Urteil des OLG Köln vom 26.11.1999

OLG Köln: zulässigkeit der auslieferung, rechtshilfe in strafsachen, auslieferungsersuchen, akzessorische auslieferung, strafbarkeit, republik, verjährungsfrist, haftbefehl, staat, hehlerei

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Normen:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Köln, Ausl 320/99 - 21 -
26.11.1999
Oberlandesgericht Köln
2. Strafsenat
Beschluss
Ausl 320/99 - 21 -
Auslieferung; Haftbefehl
EuAIÜbk Art. 12; IRG § 10
Dem Art. 12 Abs. 2 a) EuAIÜbk kann als Mindesterfordernis lediglich
entnommen werden, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über ein
Auslieferungsgesuch wenigstens eine Hafturkunde des ersuchenden
Staates bezüglich einer auslieferungsfähigen Tat vorliegen muss.
Hinsichtlich weiterer Taten genügt - wie auch im nichtvertraglichen
Auslieferungsverkehr nach § 10 Abs. 1 Satz 2 IRG - die Vorlage einer
Urkunde einer zuständigen Stelle des ersuchenden Staates, aus der sich
die dem Verfolgten zur Last gelegte Tat ergibt.
Zum Verhältnis von Art. 12 Abs. 2 a) EuAIÜbk zu § 10 Abs. 1 Satz 2 IRG
folgt der Senat der schon in OLG Karlsruhe Justiz 84, 347 (348)
vertretenen Ansicht, dass der ersuchte Staat grundsätzlich nicht gehindert
ist, sein innerstaatliches Auslieferungsrecht dort anzuwenden, wo es
zugunsten ausländischer Verfahren über das EuAIÜbk hinausgeht.
Die Auslieferung des polnischen Staatsangehörigen J. M. aus der
Bundesrepublik Deutschland in die Republik Polen zur Verfolgung der in
dem Auslieferungsersuchen des Justizministers der Republik Polen vom
29. Juni 1999 (PR II Oz 1078/99/E) und gleichlautend in dem Beschluss
über eine Ergänzung und Änderung des Beschlusses über die
Beschuldigung der Bezirksstaatsanwaltschaft in Nowy Sacz vom 8. Juni
1998 (VDs 37/98/S) zur Last gelegten Straftaten ist zu Nummern V, VI,
VII, VIII und IX der dort aufgeführten Taten zulässig.
Hinsichtlich der dort zu Nummern I, II, III und IV aufgeführten Taten ist die
Auslieferung nicht zulässig.
G r ü n d e
I.
Der Verfolgte ist polnischer Staatsangehöriger. Er befindet sich derzeit in Strafhaft in der
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JVA Rheinbach zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
aus einem Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. September 1998.
Das Justizministerium der Republik Polen hat mit einem an das Bundesministerium der
Justiz gerichteten Schreiben vom 29. Juni 1999 um die Auslieferung des Verfolgten in die
Republik Polen ersucht. Soweit in diesem Schreiben zugleich um die vorübergehende
Inhaftierung des Verfolgten ersucht worden ist, hat der Senat mit Beschluss vom 6. August
1999 die Auslieferungshaft angeordnet; es ist insoweit Überhaft notiert.
Das Auslieferungsersuchen betrifft ein nunmehr zusammenfassend von der
Bezirksstaatsanwaltschaft in Nowy Sacz geführtes Strafverfahren gegen den Verfolgten,
das neun verschiedene Tatkomplexe zum Gegenstand hat. Wegen der von den polnischen
Behörden dem Verfolgten zur Last gelegten Straftaten und der sie betreffenden
Strafvorschriften wird auf den Inhalt des Auslieferungsersuchens, wiedergegeben auch auf
Seite 3 bis 10 des Senatsbeschlusses vom 6. August 1999, Bezug genommen.
Dem Auslieferungsersuchen waren ein "Beschluss über eine Ergänzung und Änderung
des Beschlusses über die Beschuldigung" (Postanowienie o uzupelnieniu i o zmianie
postanowienia o przedstawieniu zarzutów) vom 8. Juni 1999, vorangegangene
Beschuldigungsbeschlüsse verschiedener Staatsanwaltschaften zu den einzelnen Taten
mit jeweiliger Sachverhaltsdarstellung und vier Haftanordnungen (nämlich zu den Fällen
IV, VI, VII und VIII) sowie die Texte der nach polnischem Recht in Frage kommenden
Strafvorschriften des Strafgesetzbuches sowohl von 1969 als auch des Strafgesetzbuches
von 1997 beigefügt.
