Urteil des OLG Köln vom 19.11.2001

OLG Köln: einstweilige verfügung, werbung, res judicata, erlass, verzicht, internet, vertragsstrafe, pastor, abmahnung, wiederholungsgefahr

Oberlandesgericht Köln, 6 W 81/01
Datum:
19.11.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 81/01
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 305/00
Tenor:
1.) Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der
31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 305/00-SH I - vom
28.6.2001, durch den ihr Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln
gem. § 890 ZPO teilweise zurückgewiesen worden ist, wird
zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.
G R Ü N D E
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Die gem. §§ 793 Abs.1, 890 Abs.1, 891 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist
zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht den
Ordnungsmittelantrag zurückgewiesen, soweit er den Internet-Auftritt vom 5.3.2001 zum
Gegenstand hat. Die Werbung stellt zwar einen in den Kernbereich des
Unterlassungstitels fallenden Verstoß dar, indes steht in der gegebenen
Fallkonstellation die vorangegangene Erwirkung eines neuen Unterlassungstitels der
Festsetzung von Ordnungsmitteln entgegen.
2
A
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Durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 8.5.2000 - 31 O 305/00 - ist
der Schuldnerin auf Antrag der Gläubigerin u.a. untersagt worden, im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Angabe "Connect Regionaler
Netzanbieter 1999 und 2000" in einer bestimmten konkreten Form zu werben. Wegen
dieser Verletzungsform, die durch Einblendung zum Gegenstand des
Unterlassungsgebotes gemacht worden ist, wird auf die Ablichtung Bl.55 (bzw.
deutlicher Bl.21 der Hauptakte) verwiesen. Grund für das Verbot war der Umstand, dass
in der Anzeige die Fundstelle nicht angegeben war, in der die in der Werbung
angesprochenen Testergebnisse veröffentlicht waren. Die Schuldnerin hat die
einstweilige Verfügung durch Abschlussschreiben vom 9.6.2000 als endgültig
anerkannt.
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Am 5.3.2001 warb die Schuldnerin im Internet wiederum mit der Angabe "Connect
Regionaler Netzanbieter 1999 und 2000". Dabei war der - im übrigen identisch wie in
der ursprünglichen Fassung aufgemachten - Werbung eine kleingedruckte weitere Zeile
hinzugefügt, wie dies aus der Anlage AST 4 (Bl.13) des vorliegenden Verfahrens
ersichtlich ist. Wegen dieser Werbung erwirkte die Gläubigerin nach erfolgloser
Abmahnung zunächst im Verfahren 84 O 42/01, das noch andere, hier nicht
interessierende Wettbewerbsverstöße zum Gegenstand hatte, eine unter dem
20.3.2001, und zwar nicht auch von der 31. Zivilkammer, sondern von der 4. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Köln erlassene weitere einstweilige Verfügung. Die
Gläubigerin hatte beanstandet, dass der erwähnte Zusatz zu klein und daher nicht
lesbar sei. Die Schuldnerin hat durch Abschlussschreiben vom 2.4.2001 auch diese
einstweilige Verfügung als endgültig anerkannt.
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Später, nämlich unter dem 7.5.2001, hat die Gläubigerin mit der Begründung, die
Verletzungshandlung falle in den Kern des unter dem 8.5.2000 ausgesprochenen
Unterlassungsgebotes, im vorliegenden Verfahren einen Ordnungsmittelantrag gem. §
890 Abs.1 ZPO gestellt, der außerdem einen weiteren, in einer Internetwerbung vom
18.4.2001 liegenden, hier nicht näher interessierenden Verstoß gegen den ersten Titel
zum Gegenstand hatte.
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Das Landgericht hat wegen des zuletzt erwähnten Verstoßes vom 18.4.2001 ein
Ordnungsgeld von 5.000 DM nebst Ersatzordnungshaft festgesetzt und den Antrag im
übrigen mit der Begründung zurückgewiesen, nachdem die Gläubigerin wegen der
Werbung vom 5.3.2001 einen neuen Titel erwirkt und so zum Ausdruck gebracht habe,
dass diese nicht bereits unter das erste gerichtliche Verbot falle, sei es
rechtsmissbräuchlich, nunmehr parallel ein Ordnungsmittelverfahren zu betreiben, weil
dieses umgekehrt einen Verstoß gegen den Kern des Unterlassungstitels voraussetze.
