Urteil des OLG Köln vom 14.03.2005

OLG Köln: internationale zuständigkeit, erfüllungsort, gerichtliche zuständigkeit, vollstreckung, schwestergesellschaft, begriff, serie, dienstleistung, verordnung, sicherheit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 16 U 89/04
14.03.2005
Oberlandesgericht Köln
16. Zivilsenat
Urteil
16 U 89/04
Landgericht Köln, 90 O 64/03
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.10.2004 verkündete Urteil
der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 90 O 64/03 -
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheit in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages
leistet.
T a t b e s t a n d u n d E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
g e m ä ß 540 A b s. 1 Z P O
I.
Die Klägerin, eine italienische Aktiengesellschaft mit Sitz in Italien, lieferte auf Bestellung
der Beklagten, einer spanischen Gesellschaft mit Sitz in Spanien, 195 Prototypen eines
von ihr für das neue Modell des G F entwickelten und produzierten Fensterhebers an einen
Zulieferbetrieb der Beklagten in Köln. Mit der vorliegenden Klage nimmt sie die Beklagte
auf Zahlung der vereinbarten Preise in Anspruch. Wegen der Einzelheiten wird auf die
tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat seine internationale Zuständigkeit verneint und die Klage als
unzulässig abgewiesen. Es hat in der Begründung seiner Entscheidung, auf die wegen der
Einzelheiten verwiesen wird, ausgeführt, dass die Parteien durch Einbeziehung der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten eine den Anforderungen des Art. 23
EuGVVO genügende Gerichtsstandsvereinbarung getroffen hätten, nach der für
Streitigkeiten der Parteien die Gerichte in Valencia zuständig seien.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie ist der Auffassung, dass weder
nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck des Art. 23
EuGVVO den dort vorgeschriebenen Formerfordernissen genüge getan sei. Auch fehle es -
mangels wirksamer Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten -
an den materiellen Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung. Die internationale
Zuständigkeit des Landgerichts Köln ergebe sich aus Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO, da sämtliche
Lieferungen, wie vereinbart, nach Köln erfolgt seien.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurtei-
len, an sie 126.030,- EUR nebst 3,5 % Zinsen seit dem 27.02.2002 zu
zahlen;
hilfsweise, falls das Berufungsgericht eine weitere Verhandlung für
erforderlich erachte, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht Köln zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie widerspricht der rechtlichen Wertung der Klägerin und hält die angefochtene
Entscheidung für zutreffend.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Feststellung des Landgerichts, es sei international nicht zuständig, ist im Ergebnis
zutreffend (§ 513 ZPO). Auch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende
Tatsachen keine andere Entscheidung.
Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich die internationale Zuständigkeit
vorliegend nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVVO) richtet.
Nach diesen Vorschriften lässt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte
aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt herleiten.
Die deutsche internationale Zuständigkeit ergibt sich nicht aus Art. 5 Nr. 1 a,b EuGVVO.
Köln kann nicht als Erfüllungsort der Verpflichtung der Klägerin angesehen werden.
Aufgrund der autonomen Bestimmung des Erfüllungsortes in Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO ist
beim Verkauf von Waren und bei der Erbringung von Dienstleistungen der für die
internationale Gerichtszuständigkeit maßgebliche Erfüllungsort nicht mehr, wie zur Zeit der
Geltung des EuGVÜ, nach dem IPR des Gerichtsstaates zu bestimmen. Maßgebend ist
jetzt allein der Ort in einem Mitgliedsstaat, an dem die Waren vertragsgemäß geliefert
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worden sind oder hätten geliefert werden können, bzw. der Ort, an dem die
Dienstleistungen vertragsgemäß erbracht worden sind oder hätten erbracht werden
müssen. Abgestellt wird nunmehr ohne kollisionsrechtliche Verweisung einheitlich für
Leistung und Gegenleistung auf den Ort der Erbringung der vertragscharakteristischen
Leistung, jedenfalls dann, wenn der hiernach ermittelte Erfüllungsort innerhalb des
geografischen Anwendungsbereichs der EuGVVO liegt (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 2004,
208 ff.; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 5 Randziffer 88).
