Urteil des OLG Köln vom 20.11.1998

OLG Köln (kläger, fahrzeug, zugesicherte eigenschaft, abgrenzung zu, fahrschule, eigenschaft, zusicherung, umstände, käufer, einsatz)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 53/98
Datum:
20.11.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 53/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 21 O 537/96
Schlagworte:
Einsatz Fahrzeug Fahrschulwagen
Normen:
BGB §§ 459, 463
Leitsätze:
In der Erklärung des Gebrauchtwagenverkäufers, ein Fahrzeug sei nicht
als Fahrschulwagen eingesetzt worden, kann die Zusicherung einer
Eigenschaft liegen. Die Einschränkung "lt. Vorbesitzer" spricht gegen
eine Zusicherung (Abgrenzung zu BGH, NJW 1998, 2207). Die
Eigenschaft als Fahrschulwagen ist jedenfalls bei mehrjährigem Einsatz
ein Fehler im Sinne von § 459 BGB. Gibt ein Gebrauchtwagenverkäufer
in einem Kaufvertragsformular Erklärungen über die Nutzung des
Fahrzeugs als Taxi, Miet- oder Fahrschulwagen ab, dann muß er dem
Käufer alle Umstände bekanntgeben, die für die Kaufentscheidung
erkennbar von Bedeutung sein können. Ist das Fahrzeug zwar nach den
Angaben des Vorbesitzers nicht gewerblich genutzt worden, ist es aber
nach Kenntnis des Verkäufers "über eine Fahrschule gelaufen" und hat
auch fahrschultypische Doppelpedale gehabt, dann muß er dies dem
Käufer offenbaren. Legt der Gebrauchtwagenverkäufer für die
Kaufentschließung wesentliche Umstände bewußt nicht offen, dann muß
er sich behandeln lassen, als hätte sie einen Fehler arglistig
verschwiegen.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des
Land- gerichts Köln vom 26.01.1998 - 21 O 537/96 - unter
Zurückweisung des weiter- gehenden Rechtsmittels teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Die Beklagte wird verurteilt, an den
Kläger 1.401,60 DM zu zahlen und ihn aus dem mit der V.bank GmbH,
G. Straße , B., unter dem 10.07.1996 geschlossenen Darlehensvertrag
Nr. 31482982/834 in Höhe der Restdarlehenssumme von 36.068, 30 DM
abzulösen, Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw Audi 80 1,9 TDI,
Baujahr 1994, Fahrgestell-Nr. ........................ Im übrigen wird die Klage
abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der
Kläger 11 %, die Beklagte 89 %. Von den Kosten der Berufungsinstanz
trägt der Kläger 2,5 %, die Beklagte 97,5 %. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur wegen der Stellplatzgebühren begründet;
im übrigen hatte sie keinen Erfolg.
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Die Beklagte ist dem Kläger nach § 463 S. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
Daher kann der Kläger ihr den gekauften Pkw zur Verfügung stellen und
Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages verlangen. Dazu gehört die
Erstattung des Kaufpreises bzw. die Freistellung von Zahlungsverpflichtungen
gegenüber der kreditierenden Bank sowie der Vertragskosten (Palandt/Putzo, BGB 57.
Aufl., § 463 Rn. 19 mit Nachw. a. d. Rspr.).
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Das Landgericht hat die Beklagte nach § 463 S. 1 BGB verurteilt, weil dem vom Kläger
bei ihr gekauften Pkw Audi 80 1.9 TDI eine zugesicherte Eigenschaft gefehlt habe:
Entgegen den Angaben der Beklagten im Kaufvertrag habe der Vorbesitzer, nämlich der
der Beklagten in erster Instanz als Streithelfer beigetretene Zeuge B., das Fahrzeug
gewerblich in seiner Fahrschule genutzt. Darauf, daß die Zusicherung nur "lt.
Vorbesitzer" erfolgt sei, könne die Beklagte sich nicht berufen, weil sie konkrete
Anhaltspunkte für das Fehlen der Eigenschaft gehabt habe.
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Dieser Begründung des Landgerichts folgt der Senat nicht, wohl aber tritt er dem
angefochtenen Urteil im Ergebnis bei.
