Urteil des OLG Köln vom 17.03.2004

OLG Köln (ordre public, bundesrepublik deutschland, vollstreckbarerklärung, unerlaubte handlung, sachliche zuständigkeit, beschwerde, höhe, schlosser, vollstreckung, zwangsgeld)

Oberlandesgericht Köln, 16 W 2/04
Datum:
17.03.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 W 2/04
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 1 O 488/03
Tenor:
Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des
Landgerichts Bonn vom 03.12.2003 - 1 O 488/03 - teilweise
dahingehend abgeändert, dass die Vollstreckbarerklärung der der
Schuldnerin durch Urteil des Arrondissementgerichts Den Haag vom
22.10.2003 -Geschäftsnummer 02/3065 - auferlegten Verpflichtung, an
die Antragstellerin für jede Zuwiderhandlung gegen eines der in dem
Urteil genannten Verbote ein nach Zustellung dieses Urteils fälliges
Ordnungsgeld in Höhe von EUR 100.000, -- zu zahlen, aufgehoben wird.
Insoweit wird der Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Gläubigerin zu 25 % und der
Schuldnerin zu 75 % auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 100.000, -- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Antragstellerin ist Inhaberin der europäischen Patente ###1, ###2, ###3 und ###4.
In einem vor dem Arrondissementsgericht Den Haag geführten Rechtsstreit begehrten
verschiedene Unternehmen, darunter die Antragsgegnerin, die Feststellung, dass ihre
Produkte die nationalen Teile des Europäischen Patents ###1 nicht verletzen sowie die
Nichtigerklärung der niederländischen Teile der europäischen Patente ###1, ###2,
###3 und ###4. Auf die im Rahmen dieses Verfahrens von der Antragstellerin erhobene
Widerklage wurde der Antragsgegnerin mit Urteil des Arrondissementsgerichts Den
Haag vom 22.10.2003 verboten, in irgendeinem der von ###1 bezeichneten Länder,
###1 mittelbar zu verletzen bzw. - in Ländern, in denen eine mittelbare Verletzung als
3
unerlaubte Handlung gewertet wird - unerlaubte Handlungen zu begehen, insbesondere
indem sie - bestimmt bezeichnete - Produkte der Serien F1 und F2 anbietet oder liefert,
sowie in irgendeinem der von ###2 und ###3 bezeichneten Länder, ###2 und ###3 zu
verletzen, insbesondere indem sie - bestimmt bezeichnete - Produkte der Serien F1 und
F2 herstellt, verkauft oder liefert. Zugleich wurde ihr auferlegt, an die Antragstellerin für
jede Zuwiderhandlung gegen eines dieser Verbote ein nach Zustellung des Urteils
fälliges Ordnungsgeld ("dwangsom") in Höhe von 100.000, -- EUR zu zahlen. Durch den
angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Bonn - der Vorsitzende - auf Antrag der
Antragstellerin angeordnet, dass das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich der
Unterlassungsgebote sowie der Zwangsgeldfestsetzung mit der Vollstreckungsklausel
zu versehen ist.
Gegen den ihr am 08.12.2003 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit
einem per Telefax am 07.01.2004 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer
Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag Beschwerde eingelegt. Das Landgericht
hat die Akte auf die Beschwerde unverzüglich dem Oberlandesgericht vorgelegt, wo sie
am 12.01.2004 eingegangen ist.