Nach Eingang einer ergänzenden Auskunft des Justizministeriums der Republik Polen vom
10. September 1999 (die dem Beistand unter dem 28. Oktober 1999 mitgeteilt worden ist)
hat die Generalstaatsanwaltschaft nunmehr beantragt, die Auslieferung des Verfolgten zur
Strafverfolgung hinsichtlich der Vorwürfe zu III, V, VI, VII, VIII und IX des
Auslieferungsersuchens für zulässig zu erklären und die Auslieferung hinsichtlich der
Vorwürfe zu I, II und IV für unzulässig zu erklären.
II.
Die Auslieferung des Verfolgten ist in dem aus dem Tenor dieses Beschlusses
ersichtlichen Umfang nur teilweise zulässig, nämlich nur hinsichtlich der in dem
Auslieferungsersuchen vom 29. Juni 1999 zu V, VI, VII, VIII und IX aufgeführten Straftaten.
1.
Wie bereits in dem Beschluss vom 6. August 1999 ausgeführt, sind die Taten zu V
(Urkundenfälschung und Betrug, begangen mittels 22 verfälschten Schecks vom 30. Mai
1994 bis zum 4. Juni 1994 in Poznan) gemäß Art. 270 Paragraph 1 und Art. 286 Paragraph
1 des polnischen Strafgesetzbuches von 1997 bzw. gemäß Art. 265 Paragraph 1 und Art.
205 Paragraph 1 des zur Tatzeit geltenden polnischen Strafgesetzbuches von 1969
strafbar. Dem entspricht eine Strafbarkeit nach deutschem Recht gemäß §§ 267, 263 StGB.
Die Tat zu VI (veruntreuende Unterschlagung an einem Pkw Mercedes 190 und an einer
Fotokamera Marke Nikon, begangen am 15. Oktober 1994 in Deutschland) ist gemäß Art.
284 Paragraph 2 des polnischen Strafgesetzbuches von 1997 bzw. Art. 204 Paragraph 2
des polnischen Strafgesetzbuches von 1969 strafbar. Dem entspricht eine Strafbarkeit nach
deutschem Recht gemäß § 246 Abs. 2 StGB.
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Die Taten zu VII (Fälle der Beihilfe zur Verfälschung von Pässen mit Touristenvisa,
begangen von März bis Anfang Mai 1995 in Poznan, Warschau und an anderen Orten in
Polen) sind gemäß Art. 18 Paragraph 2 i.V.m. Art. 270 Paragraph 1 des polnischen
Strafgesetzbuches von 1997 bzw. Art. 18 Paragraph 2 i.V.m. Art. 265 Paragraph 1 des
polnischen Strafgesetzbuches von 1969 strafbar. Dem entspricht eine Strafbarkeit nach
deutschem Recht gemäß §§ 267, 27 StGB.
Die Tat zu VIII (Beteiligung an der Hehlerei eines Pkw Mercedes Benz 500 SL Cabrio,
begangen im April l995 in Poznan und Zywiec) ist gemäß Art. 291 Paragraph 1 des
polnischen Strafgesetzbuches von 1997 bzw. Art. 215 Paragraph 1 des polnischen
Strafgesetzbuches von 1969 strafbar. Dem entspricht eine Strafbarkeit nach deutschem
Recht gemäß § 259 StGB.
Die Tat zu IX (veruntreuende Unterschlagung eines Mobiltelefons Marke Nokia und eines
CD-Players Marke Panasonic aus einem Pkw BMW 735 i heraus, begangen im Mai 1995
in Warschau) ist gemäß Art. 284 Paragraph 2 des polnischen Strafgesetzbuches von 1997
bzw. Art. 204 Paragraph 2 des polnischen Strafgesetzbuches von 1969 strafbar. Dem
entspricht eine Strafbarkeit nach deutschem Recht gemäß § 246 Abs. 2 StGB.
Es handelt sich somit um Taten, die nach polnischem und deutschem Recht strafbar sind.
Die Auslieferungsfähigkeit ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk. Gründe, die eine
Zulässigkeit der Auslieferung nach Art. 3 bis 10 EuAlÜbk entgegenstehen könnten, liegen
nicht vor.
2.
