Urteil des OLG Köln vom 19.11.1996

OLG Köln (gutachten, stillen, bewertung, gruppe, bezug, gegenstand, geld, leser, report, erweiterung)

Oberlandesgericht Köln, 15 U 139/96
Datum:
19.11.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 U 139/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 0 195/96
Tenor:
Die Berufung der Verfügungsklägerinnen gegen das am 3. Juli 1996
verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 0
195/96 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens
tragen die Verfügungsklägerinnen. Das Urteil ist rechtskräftig.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die Berufung der Verfügungsklägerinnen ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.
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1.
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Mit dem vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nehmen die
Verfügungsklägerinnen die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung folgender
Äußerungen in Anspruch, die Gegenstand des "gerlach-report" Nr. 15/96 vom 12. April
1996 sind:
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1. selbst die Gutachter der BDO hätten eine
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ganze Reihe von Anzeichen dafür entdeckt, daß das Unternehmenskonzept der G.
Gruppe nicht aufgehe
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1. in bezug auf die Einzahlungen in einem Betei-
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ligungsplan der G. Gruppe in Form einer aty-pischen stillen Beteiligung:
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"Mißverständnis Nr. 1: das eingezahlte Geld sei investiert worden! Das Geld ist
natürlich nicht mehr vorhanden. Es wurde ausgegeben für 'Aufwendungen für die
Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs', wie es der
Wirtschaftsprüfer BDO so schön ausdrückt."
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1. in bezug auf die Auszahlungen unter einem Be-
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teiligungssparplan der G. Gruppe in Form ei-ner atypischen stillen Beteiligung:
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"Mißverständnis Nr. 2: die Auszahlungen stammten aus erwirtschafteten Erträgen!
Auch das ist falsch, wie uns die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO lehrt. Es
handelt sich dabei vielmehr um Kapitalrückzahlungen an die stillen Gesellschafter.
Diese bekommen also ihr eigenes Geld wieder ausgezahlt, ohne daß in der
Zwischenzeit ein Unternehmenserfolg erwirtschaftet sein muß."
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Das Landgericht hat dem Verfügungsantrag zu a) durch das angefochtene Urteil vom
3. Juli 1996 (Bl. 74 ff. d. A.), auf das wegen aller weiteren Einzelheiten verwiesen wird,
entsprochen, im übrigen aber den Antrag auf Erlaß der begehrten einstweiligen
Verfügung zurückgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgen die Verfügungsklägerinnen
den zurückgewiesenen Verfügungsantrag weiter (Bl. 107 d. A.).
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2.
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Die Berufung der Verfügungsklägerinnen ist nicht begründet, weil es sich bei den
inkriminierten Äußerungen, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens sind,
nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen handelt.
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Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat in vollem Umfang
beitritt, einen Unterlassungsanspruch verneint; die Berufung der
Verfügungsklägerinnen gibt nur zu folgenden ergänzenden Bemerkungen Anlaß:
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Der gerlach-report 15/96 vom 12. April 1996 beschäftigt sich mit verschiedenen
Themen, wobei das Thema "Beteiligungssparen" im Vordergrund steht. In diesem
Zusammenhang wird in bezug auf die Verfügungsklägerinnen aus dem Gutachten
zitiert, jedoch nicht, um ausschließlich die Situation bei den Verfügungsklägerinnen
darzustellen, sondern die Verfügungsbeklagten nehmen vor allem das Gutachten der
BDO zum Anlaß, um ganz allgemein auf die Gefahren
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sog. atypischer stiller Beteiligungen hinzuweisen ("Ist die finanzielle Zukunft
hunderttausender deutscher Familien gefährdet?"). Das Gutachten der BDO dient
daher den Verfügungsbeklagten, um aus ihrer Sicht eine aktuelle Bewertung der
atypischen stillen Beteiligungen - ganz allgemein - vorzunehmen, so wie sie sich aus
ihrem Blickwinkel aus dem Gutachten erschließt. Dem Leser wird damit aber eine
Bewertung (Einschätzung) angeboten und ihm ist überlassen, ob er sich den
Schlußfolgerungen der Verfügungsbeklagten anschließen will oder nicht. Die
inkriminierten Äußerungen haben daher vom Ansatz her nicht die Qualität einer
eigenständigen Tatsachenbehauptung, sondern den Äußerungen ist, soweit sie noch
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, gemeinsam, daß sie auf eine
branchenmäßige Kritik abzielen
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("Fazit: Unser Rat kann nur lauten: Sofort, auch unter Inkaufnahme des Verlustes
der Einzahlung - s. a. Seite IV - aus den atypisch stillen Beteiligungen - egal bei
welcher Gesellschaft abgeschlossen - aussteigen. Das Risiko, einen Nachschuß
leisten zu müssen, wäre so groß, daß es die imaginären Gewinnchancen, die nach
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unserer Ansicht ohnehin nie gegeben waren, niemals aufwiegt" und: "Wir haben
einfach die plakativsten Aussagen aus dem BDO-Gutachten herausgepflückt. Wir
finden, daß es für die Branche wichtig ist, zu wissen, was in diesem Teil des
Marktes geschieht. Viele Ihrer Kunden haben derartige Beteiligungsverträge
abgeschlossen und erwarten Ihre Stellungnahme"),
in die die Verfügungsklägerinnen zwar eingebunden sind, die sie aber als kritischen
Beitrag (auch) über ihre
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unternehmerische Tätigkeit hinnehmen müssen. Daß diese Art Branchenkritik von den
Verfügungsbeklagten in eine kritische Bewertung des BDO-Gutachtens eingebunden
ist, wird an mehreren Stellen des inkriminierten Beitrags deutlich und soll - für den
Leser erkennbar - die kri-tische Einschätzung der atypisch stillen Beteiligungen -
gleich welcher Art - durch die Verfügungsbeklagten untermauern. Die
Verfügungsbeklagten versuchen darzu-tun, daß aufgrund des BDO-Gutachtens den
atypisch stil-len Beteiligungen ein hohes Risiko innewohnt, weil - so die
Verfügungsbeklagten - nach dem Gutachten nicht die Gefahr ausgeschlossen werden
könne, daß im Falle eines Ausscheidens oder bei Liquidation der L. AG als Ge-
schäftsinhaberin eine beschränkte Nachschußpflicht für den Zeichner bestehe. Jede
Mark, die in den Sparplan eingezahlt werde, erhöhe das "Rückzahlungsrisiko".