4
Die Antragsgegnerin begehrt mit der Beschwerde die Aufhebung der
Vollstreckbarerklärung und macht geltend: Das Landgericht Bonn sei für die
Vollstreckbarerklärung des Urteils des Arrondissementsgerichts Den Haag vom
22.10.2003 sachlich nicht zuständig gewesen. Da im Beschwerdeverfahren zu
überprüfen sei, ob das Urteil des Arrondissementsgerichts Den Haag gegen die
öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland verstoße und im Rahmen dessen
u.a. die richtige Anwendung des deutschen materiellen Patentrechts
Prüfungsgegenstand sei, sei in analoger Anwendung des § 143 Abs. 2 PatG in
Zusammenhang mit der Rechtsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom
13.01.1998 die Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf begründet. Hierfür spreche
zudem, dass im Rahmen eines nach Vollstreckbarerklärung des Zwangsgeldes
durchzuführenden Ordnungsmittelverfahrens zu prüfen sei, ob die Antragsgegnerin
gegen das Unterlassungsgebot verstoßen habe, was eine Auseinandersetzung mit der
Frage, ob die angegriffene Ausführungsform von den patentgemäßen Merkmalen
Gebrauch mache, mithin auch die Prüfung des Vorliegens einer materiellen
Patentverletzung, einschließe. Darüber hinaus könne eine Vollstreckbarerklärung der
Zwangsgeldfestsetzung nach Art. 49 EuGVVO nicht erfolgen, weil die Höhe des
Zwangsgeldes von dem Arrondissementsgericht Den Haag nicht endgültig festgesetzt
worden sei. Schließlich widerspreche die niederländische Entscheidung dem
deutschen ordre public. Sofern die Zwangsgeldfestsetzung des
Arrondissementsgerichts Den Haag als endgültige Festsetzung im Sinne von Art. 49
EuGVVO zu werten sei, verstoße sie gegen den ordre public, weil vor der Festsetzung
des Zwangsgeldes eine Zuwiderhandlung der Antragsgegnerin gegen die aus dem
Urteil folgenden Unterlassungsgebote, mithin auch ein Verschulden der
Antragsgegnerin, nicht festgestellt worden sei. Auch die Höhe des festgesetzten
Zwangsgeldes widerspreche dem deutschen ordre public, weil in der Bundesrepublik
Deutschland in Patentverletzungsstreitigkeiten regelmäßig lediglich Ordnungsgelder
zwischen 1.000, -- EUR und 10.000, -- EUR festgesetzt würden. Ein Verstoß gegen den
ordre public ergebe sich weiterhin daraus, dass das festgesetzte Zwangsgeld nicht - wie
in der Bundesrepublik Deutschland - an die Staatskasse, sondern an die Gläubigerin zu
zahlen sei. Darüber hinaus würden auch die ausgesprochenen Unterlassungsgebote
dem deutschen ordre public widersprechen, da sie die angegriffene Ausführungsform
und damit die verbotene Handlung nicht genau bezeichnen würden. Denn der Tenor
5
des Urteils des Arrondissementsgerichts Den Haag erstrecke sich auf jede denkbare
Ausführungsform, wie sich daraus ergebe, dass er nicht ausschließlich, sondern
"insbesondere" die angegriffenen Ausführungsformen, die Gegenstand des
Erkenntnisverfahrens gewesen seien, verbiete.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde der Antragsgegnerin entgegen getreten. Sie ist
insbesondere der Auffassung, die Beschwerde sei unzulässig, weil sie entgegen Art. 43
Abs. 2 EuGVVO i.V.m. Anhang III zur EuGVVO beim Landgericht eingelegt und erst
nach Ablauf der Beschwerdefrist beim Oberlandesgericht eingegangen sei.
6
II.
7
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die durch Beschluss des
Landgerichts Bonn vom 03.12.2003 erfolgte Vollstreckbarerklärung der mit Urteil des
Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 ausgesprochenen
Unterlassungsgebote sowie der Zwangsgeldfestsetzung hat in der Sache selbst
lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
8
1.
9
Die Beschwerde ist gemäß § 11 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher
Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf
dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen in der
Fassung vom 19.02.2001 (AVAG) statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere
fristgerecht eingelegt worden.
10
Die Vollstreckbarerklärung niederländischer Urteile in der Bundesrepublik Deutschland
richtet sich, da das Urteil nach dem 01.03.2002 und demnach nach Inkrafttreten der
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(EuGVVO) erlassen worden ist, nach dem vorgenannten AVAG i.V.m. der EuGVVO.