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Grundsätzlich kann die Erklärung, ein Fahrzeug sei nicht als Fahrschulwagen genutzt
worden, als Zusicherung einer Eigenschaft gewertet werden (Reinking/Eggert, Der
Autokauf 6. Aufl., Rn. 1800 m. Nachw.). Die Einschränkung "lt. Vorbesitzer" (die nach
dem bestrittenen Vortrag des Klägers bei den mündlichen Verkaufsverhandlungen nicht
gemacht worden sein soll) spricht aber gegen eine Zusicherung (a.a.O., Rn. 1658). Der
vom Kläger in der Berufungserwiderung ins Feld geführten BGH-Entscheidung NJW
1998, 2207 lag ein Fall zugrunde, in dem das vom Verkäufer benutzte Formular
widersprüchlich war, nämlich einerseits ausdrücklich von Zusicherung sprach,
andererseits aber auf die Angaben des Vorbesitzers Bezug nahm. Hier hat der BGH den
Verkäufer an der Zusicherung festgehalten. Einen solchen Widerspruch enthält das hier
verwendete Formular nicht
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Nimmt man demgemäß nach dem vorliegenden Vertrag an, daß die Beklagte keine
Eigenschaft zugesichert hat, dann ist sie dem Kläger dennoch schadensersatzpflichtig,
wenn sie einen Fehler des Fahrzeugs arglistig verschwiegen hat (§ 463 S. 2 BGB). Die
Eigenschaft als Fahrschulwagen ist jedenfalls im Falle eines mehrjährigen Einsatzes
als Fehler im Sinne von § 459 BGB angesehen worden (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn.
1610; Palandt/Putzo, BGB 57. Aufl., § 459 Rn. 27; beide m. Nachw.). Bei nur
verhältnismäßig geringem Einsatz kann das zweifelhaft sein (vgl. Reinking/Eggert,
a.a.O., Rn. 1609). Ob und in welchem Umfang der dem Kläger verkaufte Pkw als
Fahrschulwagen eingesetzt worden ist, kann indessen offen bleiben. Jedenfalls war der
Beklagten, wie sie schon in der Klageerwiderung eingeräumt hat, bekannt, "daß dieser
Pkw über die Fahrschule G. B. ##blob##amp; M. H. ... gelaufen ist." Es spricht nichts
dafür und wird auch von der Beklagten nicht behauptet, daß auch ihrem Verkäufer Plate
nicht jedenfalls diese Tatsache bekannt war, unabhängig davon, wie weit er über
technische Einzelheiten, etwa die vor dem Verkauf an den Kläger ausgebauten
Doppelpedale, unterrichtet war. Im übrigen kann sie sich auf die Unkenntnis ihres
Verkäufers nicht berufen, den sie über alle verkaufswesentlichen Umstände in Bezug
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auf die von ihr gehandelten Fahrzeuge ins Bild setzen muß. Das gilt auch für die
Fahrschul-Doppelpedale, die unstreitig erst nach Übernahme des Fahrzeugs von dem
Zeugen B. und vor seinem Weiterverkauf an den Kläger bei der Beklagten ausgebaut
wurden. Unter diesen Umständen war die Beklagte, wenn sie überhaupt in dem
Bestellformular Erklärungen über die Nutzung des Fahrzeugs als Taxi-, Miet- oder
Fahrschulwagen abgab, verpflichtet, alles bekanntzugeben, was in diesem
Zusammenhang für die Kaufentscheidung erkennbar von Bedeutung sein konnte. Dazu
gehörte es, dem Kläger als Kaufinteressenten mitzuteilen, daß zwar der Pkw nach
Angaben des Vorbesitzers nicht gewerblich genutzt worden, daß er aber - in ihren
eigenen Worten - "über eine Fahrschule gelaufen" sei und auch fahrschultypische
Pedale gehabt habe. Denn schon das kann einen Kaufinteressenten bei seiner
Kaufentscheidung erheblich beeinflussen, sei das Mißtrauen gegen gewerblich
genutzte Fahrzeuge nun regelmäßig technisch begründet oder nicht. Das gilt auch
dann, wenn der Kläger entgegen seiner Darstellung nicht von vornherein gesagt haben
sollte, daß er ein gewerblich genutztes Fahrzeug keinesfalls kaufen werde (vgl. OLG
Köln, OLGR 1990, 1144). Es spricht nichts dafür, daß er den Pkw auch gekauft hätte,
wenn er gewußt hätte, daß der Vorbesitzer eine Fahrschule betrieb und das Fahrzeug
auch dementsprechend eingerichtet gewesen war. Erfüllte die Beklagte ihre
Verpflichtung zu vollständiger Unterrichtung des Klägers nicht, legte sie also
wesentliche Umstände bewußt nicht offen, dann muß sie sich behandeln lassen, als
hätte sie einen Fehler arglistig verschwiegen (§ 463 S. 2 BGB). Der
Gebrauchtwagenverkäufer ist verpflichtet, alle Tatsachen zu offenbaren, die
erkanntermaßen oder auch nur erkennbar für die Vertragsentschließung des Kunden
von Bedeutung sind und deren Mitteilung von ihm nach den konkreten Gegebenheiten
des Einzelfalles erwartet werden kann (BGH NJW-RR 1989, 211; vgl. auch Senatsurteil
vom 05.07.1996, OLGR 1996, 235; Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 1873).
