Urteil des OLG Köln vom 03.02.1999

OLG Köln (kläger, operation, auf lebenszeit, plastische operation, eingriff, behandlungsfehler, verjährung, haftung, aufklärung, ursache)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 118/98
Datum:
03.02.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 118/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 160/93
Schlagworte:
Arzthaftung
Normen:
BGB § 823
Leitsätze:
Die wunschgemäße Durchführung einer Schönheitsoperation (hier:
Korrektur abstehender Ohrmuscheln) stellt sich nicht (schon) deshalb als
Behandlungsfehler dar, weil bei Anlegung eines objektiven Maßstabs
("Normalempfinden eines Durchschnittsmenschen") eine Korrektur des
vom Patienten als störend empfundenen Zustands nicht angezeigt
erscheint. Anderes kann gelten, wenn der Patient erkennbar unter einer
psychischen Störung leidet, die Ursache für den Operationswunsch ist.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 22. April 1998 verkündete
Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 160/93 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem
Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger stehen die mit der
Berufung noch geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche wegen der am
17.07.1989 vom Beklagten zu 1) in der Klinik der Beklagten zu 2) durchgeführten
plastischen Ohrenoperation gemäß §§ 823 Abs. 1 Satz 1, 847 BGB nicht zu.
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1.
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Deliktische Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 1)
kommen, wie das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen festgestellt hat, schon
deshalb nicht in Betracht, weil dieser, was mittlerweile unstreitig ist, als Beamter auf
Lebenszeit gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nur haftet, wenn dem Kläger ein anderer
Ersatzpflichtiger nicht zur Verfügung steht. Diese Haftungsvoraussetzung ist vorliegend
nicht erfüllt, denn der Kläger ist grundsätzlich nicht gehindert, seine Ansprüche auf
Ersatz immateriellen Schadens gegenüber der Beklagten zu 2) geltend zu machen, die
im Rahmen der deliktischen Haftung für eventuelle Behandlungsfehler oder
Aufklärungsversäumnisse des Beklagten zu 1) nach § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB
einzustehen hätte. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Haftung für den
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Verrichtungsgehilfen nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen sein könnte,
bestehen nicht. Die Beklagte zu 2) hat vielmehr von der Möglichkeit der Führung des
Entlastungsbeweises keinen Gebrauch gemacht.
Allein der Umstand, dass Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2)
möglicherweise verjährt sind, bedeutet hingegen nicht, dass der Kläger "nicht auf
andere Weise Ersatz zu verlangen vermag" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Abzustellen ist im Rahmen dieser Vorschrift vielmehr darauf, ob die Möglichkeit der
Inanspruchnahme eines Dritten für den Verletzten überhaupt einmal bestanden hat.
Wenn er sich selbst dieser Möglichkeit durch Verjährenlassen begibt, so entfällt
hierdurch das Haftungsprivileg des Beamten nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht (vgl.
Palandt-Heinrichs, 58. Aufl., § 839 BGB Rdnr. 57 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
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2.
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Auch die Beklagte zu 2) ist nicht verpflichtet, dem Kläger nach Maßgabe der §§ 823
Abs. 1 Satz 1, 847 BGB ein Schmerzensgeld zu leisten. Eine derartige Verpflichtung
ergibt sich weder aus einem Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) bei der
Durchführung der Operation vom 17.07.1989, noch daraus, dass der Beklagte zu 1) die
gebotene Aufklärung des Klägers über die Risiken des von diesem gewünschten
operativen Eingriffs oder das Nichtbestehen einer medizinischen Indikation für die
gewünschte kosmetische Veränderung schuldhaft unterlassen hätte.
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a)
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Der Senat vermag zunächst einen Verstoss gegen die dem Beklagten zu 1)
obliegenden ärztlichen Sorgfaltspflichten nicht darin zu erkennen, dass dieser die vom
Kläger ausdrücklich gewünschte plastische Operation an den Ohrmuscheln überhaupt
ausgeführt hat, obwohl für eine solche kosmetische Korrektur nach objektiven
Maßstäben keine Indikation bestand. Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang
darauf, Ursache für seinen Operationswunsch sei - für den Beklagten erkennbar - eine
psychologische Fehlhaltung gewesen. Unter diesen Umständen habe der Beklagte zu
1) die Operation ablehnen müssen. Diese erstmals im Berufungsverfahren erhobene
Argumentation überzeugt nicht.