11
Nach Art. 43 Abs. 5 Satz 1 EuGVVO ist der Rechtsbehelf des Schuldners gegen die
Vollstreckbarerklärung grundsätzlich innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung
einzulegen, wobei die Einlegung des Rechtsbehelfs in der Bundesrepublik Deutschland
bei dem Oberlandesgericht zu erfolgen hat (Art. 43 Abs. 2 EuGVVO i.V.m. Anhang III zur
EuGVVO). Vorliegend hat die Antragstellerin die Beschwerde zwar am 07.01.2004 nicht
beim Oberlandesgericht, sondern beim Landgericht eingelegt und die Sache ist - nach
unverzüglicher Weiterleitung - erst am 12.01.2004, mithin nach Ablauf der am
08.01.2004 endenden Beschwerdefrist, beim Oberlandesgericht eingegangen. Jedoch
bestimmt § 11 Abs. 2 AVAG, dass die Zulässigkeit der Beschwerde nicht dadurch
berührt wird, dass sie statt bei dem Beschwerdegericht bei dem Gericht des ersten
Rechtszuges eingelegt wird. Die Vorschrift will verhindern, dass sich eine - etwaige -
Unkenntnis des Beschwerdeführers davon, dass die Beschwerde in Abweichung von §
569 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht auch bei dem Gericht des ersten Rechtszuges eingelegt
werden kann, zu dessen Nachteil auswirkt (vgl. Mankowski in: Rauscher, Europäisches
Zivilprozeßrecht, Art. 43 Brüssel I-VO, Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 7.
Aufl., Art. 43 Rdnr. 10). Ob die Regelung des § 11 Abs. 2 AVAG mit Art. 43 Abs. 2
EuGVVO i.V.m. Anhang III zur EuGVVO unvereinbar (hierzu dürfte Schlosser, EU-
Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rdnr. 20 tendieren) und aufgrund dessen
unwirksam ist bzw. ob sie zur Vermeidung eines Widerspruchs mit der Bestimmung des
12
Art. 43 Abs. 2 EuGVVO einschränkend dahin auszulegen ist, dass die Einlegung der
Beschwerde beim Landgericht der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nur dann nicht
entgegen steht, wenn die Akte innerhalb der Beschwerdefrist beim Oberlandesgericht
eingeht (dagegen Geimer in: Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 11 AVAG Rdnr. 4, nach dessen
Auffassung, die fristgerechte Einlegung beim Landgericht genügt), oder ob § 11 Abs. 2
AVAG auch bei einem Verstoß gegen Art. 43 Abs. 2 EuGVVO für die deutschen
Gerichte bindend ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die von der
Antragsgegnerin entsprechend § 11 Abs. 2 AVAG gewählte Verfahrensweise der
Beschwerdeeinlegung beim Landgericht ist jedenfalls nach dem Grundsatz der
Meistbegünstigung hinzunehmen. Das Meistbegünstigungsprinzip findet auch im
Geltungsbereich der EuGVVO Anwendung (vgl. Schlosser, a.a.O., Art. 43 EuGVVO
Rdnr. 2) und greift - über die Fälle der inkorrekten Entscheidungen hinaus - immer dann
ein, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit besteht, welches Rechtsmittel er
wo einlegen soll, sofern dies auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden
Entscheidung beruht ( vgl. BGH NZM 2004, 93, 94; Gummer in: Zöller, a.a.O., Vor § 511
Rdnr. 31). Zwar ergibt sich die bestehende Unsicherheit darüber, ob die Beschwerde
zulässigerweise nur bei dem Beschwerdegericht oder auch bei dem Ausgangsgericht
eingelegt werden kann, vorliegend nicht aus der angefochtenen Entscheidung, sondern
aus der Vorschrift des § 11 Abs. 2 AVAG. Gleichwohl kann diese Unklarheit nicht zu
Lasten des Beschwerdeführers gehen. Vielmehr kann dieser das Rechtsmittel innerhalb
der Beschwerdefrist wirksam sowohl bei dem Gericht des ersten Rechtszuges wie auch
beim Oberlandesgericht einlegen. Denn das Meistbegünstigungsprinzip stellt eine
Ausprägung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der allgemeinen Gleichheit vor dem
Gesetz und des Vertrauensschutzes dar (BGH, a.a.O.). Das Vertrauen desjenigen, der
sich an einer - möglicherweise unwirksamen - gesetzlichen Vorschrift orientiert, ist aber
nicht minder schutzwürdig als desjenigen, der sich von einer fehlerhaften oder unklaren
Entscheidung hat leiten lassen.
2.
