Urteil des OLG Köln vom 07.05.1999

OLG Köln (stv, schuld, sache, einziehung, schwere, bemessung, linie, bewertung, 1995, täter)

Oberlandesgericht Köln, Ss 177/99 - 101 -
Datum:
07.05.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 177/99 - 101 -
Tenor:
Zum Schuldspruch sowie zur Anordnung der Einziehung wird die
Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet verworfen.
Im Strafausspruch wird das angefochtene Urteil mit den dazugehörigen
Feststellungen aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an
eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gummersbach
zurückverwiesen.
Gründe
1
I.
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Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Gummersbach hat den Angeklagten durch
Urteil vom 19. Januar 1999 wegen gemeinschaftlicher unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten
verurteilt, die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt und die Einziehung
der sichergestellten Betäubungsmittel angeordnet.
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Gegen diese Entscheidung hat der Angeklagte Revision eingelegt mit dem Antrag, das
Urteil in vollem Umfang aufzuheben. Er rügt die Verletzung formellen und sachlichen
Rechts.
4
II.
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Das Rechtsmittel begegnet hinsichtlich seiner Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen
Bedenken. In der Sache führt es lediglich zu einem Teilerfolg.
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1. Es erweist sich als offensichtlich unbegründet, soweit es den Schuldspruch sowie im
Rechtsfolgenausspruch die Anordnung der Einziehung betrifft (§ 349 Abs. 2 StPO).
Insoweit läßt die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung einen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen.
7
2.
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Hinsichtlich des Strafausspruchs hat die Revision hingegen (vorläufigen) Erfolg, indem
sie gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteil und zur
Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts führt.
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Dabei bedarf die Verfahrensrüge keiner Erörterung, da das Urteil einer materiell-
rechtlichen Überprüfung aufgrund der Sachrüge nicht standhält. Die Ausführungen des
Jugendschöffengerichts zur Strafzumessung lassen nämlich eine hinreichende
Auseinandersetzung mit den maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkten vermissen.
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Beherrschender Strafzweck des Jugendstrafrechts ist der Erziehungsgedanke. Bei der
Bemessung der Jugendstrafe darf daher nicht in erster Linie auf das Gewicht des
Tatunrechts abgestellt werden (BGH StV 1996, 269). Maßgebend sind vielmehr in erster
Linie erzieherische Gesichtspunkte, und zwar auch dann, wenn eine Jugendstrafe - wie
hier - wegen der Schwere der Schuld in Betracht kommt (BGHSt 15, 224 [226]; 16, 261
[263]; BGH NStZ 1982, 332 m. w. Nachw.; BGH NStZ-RR 1998, 285; BGH StV 1981, 26;
BGH JR 1982, 432 mit Anm. Brunner; BGH bei Böhm NStZ 1994, 529; BGH StV 1996,
268; BGH NStZ-RR 1996, 120; Senat StV 1991, 426 f.; vgl. a. Dölling NStZ 1998, 39).
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Das bedeutet zwar nicht, daß die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei
der Strafzumessung heranzuziehen wäre. Vielmehr sind daneben auch andere
Strafzwecke zu beachten (BGH NJW 1992, 380; BGH StV 1994, 598 (599) m. w.
Nachw.; BGH NStZ-RR 1996, 120). Der Vorrang des Erziehungsgedankens schließt
insbesondere nicht aus, der Schwere der Schuld eigenständige Bedeutung
beizumessen (BGH NStZ-RR 1998, 285). Erziehungsgedanke und Schuldausgleich
stehen freilch in der Regel miteinander in Einklang. Denn die charakterliche Haltung
und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, haben
nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld als
Gesichtspunkt bei der Zumessung einer Jugendstrafe Bedeutung (BGH NStZ-RR 1998,
285; BGH NStZ 1996, 496; BGH NStZ-RR 1996, 120). Darüber hinaus kann auch die
Bewertung des Tatunrechts, wie sie sich in der jeweiligen gesetzlichen Strafandrohung
widerspiegelt, nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Während aber bei einem voll
verantwortlichen erwachsenen Täter aus der Verwirklichung eines bestimmten
Tatbestandes ohne weiteres Rückschlüsse auf eine dem Tatunrecht entsprechende
Schwere der Schuld gezogen werden können, ist bei einem Jugendlichen unter
Berücksichtigung seines Entwicklungsstandes und seines gesamten
Persönlichkeitsbildes besonders sorgfältig zu prüfen, in welchem Ausmaß er sich
bereits frei und selbstverantwortlich gegen das Recht und für das Unrecht entschieden
hat (BGH StV 1994, 598 [599]). Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt daher
keine selbständige Bedeutung zu; er ist nur insoweit von Belang, als er Schlüsse auf die
innere Tatseite zuläßt (BGHSt 15, 224 [226]; 16, 261 [263]; BGH Beschl. v. 27. 11. 1995
- 1 StR 634/95; BGH bei Böhm NStZ 1995, 535, 536; BGH NStZ 1996, 496; BGH NStZ-
RR 1996, 120; Senat StV 1991, 426 f.; vgl. a. Dölling NStZ 1998, 39).
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Inwiefern dies im vorliegenden Fall möglich ist, hat das Amtsgericht nicht erwogen. Es
befaßt sich im Zusammenhang mit der Rechtsfolgenentscheidung nicht mit der
charakterlichen Haltung des Angeklagten, seinen Beweggründen, der Stärke seines
Tatwillens und den Zwecken, die er mit der Tat verfolgen wollte. Bei der Verhängung
und Bemessung der Jugendstrafe hat es von einer Würdigung der Persönlichkeit des
Angeklagten, insbesondere seines Entwicklungsstandes, abgesehen. Die
Strafzumessungserwägungen enthalten im wesentlichen Gesichtspunkte, die auch im
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Rahmen des § 46 StGB bei einem erwachsenen Täter anzuführen gewesen wären.
Abgesehen von dem pauschalen Hinweis, daß die Verhängung von Jugendstrafe "auch
aus erzieherischen Gründen erforderlich" sei, um dem Angeklagten deutlich zu machen,
daß er schweres Unrecht begangen und dafür einzustehen habe, findet der
Erziehungsgedanke keine Erörterung. Ausführungen dazu, welche Wirkungen von der
verhängten Strafe nach der Vorstellung des Jugendschöffengerichts auf den
Angeklagten ausgehen sollen, enthalten die Urteilsgründe dagegen nicht. Auch ihrem
Zusammenhang ist das nicht zu entnehmen. Sie lassen daher besorgen, daß für die
Verhängung der Jugendstrafe und deren Bemessung im wesentlichen der äußere
Unrechtsgehalt des Tatgeschehens maßgeblich geworden ist.