Verfolgungsverjährung ist wegen der Taten zu V bis IX bislang nicht eingetreten. Die
Tatzeiten sind wie folgt angegeben: 30. Mai 1994 bis 4. Juni 1994 (Fall V), 15. Oktober
1994 (Fall VI), März bis Mai 1995 (Fall VII), April 1995 (Fall VIII) und Mai 1995 (Fall IX).
Nach polnischem Recht verlängert sich, wie mit Schreiben des Justizministeriums der
Republik Polen vom 10. September 1999 erläuternd mitgeteilt worden ist, die
Verjährungsfrist von fünf Jahren gemäß Art. 101 Paragraph 1 Nr. 3 des Strafgesetzbuches
von 1997 bzw. von zehn Jahren gemäß Art. 105 Paragraph 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches
von 1969 um weitere fünf Jahre infolge der Einleitung eines Strafverfahrens (Art. 102 des
Strafgesetzbuches von 1997 bzw. Art. 106 des Strafgesetzbuches von 1969). Danach
stehen nach dem Recht des ersuchenden Staates Verjährungsvorschriften der Zulässigkeit
der Auslieferung nicht entgegen. Aber auch nach dem gemäß Art. 10 EuAlÜbk gleichfalls
maßgeblichen Recht des ersuchten Staates ist es jedenfalls derzeit noch zu keiner
Verfolgungsverjährung gekommen; dies gilt auch für die schon im Jahr 1994 begangenen
Taten. Auch soweit nämlich insoweit nur eine fünfjährige Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3
Nr. 4 StGB in Frage kommt, stellten die in Polen erlassenen Beschuldigungsbeschlüsse
(zu Fall V vom 8. Februar 1995, zu Fall VI vom 15. Juli 1995, zu Fall VII vom 23. Mai 1995,
zu Fall VIII vom 27. Oktober 1995 und zu Fall IX vom 15. April 1997) Maßnahmen dar, die
ihrer Art nach geeignet wären, die Verjährung nach deutschen Rechtsvorschriften zu
unterbrechen (vgl. hierzu BGHZ 33, 26 = NJW 85, 570), nämlich jedenfalls nach § 78 c Abs.
1 Nr. 1 StGB. Darüberhinaus hätten auch die in den Fällen VI, VII und VIII erlassenen
Haftbefehle vom 15. April 1996, 23. Mai 1995 und 28. Juni 1996
verjährungsunterbrechende Wirkung nach deutschem Recht gemäß § 78 c Abs. 1 Nr. 5
StGB gehabt. Die frühestmögliche Verjährung dürfte somit - unter dem Vorbehalt, dass
nicht weitere verjährungsunterbrechende Handlungen in Polen folgen werden - selbst zu
Fall V erst mit Ablauf des 8. Februar 2000 und zu Fall VII mit Ablauf des 23. Mai 2000
eintreten.
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3.
Der Zulässigkeit der Auslieferung wegen der vorgenannten Taten steht auch nicht
entgegen, dass dem Auslieferungsersuchen nicht in allen Fällen (nämlich nicht zu den
Taten zu V und IX) einen Haftbefehl im Sinne des Art. 12 Abs. 2 a) EuAlÜbk beigefügt
worden ist und dass die polnischen Behörden mit Mitteilung vom 10. September 1999 auch
den Erlass weiterer Haftanordnungen als nicht notwendig erachtet haben. Die in dem
Senatsbeschluss vom 6. August 1999 noch offengelassene Frage, ob im
Anwendungsbereich des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember
1957 für jede der Taten, deretwegen die Auslieferung begehrt wird, die Existenz und die
Vorlage eines Haftbefehls erforderlich ist, ist zu verneinen. Es genügt hinsichtlich weiterer
Taten - wie auch im nichtvertraglichen Auslieferungsverkehr nach § 10 Abs. 1 Satz 2 IRG -
die Vorlage einer Urkunde einer zuständigen Stelle des ersuchenden Staates, aus der sich
die dem Verfolgten zur Last gelegte Tat ergibt.