13
In der Sache selbst hat das Rechtsmittel nur insoweit Erfolg, als die Antragsgegnerin
sich gegen die Vollstreckbarerklärung des ihr in der Entscheidung des
Arrondissementgerichts Den Haag vom 22.10.2003 auferlegten Zwangsgeldes wendet.
Dagegen ist sie insoweit unbegründet, als die Antragsgegnerin mit ihr die Aufhebung
der Vollstreckbarerklärung der ausgesprochenen Unterlassungsgebote erstrebt.
14
a)
15
Das Landgericht Bonn war für die Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin
vom 26.11.2003 auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des Arrondissementsgerichts
16
Den Haag vom 22.10.2003 zuständig.
17
Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts ist von Amts
wegen zu prüfen (vgl. Kropholler, a.a.O., Art. 39 Rdnr. 10) und vom Beschwerdegericht
nachprüfbar. Dem steht nicht die Bestimmung des Art. 45 Abs. 1 EuGVVO entgegen,
wonach die Vollstreckbarerklärung von dem mit einem Rechtsbehelf nach Art. 43 oder
Art. 44 EuGVVO befassten Gericht nur aus einem der in den Artikeln 34 und 35
EuGVVO aufgeführten Gründen versagt oder aufgehoben werden darf (so aber:
Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rdnr. 3). Art. 45 EuGVVO
kann nicht dahin ausgelegt werden, dass das Beschwerde- bzw.
18
Rechtsbeschwerdegericht nur diejenigen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung
prüfen darf, die einer Überprüfung durch das Gericht des ersten Rechtszugs entzogen
waren (vgl. Mankowski in: Rauscher, a.a.O., Art. 45 Brüssel I-VO Rdnr. 3; Schlosser,
a.a.O., Art. 45 EuGVVO). Anderenfalls würde man dem Antragsgegner, der nach Art. 41
Satz 2 EuGVVO im erstinstanzlichen Verfahren grundsätzlich nicht gehört wird, insoweit
das rechtliche Gehör versagen (vgl. Mankowski in: Rauscher, a.a.O., Art. 45 Brüssel I-
VO Rdnr. 3). Auch könnte hinsichtlich der dem Prüfungsumfang des Landgerichts
unterliegenden Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung eine einheitliche
Rechtsprechung nicht erlangt und damit Rechtssicherheit nicht erzielt werden (vgl.
Schlosser, a.a.O., Art. 45 EuGVVO). Schließlich könnte bei einer derart
einschränkenden Auslegung des Art. 45 EuGVVO ein Rechtsbehelf des Gläubigers
gegen die Versagung der Vollstreckbarerklärung kaum Erfolg haben, da die
Anerkennungsversagungsgründe der Art. 34, 35 EuGVVO im erstinstanzlichen
Verfahren nach Art. 41 Satz 1 EuGVVO nicht zu prüfen sind und damit für die
Zurückweisung des Antrags des Gläubigers keine Rolle gespielt haben können (vgl.
Mankowski in: Rauscher, a.a.O., Art. 45 Brüssel I-VO Rdnr. 3).
Die Zuständigkeit des Landgerichts Bonn ergibt sich aus Art. 39 Abs. 1 und 2 EuGVVO
i.V.m. Anhang II zur EuGVVO. Danach ist in der Bundesrepublik Deutschland der
Vorsitzende einer Kammer des Landgerichts für das Vollstreckbarerklärungsverfahren
sachlich zuständig. Damit begründet die EuGVVO - ohne Rücksicht auf nationale
Spezialzuweisungen - die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts im allgemeinen.
Eine - analoge - Anwendung des § 143 Abs. 2 PatG in Zusammenhang mit der
Rechtsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13.01.1998, wonach für
Patentstreitsachen aus allen Landgerichtsbezirken des Landes Nordrhein-Westfalen
das Landgericht Düsseldorf sachlich (vgl. BGHZ 14, 72, 75; OLG Hamm, Urteil vom
07.11.1989 - 4 U 90/89 -, zitiert nach Juris) ausschließlich zuständig ist, kommt nicht in
Betracht, da die EuGVVO gegenüber nationalem Recht, mithin auch dem PatG,
vorrangig ist (vgl. Kropholler, a.a.O., Einl. Rdnr. 19). Die örtliche Zuständigkeit des
Landgerichts Bonn ergibt sich aus Art. 39 Abs. 2, 59 Abs. 1 EuGVVO i.V.m. § 17 Abs. 1
ZPO, da die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bonn hat.
