Urteil des OLG Köln vom 02.08.1982

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Oberlandesgericht Köln, 21 WF 128/82
Datum:
02.08.1982
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 WF 128/82
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 313 F 170/81
Schlagworte:
Beiordnung eines Verkehrsanwaltes in Ehesachen
Normen:
ZPO § 121 Abs 3
Leitsätze:
Die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes ist jedenfalls dann erforderlich,
wenn die von einer bemittelten Partei für einen Verkehrsanwalt
aufgewandten Kosten als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
notwendig im Sinne von § 91 ZPO anzuerkennen sind. Das ist auch der
Fall, wenn die Kosten notwendiger Informationsreisen der auswärtigen
Partei zu ihrem Prozeßbevollmächtigten die Kosten eines
Verkehrsanwaltes nahezu erreichen. In Scheidungs sachen sind in der
Regel mindestens zwei Informationsreisen als notwendig anzusehen.
Tenor:
Der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 28. April
1982 - 313 F 170/81 - wird, soweit darin über die Beiordnung eines
Verkehrsanwaltes
entschieden worden ist, abgeändert und insoweit wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegnerin wird im Wege ratenfreier Prozeßkostenhilfe
Rechtsanwalt K. in 0000 N. als Verkehrsanwalt für das
Scheidungsverfahren einschließlich des Versorgungsausgleichs-
Verfahrens beigeordnet.
G r ü n d e :
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Die Parteien, beide deutsche Staatsangehörige, haben am 13. September 1977 die Ehe
geschlossen, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Jedenfalls seit April 1981
leben die Parteien getrennt.
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Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 1981 hat der Antragsteller bei dem Amtsgericht Köln die
Scheidung seiner Ehe beantragt. Mit Schriftsatz vom 16. März 1982 hat die
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Antragsgegnerin, die nach wie vor in XXXX M. (Amtsgerichtsbezirk 0X0X F.) wohnt,
ihrerseits die Ehescheidung beantragt und zugleich um Prozeßkostenhilfe zur
Durchführung des Scheidungsverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. T. in
O. als Prozeßbevollmächtigt.e und von Rechtsanwal-t K. in 0000 Moormerland als
Verkehrsanwalt nachgesucht.
Durch den hiermit in Bezug genommenen Beschluß vom 28. April 1982 hat das
Amtsgericht der Antragsgegnerin Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwältin C. T. bewilligt, die beantragte Beiodnung eines Verkehrsanwaltes
jedoch abgelehnt,und
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zwar mit der Begründung, die Sach- und Rechtslage sei einfach.
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Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 9. Juli 1982, mit der sie
ihren Antrag auf Beiordnung eines Verkehrsanwaltes weiter verfolgt.
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Der Familienrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten am 22. Juli
1982 dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
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Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
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Zu Unrecht hat der Familienrichter es abgelehnt, der Antragsgegnerin gemäß ihrem
Antrag auch einen Verkehrsanwalt im Wege der Prozeßkostenhilfe beizuordnen.
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Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kann einer hilfsbedürftigen Partei auf ihren Antrag ein zur
Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl zur Vermittlung des Verkehrs mit dem
Prozeßbevollmächtigten beigeordnet werden, wenn besondere Umstände dies
erfordern. Das ist
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hier der Fall.
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Dabei kann unerörtert bleiben, ob die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes in einer
Scheidungssache im allgemeinen notwendig ist (so Baumbach-Hartmann, ZPO, Anm. 4
B b zu § 121 unter Hinweis auf OLG Düsseldorf in FamRZ 1980/390; ebenso Zöller-
Schneider, ZPO, Anm. IV, 3 c zu § 121). Die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes ist
wegen der gebotenen Gleichbehandlung von bemittelten und unbemittelten Parteien
jedenfalls dann erforderlich, wenn die von einer bemittelten Partei für einen
Verkehrsanwalt aufgewandten Kosten als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen sind (vgl. OLG Köln in NJW
1975/1607). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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Auch eine geschäfts- und schreibgewandte Partei muß Gelegenheit haben, ihren zum
Prozeßbevollmächtigten bestellten Anwalt persönlich aufzusuchen, um ihm die zur
Führung des Prozesses erforderlichen Informationen zu erteilen und mit ihm den Sach-
und
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Streitstand des Prozesses sowie die sich daraus ergebende Rechtslage eingehend
mündlich zu erörtern. Kosten, die eine auswärtige Partei für solche Informationsreisen
zu ihrem Anwalt aufwendet, sind regelmäßig als zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung notwendig anzusehen und daher gemäß § 91 Abs. 1 ZPO
erstattungsfähig (vgl. Stein-Jonas-Leipold, ZPO, RdNr. 67 zu § 91). Verzichtet die Partei
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auf die an sich notwendigen Informationsreisen und bedient sich statt dessen eines
Verkehrsanwaltes, so sind dessen Kosten jedenfalls in Höhe der ersparten Reisekosten
der Partei als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen.