Vorliegend ist Inhalt der Verträge mit der Beklagten die Lieferung von Prototypen der von
der Klägerin für das neue Modell des G F entwickelten Fensterheber. Es handelt sich um
die Lieferung von vor der Serienproduktion gefertigter Probemodelle. Diese Verträge
enthalten sowohl Elemente eines Kaufvertrages - Pflicht zur Lieferung und Übereignung
der Waren - als auch Elemente eines Dienstleistungs- und Werkvertrages, soweit es um die
Entwicklung und Herstellung der Fensterheber geht. Auch der Begriff der Dienstleistung ist
gemeinschaftsrechtlich autonom zu bestimmen, um eine einheitliche Anwendung der
Verordnung zu gewährleisten (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.; Kropholler, Europäisches
Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 5 EuGVVO Randziffer 35). Dabei ist der Begriff der
Dienstleistung weit auszulegen. Im Kern geht es um Dienstverträge, die keine
Arbeitsverträge sind, um Werk- und Werklieferungsverträge und
Geschäftsbesorgungsverhältnisse, wobei gemeinsames Merkmal ist, dass eine
tätigkeitsbezogene Leistung erbracht wird (vgl. BGH NJW 1994, 262, 263). In diesem Sinne
waren auch die von der Klägerin mit der Beklagten geschlossenen Verträge auf die
Erbringung von Dienstleistungen gerichtet. Bei gemischten Verträgen kommt es für die
Einordnung als Dienstleistungs- oder Kaufvertrag darauf an, welche Leistung im
Vordergrund steht und deshalb als vertragscharakteristisch anzusehen ist (vgl. Geimer-
Schütze a.a.O. Randziffer 88; Kropholler a.a.O. Randziffer 33, 37). Nach Auffassung des
Senats überwiegen vorliegend die Dienstleistungen der Klägerin und geben dem
Vertragsverhältnis der Parteien das Gepräge, so dass sie als vertragscharakteristische
Leistungen den Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO bestimmen. Im Hinblick
darauf, dass vorliegend die von der Klägerin entwickelten Fensterheber noch nicht in Serie
produziert worden waren und Gegenstand der Verträge mit der Beklagten zunächst nur die
Lieferung von Probemodellen war, überwiegt die Entwicklung und Herstellung der
Produkte als Dienstleistungsanteil und lässt die Lieferung der Waren und die
Eigentumsverschaffung hieran in den Hintergrund treten. Die Lieferung der von der
Beklagten bestellten Prototypen erfolgte, damit diese einem Test unterzogen werden
konnten, dessen positiver Ausgang Grundlage dafür war, dass die Klägerin gemäß dem mit
der britischen Schwestergesellschaft der Beklagten abgeschlossenen Vorvertrag vom
21.11.2000 und der Absichtserklärung vom 12.12.2000 den Auftrag für die Entwicklung und
Lieferung der Fensterheber erhielt und diese in Serie produziert werden konnten. In diesem
"Endstadium der Entwicklungsphase" ist die Entwicklung und Herstellung der
Fensterheber als der wesentliche und deshalb vertragscharakteristische Teil der
Leistungen der Klägerin anzusehen. Der Lieferort Köln scheidet deshalb als Erfüllungsort
im Sinne von Art. 5 Ziffer 1 EuGVVO aus, weil in Köln keinerlei Dienstleistungen der
Klägerin erfolgt sind und allein die Anlieferung der bestellten Ware in Köln als
untergeordnete Leistung der Klägerin für die Bestimmung des Erfüllungsortes nicht
maßgeblich ist.
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln kann auch nicht aus einer
gegenüber der Regelung des Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO vorrangigen Vereinbarung der
Parteien über den Gerichtsstand und/oder den Erfüllungsort hergeleitet werden. Denn eine
solche Vereinbarung kommt nur im Hinblick auf die Regelung in Ziffer 15 der auf der
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Rückseite der jeweiligen Bestellungen der Beklagten abgedruckten Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in Betracht, nach der sowohl die Zuständigkeit der Gerichte von
Valencia vorgesehen als auch die Stadt Valencia als Erfüllungsort der Arbeiten,
Lieferungen und Zahlungen für beide Parteien bestimmt ist. Es kann deshalb dahinstehen,
ob die Parteien
- wie das Landgericht angenommen hat - eine den formellen und materiellen
Anforderungen des Art. 23 EuGVVO genügende Gerichtstandsvereinbarung unter
Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten getroffen haben
und/oder sie sich auf Valencia als Erfüllungsort geeinigt haben. Denn in keinem Fall war
Gegenstand einer Einigung der Parteien die Zuständigkeit der Gerichte in Köln oder Köln
als Erfüllungsort. Die Verpflichtungen zwischen den Parteien richten sich ausschließlich
nach den zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen, welche in den Bestellschreiben
vom 17.09.2001 und vom 24.09.2001 schriftlich fixiert sind. Welche Vereinbarungen die
Klägerin mit der britischen Schwestergesellschaft der Beklagten in den vorangehenden
Verhandlungen getroffen haben, ist unerheblich, da diese nicht Gegenstand der zwischen
den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits getroffenen Vereinbarungen geworden sind.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf die §§ 91,708 Nr. 10, 711 ZPO.
Berufungsstreitwert: 126.030,- EUR