Das gilt hier umso mehr, als die Beklagte über den tatsächlichen Einsatz des Fahrzeugs
aus eigener Kenntnis nichts wußte. In einem solchen Fall muß der Verkäufer alle ihm
bekannten Umstände offenlegen und es dem Käufer überlassen, ob und in welchem
Umfang er Erkundigungen über die tatsächliche Nutzung einholt.
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Den Senat haben die Zeugen B. jedenfalls nicht davon überzeugen können, daß das
Fahrzeug nicht (auch) in der Fahrschule eingesetzt worden ist. Der Zeuge B. will es
(werk-)täglich, die Zeugin B. will es überwiegend gefahren haben. Das Doppelpedal soll
eingebaut worden sein, um beim Kauf des Fahrzeugs den Fahrschulrabatt zu erhalten,
eine Behauptung, die ersichtlich falsch ist. Deshalb begründeten die Beklagten den
Einbau zuletzt damit, der Zeuge B. habe es einbauen lassen, um das Finanzamt
darüber zu täuschen, daß das Fahrzeug über die Fahrschule lief. All diese Punkte
bedürfen für die Entscheidung des Rechtsstreits keiner Klärung, sie zeigen aber, welche
Unsicherheiten und Unwägbarkeiten auf den Kläger zugekommen wären, hätten er oder
die Beklagte beim Zeugen B. Erkundigungen eingezogen. Gerade die auf
Unregelmäßigkeiten schließen lassenden Erklärungen sind geeignet, einen Käufer
abzuschrecken und sind damit für die Vertragsentschließung des Kunden von
Bedeutung.
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Nach allem hat das Landgericht die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten mit
Recht bejaht.
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In Bezug auf die Höhe der Klageforderung wendet sich die Berufung nur gegen die
Bemessung der Nutzungsentschädigung und gegen die Berücksichtigung der Stellplatz-
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gebühren (437,00 DM Zahlungsanspruch, im übrigen Feststellungsklage). Den Vortrag
des Klägers, er sei in etwa einem halben Jahr 16.677 km mit dem Fahrzeug gefahren,
was durch den vom Sachverständigen festgestellten km-Stand von 30.777 gestützt wird,
bestreitet die Beklagte nur mit ins Blaue aufgestellten Vermutungen. Daß der Kläger um
der späteren Abrechnung der Nutzungsentschädigung willen - ein anderer Grund ist
nicht erkennbar - den Kilometerzähler nach unten manipuliert haben könnte, kann
ausgeschlossen werden.
Dagegen besteht kein Anspruch des Klägers auf die Stellplatzgebühren. Dazu ist nicht
mehr vorgetragen worden, als daß der Pkw seit der Besichtigung durch den
Sachverständige bei der Fa. St. in B. stehe. Warum das notwendig ist, warum
insbesondere das Fahrzeug nicht - wie vorher - beim Kläger stehen kann, wird nicht
gesagt. Unter diesen Umständen sind diese Kosten keine adäquate Folge des
schadenstiftenden Ereignisses. Insoweit sind Leistungs- und Feststellungsklage
abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 I, 97 I ZPO. Das Urteil ist nach den §§
708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
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Wert der Beschwer des Klägers: 937,00 DM,
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Wert der Beschwer der Beklagten: 37.469,90 DM.
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