Zum Verhältnis von Art. 12 Abs. 2 a) EuAlÜbk zu § 10 Abs. 1 Satz 2 IRG folgt der Senat der
schon in OLG Karlsruhe Justiz 84, 347 (348) vertretenen Ansicht, dass der ersuchte Staat
grundsätzlich nicht gehindert ist, sein innerstaatliches Auslieferungsrecht dort anzuwenden,
wo es zugunsten ausländischer Verfahren über das EuAlÜbk hinausgeht. Demgemäß
genügt hinsichtlich der übrigen Taten eine Sachverhaltsdarstellung in einer Urkunde einer
zuständigen Stelle des ersuchenden Staates, wenn sich das Auslieferungsersuchen auf
mehrere Taten bezieht, von denen nur eine im Haftbefehl erwähnt wird (von Bubnoff,
Auslieferung, 1989, S. 38). Dem Art. 12 Abs. 2 a) EuAlÜbk kann somit als
Mindesterfordernis lediglich entnommen werden, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung
über ein Auslieferungsgesuch wenigstens eine Hafturkunde des ersuchenden Staates
bezüglich einer auslieferungsfähigen Tat vorliegen muss. Das ist vorliegend wegen der
Haftanordnung bezüglich der Taten zu VI, VII und VIII der Fall.
Ein zusätzliches Argument dafür, dass für weitere Taten die Vorlage einer Hafturkunde
nicht zwingend erforderlich ist, ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 EuAlÜbk und aus Art. 1 des
Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen, dem auch
Polen beigetreten ist. Danach wäre bei einer Mehrheit von Handlungen eine akzessorische
Auslieferung selbst wegen solcher Taten zulässig, die nur mit geringfügigen
Freiheitsstrafen oder sogar nur mit Geldsanktionen bedroht sind - also wegen Taten,
deretwegen der Erlass eines Haftbefehls in der Regel ohnehin nicht in Betracht kommt.
Ist somit wegen weiterer Taten eine sonstige Urkunde einer zuständigen Stelle des
ersuchenden Staates ausreichend, die den dem Verfolgten zur Last gelegten Vorwurf
bezeichnet, so ist dem vorliegend zu den Fällen V und IX - zu denen Haftanordnungen
nicht bestehen - mit der Vorlage der Beschuldigungsbeschlüsse der
Kreisstaatsanwaltschaft Poznan Nowa Miasto vom 8. Februar 1995 (1 Ds 5689/94/9) und
der Kreisstaatsanwaltschaft Warschau vom 9. April 1997 (259/97) Genüge getan. Diese
Urkunden umschreiben inhaltlich in einer ansonsten auch einem Haftbefehl
entsprechenden Weise den jeweiligen Tatvorwurf.
III.
Die Auslieferung ist nicht zulässig wegen der in dem Auslieferungsersuchen vom 29. Juni
1999 zu I, II, III und IV aufgeführten Straftaten (dazu, welche Tatvorwürfe hiervon betroffen
sind, wird wiederum auf S. 6 bis 8 des Senatsbeschlusses vom 6. August 1999 Bezug
genommen).
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Wegen der Taten zu IV (Hehlerei an drei Fahrzeugen VW Transporter bzw. Caravelle)
ergibt sich die Unzulässigkeit der Auslieferung aus Art. 9 Satz 1 EuAlÜbk. Die hierzu in
dem Auslieferungsersuchen benannten Taten sind Gegenstand der rechtskräftigen
Verurteilung des Verfolgten durch die 22. große Strafkammer des Landgerichts Berlin (522-
67 Js 51/98 KLs - 16/98) vom 25. September 1998. Der Verfolgte ist dort wegen
gewerbsmäßiger Bandenhehlerei, betreffend insgesamt fünf Fahrzeuge (darunter die drei
in dem Auslieferungsersuchen genannten), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
und sechs Monaten verurteilt worden, die er derzeit verbüßt.
Wegen der Taten zu I, II und - insoweit entgegen dem Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft - auch zu III kann die Auslieferung nicht bewilligt werden, weil
(zwar nicht nach polnischem Recht, wohl aber) nach den Rechtsvorschriften des ersuchten
Staates die Strafverfolgung verjährt ist (wäre):
In den Fällen I und II geht es um in Polen verübte Urkundenfälschungen an
Führerscheinen, die nach deutschem Recht gemäß § 267 Abs. 1 StGB strafbar wären.
Daraus folgt eine Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB von fünf Jahren. Tatzeiten
waren März 1992 und September 1992. Auch wenn man (vgl. BGH St 33, 26; Schomburg in
Schomburg-Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., Art. 10 EuAlÜbk
Rdnr. 6 i.V.m. Art. 9 Rdnr. 2) verjährungsunterbrechende Handlungen in Polen nach
deutschem Recht mitberücksichtigt, kommen hierfür nach dem von den polnischen
Behörden mitgeteilten Sachverhalt nur die beiden Beschuldigungsbeschlüsse vom 10.
