vom 21.01.1999 ist gegen die
Verfallsbeteiligte gem. § 29a Abs. 4 OWiG der Verfall eines Geldbetrages in Höhe von
15.672,00 DM angeordnet worden, weil sie die B-Straße in B von Januar bis Mitte
September 1997 ohne das erforderliche Gasrückführungssystem betrieben habe. Ihren
Einspruch hat das Amtsgericht Aachen durch Urteil vom 16.05.2001 nach § 74 Abs. 2
OWiG verworfen, "weil der Betroffene in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ohne
genügende Entschuldigung ausgeblieben ist. Die vom Betroffenen vorgetragenen Gründe
sind keine genügende Entschuldigung, weil Gerichtstermine vorgehen". Welche Gründe
vorgetragen worden sind, wird in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt.
Mit der Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten wird die Verletzung formellen und
materiellen Rechts gerügt und beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und
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die Sache zurückzuverweisen.
II.
Die gemäß §§ 79 Abs. 1 Nr. 1, 87 Abs. 5 u. 6 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet
hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken; insbesondere übersteigt
der Wert des Geldbetrages, dessen Verfall angeordnet worden ist, 500,-- DM, ist somit nach
§ 87 Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 OWiG anfechtbar. Sie hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg,
indem sie gemäß §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWiG) führt.
Die Verwerfung des Einspruchs der Verfallsbeteiligten nach § 74 Abs. 2 OWiG war schon
deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Amtsgericht die Verfallsbeteiligte bzw. deren
Vorstandsvorsitzenden als "Betroffene" i.S. des § 73 OWiG angesehen, ihn gem. § 73 Abs.
1 u. Abs. 2 OWiG als zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet gehalten und
die Verfallsbeteiligte aus diesem Grund zu Unrecht als säumig behandelt hat.
Demgegenüber handelt es sich bei der Verfallsanordnung nach § 29 a Abs. 4 OWiG um ein
selbständiges Verfahren (vgl. KK OWiG-Boujong, 2. Aufl., § 29 a Rn 49 u. 87 Rn 106),
durch das der Verfall gegen den Täter angeordnet wird, ohne dass gegen ihn ein
Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist bzw. nach Einstellung desselben. In diesem
Verfahren ist der Verfallsbeteiligte grundsätzlich nicht verpflichtet, am Verfahren persönlich
mitzuwirken; er kann sich in jeder Lage des Verfahrens - auch in der Hauptverhandlung -
zur Wahrnehmung seiner Interessen vertreten lassen ( § 434 Abs. 1 StPO, vgl. KK OWiG-
Boujong, a.a.O., § 87 Rn. 67; KK-Boujong, StPO, 4. Aufl., § 433 Rn 7 u. § 434 Rn 2).
Insbesondere braucht er - vorbehaltlich einer Anordnung nach § 433 Abs. 2 StPO i.V.m. §
46 OWiG - nicht an der Hauptverhandlung teilzunehmen (§ 436 Abs. 1 StPO; vgl. KK
OWiG-Boujong, a.a.O., § 87 Rn 52 u. Rn 67). Einer Entpflichtung der Verfallsbeteiligten
oder ihres gesetzlichen Vertreters nach § 73 Abs. 2 OWiG, wovon das Amtsgericht nach
seiner Urteilsbegründung rechtsfehlerhaft ausgegangen ist, bedurfte es daher nicht.
Deshalb durfte das Amtsgericht den Einspruch der Verfallsbeteiligten nicht nach § 74 Abs.
2 OWiG verwerfen, die Voraussetzungen einer Einspruchverwerfung nach dieser Vorschrift
lagen nicht vor.
Das Amtsgericht hätte lediglich die Möglichkeit gehabt, nach § 433 Abs. 2 StPO i. V.m. § 46
zur Aufklärung des Sachverhalts
Verfallsbeteiligten anzuordnen, wobei anerkannt ist, dass gem. § 444 Abs. 2 S. 1 StPO
i.V.m. § 46 OWiG das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters einer juristischen
Person angeordnet werden kann ( vgl. SenE v. 15.11.1996 -Ss 298/96- ; Göhler, OWiG, 12.
Aufl. § 88 Rn 9).
Eines näheren Eingehens auf die Frage, ob das Urteil nicht auch deshalb keinen Bestand
haben kann, weil seine Gründe unvollständig sind und daher eine Bestätigung
rechtsfehlerfreier Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG als Ergebnis der Überprüfung durch
das Rechtsbeschwerdegericht nicht ermöglichen, bedarf es nach alledem nicht mehr. Der
Senat sieht sich allerdings veranlasst, darauf hinzuweisen, dass ein Verwerfungsurteil
nach § 74 Abs. 2 OWiG grundsätzlich sämtliche Tatsachen, die als Entschuldigungsgründe
vorgetragen worden sind, sowie die Erwägungen des Gerichts enthalten muss, die es
veranlasst haben, das Ausbleiben des Betroffenen dennoch als nicht genügend
entschuldigt anzusehen (BayObLG NZV 1996, 377).