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Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin. Diese vertritt die
Auffassung, aus Rechtsgründen berechtigt zu sein, beide Verfahren, die
unterschiedliche Zielrichtungen verfolgten, gegen die Schuldnerin zu betreiben.
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Sowohl wegen der Einzelheiten der Begründung der Kammer, die im wesentlichen auf
einen Aufsatz ihres Vorsitzenden in der WRP (99, 46 ff) Bezug genommen hat, als auch
hinsichtlich des Beschwerdevorbringens der Gläubigerin wird auf den Akteninhalt und
die nachfolgenden Ausführungen unter B verwiesen.
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Die Gläubigerin b e a n t r a g t,
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in Abänderung der angefochtenen Entscheidung auch wegen der Werbung vom
5.3.2001 - der Höhe nach in das richterliche Ermessen gestellte - Ordnungsmittel
gegen die Schuldnerin festzusetzen.
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Die Schuldnerin b e a n t r a g t,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Wegen des Vortrags der Schuldnerin, die den Beschluss verteidigt, wird auf deren
Schriftsatz vom 29.8.2001 Bezug genommen.
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B
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Der Antrag ist unbegründet, weil die Gläubigerin auf ein Vorgehen gegen die
Schuldnerin wegen der verfahrensgegenständlichen Werbung im Wege der
Zwangsvollstreckung aus dem Titel vom 8.5.2000 verzichtet hat.
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Die Gläubigerin hat gegen die Schuldnerin bereits einen eigenständigen Titel wegen
des Internet-Auftrittes vom 5.3.2001 erwirkt. Wegen derselben Werbung begehrt sie
nunmehr zusätzlich die Bestrafung der Schuldnerin, weil darin auch ein Verstoß gegen
das erste richterliche Verbot liege. Indes kann auf diese Weise grundsätzlich nicht ein
und derselbe Verstoß zweifach mit staatlichen Zwangsmitteln geahndet werden. Die
Festsetzung von Ordnungsmitteln gem. § 890 ZPO setzt den Verstoß gegen einen
schon bestehenden Titel voraus. Liegt ein solcher vor, ist das beanstandete Verhalten
der Schuldnerin also bereits gerichtlich untersagt, so steht dem neuerlichen Erlass einer
weiteren einstweiligen Verfügung, oder auch einer Verurteilung im
Hauptsacheverfahren, der Einwand der res judicata entgegen (vgl. näher Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kap. 57 RZ 16 a; Pastor/ Ahrens, Der
Wettbewerbsprozess, 4.Aufl., Kap.40 RZ 110 ff).
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Die vorstehend angesprochene Fragestellung beruht auf dem Umstand, dass nach ganz
herrschender Praxis nicht nur solche Wettbewerbshandlungen dem gerichtlichen Verbot
unterfallen, die mit dem ausdrücklich verbotenen Verhalten identisch sind, sondern auch
solche, die zwar von dem Wortlaut jenes Verbotes abweichen, gleichwohl aber noch in
dessen Kernbereich fallen (vgl. nur Teplitzky a.a.O. RZ 11 ff; Gloy/Spätgens, Handbuch
des Wettbewerbsrechts § 82 RZ 19 jew. m.w.N.). Unterfiele nur ein identischer Verstoß
dem gerichtlichen Verbot, würde die Frage nicht aufkommen, weil für den Erlass eines
weiteren Titels kein Anlass bestünde. Indes kann ein zweiter Titel auch dann
grundsätzlich nicht erwirkt werden, wenn ein Verstoß (nur) gegen den Kern des
gerichtlichen Unterlassungsgebotes vorliegt. Die Ahndung von
Wettbewerbshandlungen, die nicht der konkret und ausdrücklich in den Verbotstenor
aufgenommenen Verletzungsform entsprechen, aber noch in deren Kernbereich fallen,
im Vollstreckungsverfahren beruht auf der Einsicht, dass durch das gerichtliche
Erkenntnisverfahren die Wettbewerbswidrigkeit auch dieser zwar äußerlich
abweichenden, aber im Kern gleichen Verletzungsform mitgeprüft und als ebenso
wettbewerbswidrig wie das ausdrücklich untersagte Verhalten beurteilt worden ist (vgl.