19
b)
20
Die formellen Voraussetzungen der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung sind erfüllt.
Insbesondere haben die Antragsteller ihrer Beibringungslast nach Art. 53 EuGVVO
genüge getan.
21
c)
22
Die Vollstreckbarerklärung der von dem Arrondissementsgericht Den Haag
ausgesprochenen Unterlassungsgebote ist auch nicht wegen eines ordre public
Verstosses nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO aufzuheben.
23
Nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO ist einer Entscheidung eines anderen Mitgliedsstaats die
Anerkennung (und Vollstreckung) zu versagen, wenn sie der öffentlichen Ordnung des
Zweitstaats offensichtlich widerspricht. Diese Vorbehaltsklausel ist eng auszulegen.
Nicht jede Abweichung der ausländischen Entscheidung vom inländischen Recht führt
zu einer offensichtlichen Verletzung des ordre public, vielmehr berechtigen nur
besondere Umstände zur Ablehnung der Anerkennung und Vollstreckung (vgl.
Kropholler, a.a.O., Art. 34 Rdnr. 7). Die Annahme eines ordre public Verstoßes kommt
24
danach nur in Betracht, wenn die Anerkennung der ausländischen Entscheidung nach
den Wertungen der deutschen Rechtsordnung schlechterdings untragbar erscheint (vgl.
Schlosser, a.a.O., Art. 34 - 36 EuGVVO Rdnr. 2; Kropholler, a.a.O.). Unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt im Streitfall ein offensichtlicher Verstoß gegen
den deutschen ordre public nicht vor, insbesondere widerspricht der Tenor der
Unterlassungsgebote nicht den inländischen Bestimmtheitsanforderungen. Allerdings
muss der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs aus Gründen der
Rechtsstaatlichkeit zweifelsfrei erkennen können, welche Handlung ihm durch den Titel
verboten wird (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz,
Band I, 3. Aufl., § 890 Rdnr.22). Deswegen ist im Fall der Patentverletzung die
untersagte Verletzungsform konkret zu bezeichnen. Der Tenor der
Unterlassungsgebote, der es der Antragsgegnerin verbietet, die europäischen Patente
###1, ###2, ###3 zu verletzen, insbesondere indem sie - bestimmt bezeichnete -
Produkte der Serien F1 und F2 anbietet oder liefert bzw. herstellt, verkauft oder liefert, ist
aber bezeichnet die untersagte Verletzungsform hinreichend bestimmt. Er ist dahin
auszulegen, dass der Antragsgegnerin dadurch nicht jede denkbare Ausführungsform,
sondern nur die bestimmt bezeichneten Ausführungsformen, nämlich das Anbieten,
Liefern, Herstellen oder Verkaufen der aufgeführten Produkte der Serien F1 und F2 bzw.
im Kern gleichwertige Handlungen verboten werden sollen.
Wie sich aus Ziffer 2.4 des Urteils des Arrondissementsgerichts Den Haag vom
22.10.2003 ergibt, hat die Antragstellerin ihren Widerklageantrag darauf gestützt, dass
die E - Produkte, mit Ausnahme der D und T - Produkte, allen Merkmalen der
Patentansprüche von ###2 und/oder ###3 entsprächen und die Unternehmen der E -
Gruppe dadurch, dass sie ihre Produkte - mit Ausnahme des sogenannten T-Produkts -
anböten und lieferten, wenngleich sie wüßten, dass diese Produkte für die von ###1 und
###4 geschützte Verwendung geeignet und vorgesehen seien, in den Ländern, in
denen ###1 und ###4 Geltung hätten, eine mittelbare Patentverletzung oder unerlaubte
Handlung begingen. Dass das Arrondissementsgericht Den Haag durch die
ausgesprochenen Unterlassungsgebote auch - wesentlich - andere als die von der
Antragstellerin angegriffenen und im Tenor "insbesondere" aufgeführten
Ausführungsformen untersagen wollte, ist - auch unter Berücksichtigung der
Entscheidungsgründe des Urteils vom 22.10.2003 - nicht ersichtlich. Dies ergibt sich
auch nicht aus dem Umstand, dass die ausgesprochenen Unterlassungsgebote
"insbesondere" die bestimmt bezeichneten Ausführungsformen untersagen. Denn durch
die Wendung "insbesondere" kann auch allein zum Ausdruck gebracht werden, was
nach der sogenannten "Kerntheorie" (vgl. hierzu Schuschke/Walker, a.a.O.) in der
Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung immer neuer Erkenntnisverfahren
anerkannt ist, nämlich dass der Schutzumfang des Unterlassungstitels nicht
ausschließlich Ausführungsformen, die mit der Verbotsform identisch sind, sondern
auch solche, die von dieser nur geringfügig abweichen und den Kern der
Verletzungshandlung unberührt lassen, umfaßt.