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Dies gilt zunächst bereits hinsichtlich der Bezugnahme des Klägers auf das - zu einer
anders gelagerten Beweisfrage - erstattete Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. G.
vom 02.05.1996 (Bl. 219 ff, insbesondere Bl. 230, 235 d.A.). Zwar hat der
Sachverständige dort ausgeführt, die Korrekturwünsche des Klägers vor der Operation
vom 17.07.1989 seien für ihn "nur schwer nachzuvollziehen", da er auf den in der
Gerichtsakte vorhandenen, den Zustand der Ohren des Klägers vor der
streitgegenständlichen Operation dokumentierenden Lichtbildern eine Abnormität des
Erscheinungsbildes nicht feststellen könne. An anderer Stelle hat der Sachverständige
ausgeführt, der Beklagte zu 1) hätte dem Kläger besser von der gewünschten operativen
Korrektur abraten sollen. Aus den Feststellungen des Sachverständigen ergibt sich
jedoch zum einen eindeutig, dass dieser in dem diesbezüglichen Verhalten des
Beklagten zu 1) keineswegs einen Behandlungsfehler sieht. Im übrigen muss aber auch
bereits zweifelhaft erscheinen, ob die dem Sachverständigen zur Verfügung stehenden
Lichtbilder betreffend den präoperativen Zustand der Ohren des Klägers überhaupt eine
hinreichend sichere Beurteilungsgrundlage darstellten, denn auf diesen Lichtbildern
(vgl. Bl. 46, 47 des Anlagenhefts) sind Einzelheiten der Ohrmuschel des Klägers
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überhaupt nicht zu erkennen.
Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) bestehen demnach
nicht. Nicht jeder aus objektiver Sicht nicht indizierte plastische Eingriff stellt
zwangsläufig einen Behandlungsfehler des Operateurs mit der Folge einer deliktischen
Haftung dar. Dies ist auch der vom Kläger zitierten Entscheidung des
Oberlandesgerichts Düsseldorf (AHRS, KZA.2420/2) nicht zu entnehmen. Gerade bei
Schönheitsoperationen beruht der Operationswunsch des Patienten vielfach auf dessen
höchstpersönlichem ästhetischen Empfinden. Das, was von einer Vielzahl von
Menschen als normal oder jedenfalls akzeptabel hingenommen wird, kann dem
Einzelnen missfallen und ihn unter Umständen sogar sehr belasten. Angesichts dessen
wäre es verfehlt, vom plastischen Chirurgen zu verlangen, dass er in all diesen Fällen
eine Operation von vornherein unterlässt. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn eine
Besserung des von dem Patienten beklagten Zustandes von vornherein medizinisch
ausgeschlossen erscheint (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). In einem solchen Fall darf eine
Operation, beispielsweise aus rein psychologischen Gründen, gegebenenfalls nur nach
vorheriger Hinzuziehung psychologischer oder psychiatrischer Hilfen durchgeführt
werden.
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Gleiches mag dann gelten, wenn der Patient für den Behandler erkennbar unter einer
psychischen Störung leidet, die Ursache für den Operationswunsch ist (vgl. OLG
Düsseldorf a.a.O.).
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Die genannten Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers jedoch nicht vor. Dieser
beruft sich zwar darauf, Ursache seines Operationswunsches sei allein eine psychisch
bedingte Fehlvorstellung gewesen. Seinem Vortrag lässt sich aber nicht entnehmen,
dass dies für den Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt der Durchführung der Operation auch
erkennbar war. Allein die Darlegung, dass aus objektiver Sicht eine Missbildung der
Ohren des Klägers damals nicht vorgelegen habe, reicht in diesem Zusammenhang
nicht aus.
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Dem Vortrag des Klägers ist auch nicht zu entnehmen, dass der Eingriff von vornherein
zum Scheitern verurteilt war. Der Kläger trägt in der Klageschrift selbst vor, dass er dort
genau bezeichnete Änderungen des Erscheinungsbildes seiner Ohren wünschte. Dass
diese objektiv durch den vorgenommenen Eingriff von Anfang an nicht hätten erreicht
werden können, ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers, aber auch aus dem Ergebnis
des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht. Selbst wenn als richtig unterstellt
wird, dass die Ohren des Klägers aus objektiver ästhetischer Sicht keiner Änderung
bedurften, bedeutet dies nicht zwingend, dass die vom Kläger vorgetragenen
Änderungswünsche von vornherein nicht erfüllt werden konnten. Aus diesem
Sachverhalt lassen sich Schadensersatzansprüche des Klägers demnach nicht
herleiten.
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b)
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Die Beklagte zu 2) ist aber schließlich auch nicht deshalb zur Leistung von
Schmerzensgeld verpflichtet, weil der Beklagte zu 1) vor dem operativen Eingriff eine
objektiv gebotene medizinische Aufklärung des Klägers unterlassen hat.
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Zunächst ergibt sich bereits aus der von den Beklagten zu den Akten gereichten
Einverständniserklärung des Klägers vom 14.07.1989 (Bl. 65 d.A.), dass dieser vor der
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Operation über das Risiko von Blutungen, Entzündungen, einer Missbildung des Ohrs
sowie eines Misserfolges des geplanten plastischen Eingriffs aufgeklärt worden ist.
Angesichts dieser eindeutigen und unmissverständlichen schriftlichen Erklärung, die
vom Kläger unstreitig persönlich unterzeichnet worden ist, ist sein bloß pauschaler
Vortrag, eine solche Aufklärung habe nicht stattgefunden, als unzureichend und damit
unbeachtlich anzusehen.
Im Ergebnis kann eine Haftung der Beklagten auch nicht daraus hergeleitet werden,
dass der Beklagte zu 1) - was unstreitig ist - den Kläger vor dem Eingriff nicht
ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass aus objektiver Sicht überhaupt keine
Indikation für den gewünschten Eingriff bestand.