näher Teplitzky a.a.O. RZ 12, 14). Damit erfasst der Verfahrensgegenstand des - ersten -
Erkenntnisverfahrens auch diese geringfügig abweichenden Verletzungsformen. Das
schließt indes vom gedanklichen Ansatz her die nochmalige Geltendmachung jener
abweichenden Verletzungsformen, die noch im Kernbereich des ersten Verbotes liegen,
in einem weiteren Erkenntnisverfahren aus. Kann aus diesem Grunde der Erlass eines
zweiten Titels nur bei Verstößen erfolgen, die nicht (mehr) im Kernbereich des ersten
Titels liegen, so kommt in diesen Fällen ein paralleles Vorgehen auch im Wege der
Zwangsvollsteckung grundsätzlich nicht in Betracht, weil Wettbewerbsverstöße, die
nicht (zumindest) im Kernbereich des ersten Titels liegen, aus diesem auch nicht
geahndet werden können. Insoweit schließt sich der Senat der Auffassung von Kehl in
WRP 99, 46 ff an. Soweit den von der Gläubigerin angeführten Entscheidungen des
OLG Düsseldorf (WRP 93,487 f) und des OLG Frankfurt (WRP 97, 51 f) eine
abweichende Auffassung entnommen werden kann, folgt der Senat dem nicht.
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Ohne Erfolg wendet die Gläubigerin ein, beide Verfahren verfolgten unterschiedliche
Zielrichtungen: während es bei der Vollstreckung (auch) um die Ahndung
zurückliegenden Verhaltens gehe, solle die zweite einstweilige Verfügung klarstellen,
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dass der Schuldnerin auch das neue Verhalten untersagt sei. Diese Unterscheidung
mag im Ansatz zutreffen, sie gibt indes der Gläubigerin nicht das Recht, einen weiteren
Titel gegen ein Verhalten zu erwirken, das der Schuldnerin bereits untersagt ist. Im
übrigen dient das Zwangsvollsteckungsverfahren auch dazu, die Schuldnerin zukünftig
zu einem gesetzestreuen Verhalten zu veranlassen.
Soweit die Gläubigerin auf die Rechtsprechung zur parallelen Geltendmachung von
Ordnungsmitteln einerseits und Vertragsstrafen andererseits hinweist, handelt es sich
um eine abweichende Problematik, die sich auf die vorliegende Fragestellung nicht
übertragen lässt: die Verwirkung einer Vertragsstrafe belegt, dass die ihr
zugrundeliegende Unterlassungserklärung tatsächlich die Wiederholungsgefahr und
damit den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nicht beseitigt hat. Um diese
Fragestellung geht es indes im vorliegenden Verfahren nicht, weswegen es für die
Entscheidung auch ohne Bedeutung ist, dass die Schuldnerin durch die beanstandete
Werbung zusätzlich auch eine Vertragsstrafe verwirkt und ausweislich ihres
unwidersprochenen Vortrags im Beschwerdeverfahren auch bezahlt hat
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Ebenso ohne Erfolg trägt die Gläubigerin vor, sie sei deswegen zur Erlangung des
zweiten Titels befugt gewesen, weil unklar gewesen sei, ob der abgewandelte
Internetauftritt unter das erste Verbot falle. Nachdem die Schuldnerin sich auf ihre
Abmahnung hin mit Schreiben vom 8.3.2001 (Anlage Ast 9 = Bl.94 f) der Sache nach auf
den Standpunkt gestellt habe, dem Gebot in der einstweiligen Verfügung
nachgekommen zu sein, sei sie berechtigt gewesen, diese Frage im Eilverfahren klären
zu lassen. Hierfür sei das kontradiktorische Bestrafungsverfahren wegen seiner
längeren Dauer nicht geeignet gewesen.
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Der bloße Umstand, dass ein zweites, erneut einseitig geführtes Erkenntnisverfahren
dem Gläubiger regelmäßig schneller als ein Bestrafungsantrag eine rechtliche
Handhabe gegen den Schuldner verschaffen mag, stellt keine Rechtfertigung für ein
zweites Verbot einer Handlung dar, die dem Schuldner bereits gerichtlich verboten
worden ist. Es lässt sich allerdings nicht von der Hand weisen, dass die oben
angesprochene Grenzziehung angesichts der regelmäßig erforderlichen Wertungen
praktisch schwierig sein kann. Zumindest in Grenzfällen läuft der Gläubiger
möglicherweise Gefahr, durch die Wahl des falschen Weges Rechtsnachteile zu
erleiden. Es mag auch nahe liegen, in Zweifelsfällen angesichts des
Dringlichkeitserfordernisses der einstweiligen Verfügung zunächst eine solche zu
beantragen. Es mag schließlich in Betracht kommen, dabei die Frage der
Rechtskrafterstreckung - wie von Teplitzky (a.a.O., RZ 16 c FN 39) vorgeschlagen -
großzügig zu behandeln (kritisch Pastor/Ahrens, a.a.O. RZ 113). All diese Fragen hat
der Senat indes im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Denn die Gläubigerin
hat durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sie wegen der Werbung vom
5.3.2001 nicht zusätzlich aus dem ersten Titel gegen die Schuldnerin vorgehen werde.