25
d)
26
Die Beschwerde ist jedoch insoweit begründet, als die Antragsgegnerin die Aufhebung
der Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung begehrt.
27
Nach Art. 49 EuGVVO sind ausländische Entscheidungen, die auf Zahlung eines
Zwangsgeldes lauten, im Vollstreckungsmitgliedsstaat nur vollstreckbar, wenn die Höhe
des Zwangsgeldes durch die Gerichte des Ursprungsmitgliedsstaates endgültig
28
festgesetzt ist. Der mit der Vollstreckbarerklärung befaßte Richter des Zweitstaates, der
mit dem erststaatlichen Prozessrecht nicht vertraut ist, soll aus der erststaatlichen
Entscheidung selbst ersehen können, wozu der Schuldner verurteilt worden ist (vgl.
Mankowski in: Rauscher, a.a.O., Art. 49 Brüssel I-VO Rdnr. 5). Endgültig festgesetzt ist
das Zwangsgeld danach, wenn seine Gesamthöhe in der ausländischen Entscheidung
selbst benannt wird (vgl. Kropholler, a.a.O., Art. 49 EuGVVO Rdnr. 1; Mankowski in
Rauscher, a.a.O., Art. 49 Brüssel I-VO Rdnr. 5). Nicht ausreichend ist dagegen, dass
sich die Summe des Zwangsgeldes aus der Entscheidung, beispielsweise anhand der
angeblichen Zahl der Zuwiderhandlungen des Schuldners, errechnen läßt (vgl.
Kropholler, a.a.O., Art. 49 EuGVVO Rdnr.1; Mankowski in: Rauscher, a.a.O., Art. 49
Brüssel I-VO Rdnr. 6). Jedoch ist der Anwendungsbereich des Art. 49 EuGVVO
entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht auf Entscheidungen, welche eine
regelmäßige Zahlung ("periodical payments") im Wege eines Zwangsgeldes anordnen,
beschränkt. Der englische Text der Vorschrift ist insofern zu eng gefasst und unrichtig
(vgl. Schlosser, a.a.O., Art. 49 EuGVVO Rdnr. 1). Eine endgültige Festsetzung des
Zwangsgeldes im Sinne von Art. 49 EuGVVO ist durch das Urteil des
Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 nicht erfolgt.
Das Arrondissementgericht Den Haag hat der Antragsgegnerin im Urteil vom
22.10.2003 für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die ausgesprochenen
Unterlassungsgebote ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000, -- EUR auferlegt. Eine
Entscheidung darüber, ob die Antragsgegnerin den Unterlassungsgeboten zuwider
gehandelt hat, und gegebenenfalls in wie vielen Fällen, ist hingegen nicht ergangen,
mithin auch keine Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe das Zwangsgeld
verwirkt ist. Einer derartigen gesonderten Festsetzung des Zwangsgeldes bedarf es in
den Niederlanden für die Vollstreckung des Zwangsgeldes nicht (Schlosser, a.a.O., Art.