März 1994 in Frage (§ 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB). Demnach wäre nach deutschem Recht
Verjährung mit Ablauf des 10. März 1999 (und somit auch vor dem nunmehrigen,
verschiedene polnische Strafvorschriften zusammenfassenden Beschluss der
Bezirksstaatsanwaltschaft Nowy Sacz vom 8. Juni 1999 "über eine Ergänzung und
Änderung des Beschlusses über die Beschuldigung" - so dass dessen Rechtsnatur in
Bezug auf die Frage der Verjährung nicht untersucht werden muss -) eingetreten.
Ebenso verhält es sich mit der Tat zu III. Hier wird dem Verfolgten eine in der ersten Hälfte
des Jahres 1993 entweder in Deutschland oder in Polen begangene Hehlerei an einem
Pkw Jaguar zur Last gelegt. Auch hier beträgt die Verjährungsfrist nach deutschem Recht
fünf Jahre, weil in den Auslieferungsunterlagen nach polnischem Recht nur die
Strafvorschrift des Art. 291 Paragraph 1 des Strafgesetzbuches von 1997 bzw. des Art. 215
Paragraph 1 (nicht also des Paragraph 2 = gewerbsmäßige Hehlerei) des
Strafgesetzbuches von 1969 angeführt ist, was mit einer Strafbarkeit nach deutschem
Recht nur gemäß § 259 StGB und nicht gemäß § 260 StGB korrespondiert. Für eine
Strafbarkeit wegen gewerbsmäßiger oder wegen Bandenhehlerei ergeben sich in diesem
Fall nach dem mitgeteilten Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Demgemäß begann die
Verjährungsfrist von fünf Jahren - entsprechend deutschem Recht - erneut mit dem
Beschuldigungsbeschluss vom 12. April 1994 zu laufen; sie endete somit am 12. April
1999.
Bei der Auslegung des Art. 10 EuAlÜbk ist zwar streitig, ob das Recht des ersuchten
Staates auch dann maßgebend ist, wenn die verfolgte Tat nur nach dem Recht des
ersuchenden (wie vorliegend jedenfalls in den Fällen I und II) und nicht auch in
konkurrierender Gerichtsbarkeit nach dem Recht des ersuchten Staates strafbar ist. Für die
engere, den Anwendungsbereich des Art. 10 EuAlÜbk einschränkende und damit
auslieferungsfreundlichere Lösung haben sich etwa der Generalbundesanwalt in seiner
Antragsschrift zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs 4 ARs 7/87 (BGHSt 35, 67, 70
ff = NStZ 88, 277, 278) und Bürgen M. in seiner ablehnenden Anmerkung zu dieser
Entscheidung (NStZ 88, 279) ausgesprochen. Mögen auch der Wortlaut des Art. 10
EuAlÜbk ("... des ersuchten Staates ... strafbar ist") und ein Vergleich mit §§ 9 Nr. 2 IRG für
diese Ansicht sprechen, so ist der Senat doch an die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs gebunden. Dieser hat in dem genannten Beschluss vom 30.
September 1987 (BGH St 35, 67, 69 = NStZ 88, 277, 278) ausdrücklich entschieden, dass
Art. 10 EuAlÜbk grundsätzlich der Auslieferung auch dann entgegensteht, wenn die
Strafvollstreckung zwar im ersuchten Staat, nicht dagegen im ersuchenden Staat verjährt
ist, und zwar auch dann, wenn dieser keinen eigenen Strafanspruch bezüglich der dem
Verfolgten zur Last gelegten Tat hat (ähnlich wohl auch schon BGH St 33, 26, 28: "...
unabhängig davon, ob die konkurrierende Gerichtsbarkeit gegeben ist oder nicht" und von
Bubnoff, Auslieferung, S. 78); die entgegenstehende Ansicht des Generalbundesanwalts,
der Standard des Art. 10 EuAlÜbk, wonach eine Auslieferung bei Eintritt der Verjährung
schon in einem der beteiligten Staaten abgelehnt werden muss, sei überholt, hat der
Bundesgerichtshof abgelehnt. Für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof zum Zwecke der
Herbeiführung einer abweichenden Entscheidung (§ 42 Abs. 1 IRG) gibt der hier zu
entscheidende Fall keinen Anlass.