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Die inkriminierten Äußerungen, die Gegenstand des Berufungsverfahrens sind,
bleiben - anknüpfend an einem Beispiel, das unstreitig nicht dem BDO-Gutachten
entnommen ist - deshalb auch eine "Interpretation" des BDO-Gutachtens und betreffen
nach dem Kontext des Beitrages ganz allgemein die Angebote der
"Beteiligungsfondanbieter".
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Die inkriminierte Aussage
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"Mißverständnis Nr. 1: das eingezahlte Geld sei investiert worden! Das Geld ist
natürlich nicht mehr vorhanden. Es wurde ausgegeben
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für 'Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs',
wie es der Wirtschaftsprüfer BDO so schön ausdrückt",
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die eine kritische Bewertung beinhaltet, kann deshalb auch nicht, worauf die
Darlegungen der Verfügungsklä-gerinnen hinauslaufen, durch eine andere Bewertung
ersetzt werden, weil es gar nicht um konkrete Daten geht, die die
Verfügungsklägerinnen demgegenüber ein-bringen wollen. Es geht nicht um konkrete
"Eckdaten", sondern um die Bewertung einer Marktsituation. Es kann daher mit den
Verfügungsklägerinnen unterstellt werden, daß die Aussagen in bezug auf die
Anlagen bei der G. Gruppe "günstiger" oder "anders" sind; dies rechtfertigt jedoch
keineswegs den von den Verfügungs-klägerinnen gezogenen Schluß, dem
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unbefangenen Leser des gerlach-reports 15/96 würden hier über die Anlagen der G.
Gruppe "falsche Tatsachen" vorgespiegelt (Beru-fungsbegründung Seite 3). Wenn die
Verfügungsbeklagten, wie die Verfügungsklägerinnen vortragen, "durch Verall-
gemeinerungen ... neue Aussagen getroffen (haben), die sachlich falsch sind" (Bl. 109
d. A.), so ist es äuße-rungsrechtlich unzulässig, diese ausschließlich auf die
Verfügungsklägerinnen zu beziehen. Der Kontext der in-kriminierten Aussage belegt
vielmehr, daß die - für den unbefangenen Leser erkennbare - Bewertung generell auf
alle Beteiligungssparpläne bezogen werden soll, unab-hängig davon, wie lange diese
bereits "laufen".
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Daß mit dem streitgegenständlichen gerlach-report 15/96 in bezug auf die
Verfügungsklägerinnen "die Wiederholung des Vorwurfes, daß ein modifiziertes
Schneeballsystem betrieben werde" (Berufungsbegründung Seite 6 = Bl. 112 d. A.), ist
unzutreffend und rechtfertigt nicht den Verfügungsantrag zu c). Darüber hinaus gilt
auch insoweit: Ob die Rückführung eingezahlten Kapitals letztlich als
"Schneeballsystem" zu bezeichnen ist, hängt äußerungsrechtlich wesentlich vom
Kontext ab, in den die Aussage gestellt ist. Für die inkriminierte Aussage, soweit sie
Gegenstand des Unterlassungsantrags ist, wird dies so expressis verbis nicht gesagt,
sondern ist eine Schlußfolgerung, die auf Seite III des gerlach-reports wie folgt belegt
werden soll:
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"'Der Zuschuß der Kapitaleinzahllungen von Aktionären und stillen Gesellschaftern
hat sich bis Ende 1992 im Vergleich zu den Vor-gaben (1989-91) zwar um 53,2 Mio.
DM erhöht, er reichte jedoch nicht aus, um den erhöh-ten Mittelbedarf im
Vertriebskostenbereich zu decken.' (Eine schönere Beschreibung eines
Schneeballsystems haben wir noch nirgends ge-lesen!)"
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3.
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Die Berufung der Verfügungsklägerinnen war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO
zurückzuweisen.
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Streitwert für die Berufungsinstanz: 500.000,-- DM.
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