Dabei ist maßgebend für die Anzahl der fiktiven Informationsreisen die
vorausschauende Beurteilung im Zeitpunkt der Beauftragung des Verkehrsanwalts. Die
volle Verkehrsanwaltsgebühr
nach § 52 BRAGO ist als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig
anzuerkennen, wenn die Partei vorausschauend damit rechnen konnte, daß die Kosten
einer unmittelbaren Information ihres Prozeßbevollmächtigten die Kosten des
Verkehrsanwalts nahezu erreichen oder gar übersteigen würden (vgl. Stein-Jonas-
Leipold, zPO, RdNr. 71 zu § 91). So liegt die Sache hier. Ob die Kosten für eine oder für
mehrere Reisen der Partei zu ihrem Prozeßbevollmächtigten als notwendig angesehen
werden können, hängt von der Eigenart des Streitstoffes ab. Gerade Ehesachen sind
dadurch gekennzeichnet, daß im Laufe des Verfahrens häufig Veränderungen auftreten,
die eine wiederholte anwaltliche Beratung erforderlich machen, so daß sich die Zahl der
notwendigen Informationsreisen im voraus schlecht übersehen läßt (vgl. OLG Koblenz
in MDR 1977/233 und OLG Düsseldorf in FamRZ 1980/390). Nach Auffassung des
Senates wird man selbst in einer verhältnismäßig einfach gelagerten Scheidungssache
jedenfalls zwei Informationsreisen als erforderlich ansehen müssen, die erste zu Beginn
des Verfahrens und die zweite vor dem eigentlichen Scheidungstermin, etwa wenn die
zur Durchführung
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des Versorgungsausgleiches benötigten Auskünfte der Versorgungsträger vorliegen
und von der Partei mit ihrem Anwalt besprochen werden müssen. Durfte die
Antragsgegnerin demzufolge davon ausgehen, daß sie mindestens zweimal zu ihrer
Prozeßbevollmächtigten nach O. würde reisen müssen, um ihr Scheidungsverfahren
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ordnungsgemäß führen zu können, so diente es durchaus einer zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung, wenn die Antragsgegner in von vornherein die Dienste eines
Verkehrsanwaltes in Anspruch nahm; denn dessen Kosten belaufen sich bei dem
maßgebenden Streitwert von 5.000,-- DM (4.000,-- DM Scheidungssache + 1.000,-- DM
Versorgungsausgleichssache) lediglich auf 344,36 DM (265,-- DM 10/10-Gebühr nach §
52 BRAGO + 39,75 DM Auslagenpauschale nach § 26 BRAGO + 13 % Mehrwertsteuer),
auf einen Betrag also, den die Antragsgegnerin für zwei Reisen nach O. einschließlich
unvermeidbarer Zehr- und übernachtungskoster schätzungsweise aufwenden müßte. Ist
demnach die Beauftragung eines Verkehrsanwaltes auf seiten der Antragsgegnerin als
notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO anzuerkennen, so kann der Antragsgegnerin
auch die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes gemäß § 121 Abs. 3 ZPO nicht versagt
werden.
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Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Notwendigkeit, einen Verkehrsanwalt zu
beauftragen, verneint werden muß, wenn wegen der besonderen Einfachheit des
Streitfalles oder wegen besonderer Fähigkeiten der Partei ausnahmsweise nicht einmal
eine
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Informationsreise zu dem Prozeßbevollmächtigten als notwendig angesehen werden
kann. Selbst eine einverständliche Scheidungssache stellt indessen nach Auffassung
des Senates schon wegen der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen, darunter stets der
rechtlich komplizierte Versorungsausgleich, grundsätzlich keinen Streitfall von solcher
Einfachheit dar, daß einem Ehegatten angesonnen werden könnte, über seinen
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Scheidungsprozeß mit seinem Anwalt lediglich einen Schriftwechsel zu führen. Im
übrigen kann in diesem Zusammenha.ng auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß eine
Ehescheidung in der Regel erst einverständlich durchgeführt wird, nachdem die
Parteien ihre Ehesache sowie alle Folgen einer Scheidung mit den Anwälten ihres
Vertrauens
eingehend erörtert haben.
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Demnach mußte der angefochtene Beschluß in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang abgeändert werden.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO) .
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Beschwerdewert
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