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Angesichts des Umstandes, dass aus den vorstehend dargelegten Gründen nur eines
der beiden in Betracht kommenden Sanktionsmittel im Ergebnis erfolgreich sein kann,
ist es dem Schuldner verwehrt, zunächst den Weg der einstweiligen Verfügung zu
gehen und erst nach Annahme einer Abschlusserklärung zusätzlich den
Bestrafungsantrag aus dem ersten Titel zu stellen. Das gilt auch dann, wenn die
Verletzungshandlung tatsächlich in den Kernbereich des ersten Titels fällt und die
zweite einstweilige Verfügung daher zu Unrecht ergangen ist, wie dies nach Auffassung
des Senats im vorliegenden Verfahren der Fall ist. Wenn die Gläubigerin der -
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zutreffenden - Auffassung war, es liege ein Verstoß gegen den ersten Titel vor, hätte sie
nicht den ihr danach objektiv nicht zustehenden und nach ihrem Vorbringen zur
Absicherung für den Fall einer abweichenden Auffassung der zuständigen Gerichte
erwirkten zweiten Titel vor dem Beginn der Vollstreckung durch Annahme der
Abschlusserklärung bestandskräftig werden lassen dürfen. Denn so bestünde im Falle
des Erfolgs des Bestrafungsantrages keine Möglichkeit mehr, die einstweilige
Verfügung zu beseitigen, zumal die Abschlusserklärung einen vorbehaltlosen Verzicht
auch auf die Rechte aus § 927 ZPO enthielt.
Vor diesem Hintergrund stellt sich das Verhalten der Gläubigerin aus der maßgeblichen
Sicht der Schuldnerin als Verzicht auf ein mögliches Bestrafungsverfahren dar. Die
Gläubigerin hat zunächst mit Schreiben vom 5.3.2001 (Anlage AST 8 = Bl.89 ff)
abgemahnt und dabei weder den ersten Titel, noch die von ihr angenommen
Vollstreckungsmöglichkeit aus jenem Titel angesprochen. Demzufolge ist auch die
Schuldnerin in ihrer schon erwähnten Antwort vom 8.3.2001 (Anlage AST 9 = Bl.94 f)
und der von ihr hinterlegten, aus der Anlage AST 10 (= Bl.96 ff) ersichtlichen
Schutzschrift auf den ersten Titel nicht eingegangen und hat lediglich die Auffassung
vertreten, auf die Fundstelle in ausreichender Weise hingewiesen zu haben. Nach
Erlass des zweiten Titels hat die Schuldnerin, ohne dass die Gläubigerin zuvor die
Anstrengung eines Vollstreckungsverfahrens angekündigt hatte, eine
Abschlusserklärung abgegeben, die die Gläubigerin sodann vorbehaltlos angenommen
hat. In diesem Verhalten der Gläubigerin liegt konkludent der Verzicht, nicht auch noch
aus dem Titel gegen die Schuldnerin vorzugehen. Denn die Schuldnerin wusste von
dem ersten Verfahren und musste aus dem Vorgehen der Gläubigerin entnehmen, dass
diese unter Zugrundelegung der Auffassung, es handele sich um einen von dem ersten
Titel nicht erfassten Wettbewerbsverstoß, nicht auch noch aus jenem Titel vorgehen
würde. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Annahme der Abschlusserklärung, die
es unmöglich machte, nach erfolgreichem Bestrafungsverfahren den der Gläubigerin
nicht zustehenden zweiten Titel zu beseitigen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
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Beschwerdewert: 10.000 DM.
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Nachdem das Landgericht für den in der Werbung vom 18.4.2001 liegenden Verstoß
unbeanstandet ein Ordnungsgeld von 5.000 DM festgesetzt hat, schätzt der Senat
mangels näherer Angaben der Gläubigerin zur Höhe des beantragten weiteren
Ordnungsmittels deren Interesse an der Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes
auf den vorstehenden Betrag.
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