49 EuGVVO Rdnr. 2; Stutz, Die internationale Handlungs- und
Unterlassungsvollstreckung unter dem EuGVÜ, S. 66). Dieses ist nach Art. 3 Satz 2 des
Benelux-Übereinkommens zur Einführung eines einheitlichen Gesetzes über das
Zwangsgeld vom 26.11.1973, welches für die Niederlande am 01.10.1978 in Kraft
getreten und durch Gesetz vom 23.03.1977, in Kraft getreten am 01.01.1978, durch die
dem Übereinkommen entsprechenden Artt. 611 a bis 611 i Rv. transformiert worden ist
(Nachweise bei Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, S. 54), für den
Gläubiger vielmehr unmittelbar aufgrund des Titels, der es feststellt, vollstreckbar (vgl.
Gärtner, Probleme der Auslandsvollstreckung von Nichtgeldleistungsentscheidungen im
Bereich der Europäischen Gemeinschaft, S. 53; Remien, a.a.O., S. 82; Treibmann, Die
Vollstreckung von Handlungen und Unterlassungen im europäischen Zivilrechtsverkehr,
S. 72). Die Beurteilung, in welcher Höhe das Zwangsgeld aufgelaufen ist, obliegt dem
Gläubiger; dem Schuldner bleibt es überlassen, gegebenenfalls gegen die
Vollstreckungsmaßnahme vorzugehen (Remien, a.a.O., S. 82 f.). Damit sind
niederländische Zwangsgeldentscheidungen der vorliegenden Art ohne gesonderte
nachfolgende Liquidation mangels endgültiger Festsetzung der Höhe nach Art. 49
EuGVVO in der Bundesrepublik Deutschland nicht vollstreckbar; vielmehr bedarf es zu
ihrer Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsmitgliedsstaat einer vorherigen
Festsetzungsentscheidung der niederländischen Gerichte über die endgültige Höhe des
Zwangsgeldes, die bei Vorliegen eines besonderen Interesses - welches die
beabsichtigte Auslandsvollstreckung begründen dürfte - zugelassen wird (vgl. Gärtner,
a.a.O., S. 54; Schlosser, a.a.O., Art. 49 EuGVVO Rdnr. 5, allerdings ausdrücklich
beschränkt auf den Fall, dass ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung gegen
ein Unterlassungsgebot festgesetzt wurde; a.A. Gottwald in: Münchener Kommentar zur
ZPO, Band 3, 2. Aufl, Art. 43 EuGVÜ Rdnr. 1).
29
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
30
3.
31
Der Senat sieht keinen Anlaß, entsprechend der Anregung der
Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin das Verfahren nach Art. 46 Abs. 1
EuGVVO auszusetzen. Eine Aussetzung ist nicht bereits deshalb geboten, weil die
Entscheidung des Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 lediglich
vorläufig vollstreckbar ist und nach dem Sachvortrag der Antragsgegnerin gegen dieses
Urteil ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Entscheidend sind vielmehr in erster Linie
die - von der Antragsgegnerin darzulegenden - Erfolgsaussichten des in den
Niederlanden eingelegten Rechtsbehelfs (vgl. Schlosser, a.a.O., Art, 46 EuGVVO Rdnr.
3), zu denen hier nichts vorgetragen ist. Auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen
wirtschaftlichen Risiken ist eine Verfahrensaussetzung nicht erforderlich, insbesondere
ist weder ersichtlich noch dargetan, dass der Antragsgegnerin im Falle der Fortsetzung
der Vollstreckung und späteren Aufhebung des Urteils des Arrondissementsgerichts
Den Haag vom 22.10.2003 nicht zu ersetzende Nachteile drohen würden. Vor etwaigen,
infolge einer ungerechtfertigtenn Vollstreckung des Urteils entstehenden Schäden ist
die Antragsgegnerin durch die von der Antragstellerin aufgrund des Urteils des
Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 geleisteten Sicherheit über
1.500.000, -- EUR geschützt.
32
4.
33
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 12 GKG i.V.m. § 3 ZPO, wobei der
Senat das Interesse der Antragstellerin an der Vollstreckbarerklärung der der
Antragsgegnerin auferlegten Verpflichtung, an die Antragstellerin für jede
Zuwiderhandlung gegen eines der in dem Urteil genannten Verbote ein nach Zustellung
dieses Urteils fälliges Ordnungsgeld in Höhe von EUR 100.000, -- zu zahlen, auf
25.000, -- EUR geschätzt hat.
34