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Zum einen erscheint bereits zweifelhaft, ob eine Verpflichtung zu derartiger Aufklärung
überhaupt bestand, denn die Behauptung des Klägers, das Erscheinungsbild seiner
Ohren habe auch vor dem Eingriff keiner Korrektur bedurft, kann - wie bereits ausgeführt
- auch in Ansehung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G. wegen der nur
beschränkten Aussagekraft der diesem und dem Gericht zur Verfügung stehenden
Dokomentation des präoperativen Zustands der Ohren des Klägers nicht als bewiesen
angesehen werden.
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Darüberhinaus wären eventuelle deliktische Schadensersatzansprüche des Klägers
aus einem solchen Aufklärungsversäumnis aber auch gemäß § 852 BGB verjährt. Die
dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB beginnt im Falle der Verletzung von
Aufklärungspflichten erst dann zu laufen, wenn dem Geschädigten die Tatsachen
bekannt sind, aus denen sich die besondere Aufklärungspflicht ergibt (vgl. OLG Köln,
VersR 88, 745 und OLG Düsseldorf, VersR 86, 1193 f, 1194). Grundsätzlich begann die
Verjährung der Ansprüche wegen eines solchen Aufklärungsversäumnisses somit erst
dann, wenn dem Kläger bekannt war, dass der Zustand seiner Ohren aus objektiver
Sicht nicht zu beanstanden war. Dies war nach der Darstellung des Klägers erst nach
Kenntnisnahme von dem Gutachten des Sachverständigen Prof. G. im vorliegenden
Verfahren der Fall. Zu beachten ist jedoch, dass im Falle von
Aufklärungsversäumnissen dem Geschädigten grundsätzlich zuzumuten ist, sein
Wissen durch einfache zumutbare Maßnahmen zu vervollständigen, wobei diese Pflicht
dann wesentlich verstärkt ist, wenn einmal ein Schaden eingetreten ist (vgl. OLG
Düsseldorf, a.a.O., Seite 1194). Unterlässt der Geschädigte diese zumutbaren
Anstrengungen, so muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die Kenntnis von der
Aufklärungspflichtsverletzung schon im Zeitpunkt des Abschlusses der
Schadensentwicklung gehabt (BGH VersR 76, 293). So liegt der Fall hier. Dem Kläger
war nach seinem eigenen Vorbringen schon am 17.08.1989 bekannt, dass das Ergebnis
des Eingriffs nicht seinen Vorstellungen entsprach. Wie sich aus seinem
Klagevorbringen ergibt, beanstandet er von Anfang an auch die Verletzung einer
Aufklärungspflicht durch den Beklagten zu 1). Unter diesen Umständen ist der Beginn
der Verjährungsfrist für eine Aufklärungspflichtverletzung im oben dargestellten Sinne
ebenfalls mit dem 17.08.1989 anzunehmen, denn dem Kläger war es jedenfalls bei
zumutbarer Anstrengung ohne weiteres möglich zu erkennen, dass seine Ohren von
Anfang an aus objektiver Sicht keiner Korrektur bedurften. Eventuelle
Schadensersatzansprüche des Klägers aus diesem Gesichtspunkt gegenüber der
Beklagten zu 2) waren daher zum Zeitpunkt der diesbezüglichen Klageerweiterung,
mithin am 29.04.1994, gemäß § 852 Satz 1 BGB verjährt.
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Die Hemmung der Verjährung durch Anrufung der Gutachterkommission ist, wie das
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Landgericht zutreffend ausgeführt hat, allenfalls im Verhältnis des Klägers zu dem
Beklagten zu 1) eingetreten. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Erwägungen
in dem angefochtenen Urteil Bezug. Für die Richtigkeit des vom Landgericht
eingenommenen Rechtsstandpunktes spricht weiterhin folgender maßgeblicher
Gesichtspunkt: Der Beklagte zu 1) hat auf eine an ihn gerichtete Aufforderung des
Klägers auf die Erhebung der Einrede der Verjährung ausdrücklich verzichtet. Dies hat
hingegen die Beklagte zu 2) nicht getan, obwohl ein gleichlautendes Schreiben vom
Kläger bzw. dessen Bevollmächtigten auch an sie gerichtet worden ist. Bei dieser
Sachlage liegt es auf der Hand, dass sowohl der Kläger, als auch die Beklagten von
einer Selbständigkeit beider Beklagter im Hinblick auf den jeweiligen Lauf der
Verjährungsfrist bzw. die Hemmung dieser Frist durch Verhandlungen über den
Streitgegenstand oder die Anrufung der Gutachterkommission ausgegangen sind. Es
besteht mithin keine Veranlassung, die durch die Anrufung der Gutachterkommission
durch den Kläger eingetretene Hemmung der Verjährung gemäß § 208 BGB auch auf
das Verhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) zu erstrecken.
Die Berufung war demnach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Streitwert im Berufungsverfahren und Beschwer für den Kläger: 7.000,00 DM
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