Urteil des OLG Köln vom 18.06.1993

OLG Köln (einstweilige verfügung, tatsächliche vermutung, teil, verbraucher, uwg, anzeige, ankündigung, möbel, gegenstand, gefahr)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 2/93
Datum:
18.06.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 2/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 434/92
Schlagworte:
Wettbewerb; Irreführung; Werbung f Ausstellungsstücke bei Möbeln;
Werbung f Auslaufmodelle bei Möbeln
Normen:
UWG § 3
Leitsätze:
Eine Zeitungsanzeige für Einrichtungsgegenstände und Möbel mit der
vorangestellten Ankündigung "Diese speziellen Einzelposten als
Ausstellungsstücke und Auslaufmodelle..." (es folgen sodann zahlreiche
Einzelpositionen mit Preisangabe) ist irreführend, wenn bei den so
beworbenen Produkten des Möbel- und Einrichtungseinzelhandels nicht
jeweils klargestellt wird, bei welchen es sich um "Ausstellungsstücke"
und bei welchen um "Auslaufmodelle" handelt. Die Bezeichnungen
"Ausstellungsstücke" und "Auslaufmodelle" lösen auch auf diesem
Angebotssektor beim Käuferpublikum Vorstellungsinhalte mit je
eigenem Kaufanreiz aus.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 17. November 1992
verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O
434/92 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der
Antragsgegnerin auferlegt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung vom 7. August 1992 im Ergebnis zu
Recht bestätigt. Dem Antragsteller steht gegenüber der Antragsgegnerin der geltend
gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu. Die
Werbeankündigung "Diese speziellen Einzelposten als Ausstellungsstücke und
Auslaufmodelle... " ist in der konkreten Form der bean-standeten Werbung vom 29. Juli
1992 - wie in der einst-weiligen Verfügung vom 7. August 1992 wiedergegeben -
irreführend im Sinne von § 3 UWG, da diese Angaben für eine Vielzahl der in dieser
Anzeige beworbenen Produkte ohne Hinweis, bei welchem der angebotenen Waren
es sich um "Ausstellungsstücke" oder um "Auslaufmodelle" han-delt, zumindest unklar
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und mißverständlich und so ge-eignet sind, bei den angesprochen Verkehrskreisen
rele-vante Fehlvorstellungen hervorzurufen.
Ein nicht unbeachtlicher Teil der Verbraucher sieht bei Einrichtungsgegnständen und
Möbeln in dem Angebot von "Auslaufmodellen" zu niedrigeren als den üblichen
Verkaufspreisen viel eher einen Kaufanreiz als bei dem Angebot entsprechend
reduzierter "Ausstellungstücke". Während nach dem allgemeinen Verständnis bei
"Auslauf-modellen" unbeschädigte, noch nicht benutzte oder ange-schmutzte Waren
erwarten werden - gleichgültig ob sie originalverpackt sind oder nicht -, handelt es sich
bei "Ausstellungstücken" jedenfalls um ausgepackte Waren, die schon einige Zeit im
Geschäftslokal jedem Kunden zugänglich ausgestellt waren und dadurch aufgrund von
Vorführung, Benutzung der Gegenstände durch interes-sierte Kunden und allgemein
durch Umwelteinwirkungen in typischer Weise verschmutzt oder möglicherweise auch
leicht beschädigt sind. Entsprechend wird ein nicht unbeachtlicher Teil der
angesprochenen Verkehrskreise sich von der Ankündigung, daß "Auslaufmodelle",
also unbeschädigte, nicht verschmutzte und nicht gebrauchte
Einrichtungsgegenstände günstig angeboten werden, be-sonders angesprochen
fühlen.
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Dies gilt vor allem bei den von der Antragsgegnerin beworbenen Möbelstücken.
Einrichtungsgegenstände allge-mein und insbesondere Wohnmöbel, die überwiegend
in der streitgegenständlichen Anzeige beworben werden, dienen häufig als
Prestigeobjekte. Verschmutzungen oder gar leichte Beschädigungen werden deshalb
bei derartigen Gegenständen vielfach als besonders störend empfunden, weil der
optische Eindruck für eine Vielzahl der Ver-braucher nicht unerheblich für den
Kaufentschluß ist.
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Anders als bei anderen Produkten, z.B. der Elek-troindustrie (vgl. hierzu Senatsurteil
vom 5.O3.1993 - 6 U 115/92 -) oder bei Skiern (vgl.BGH GRUR 1982, 374 ff. "Ski-
Auslaufmodelle" ), bei denen "Auslaufmo-delle" schon deshalb nicht den vollen
Preisvorteil bieten, weil sie technisch nicht auf dem neuesten Stand sind, spielt dies
bei Möbeln und Einrichtungsgegenstän-den eine nicht so entscheidene Rolle, da
Möbel nicht in zeitlich kurzen Abständen technische Neuerungen erfahren oder
geschmacklichen Änderungen unterliegen und damit nicht so schnell überholt sind wie
andere Gebrauchsgüter. Schon aus diesen Gründen wird der Ver-braucher, der ein
preisgünstiges Objekt erwerben will, sich bei Einrichtungsgegenständen und Möbeln
von der Ankündigung "Auslaufmodelle" in besonderer Weise ange-sprochen fühlen.
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Wird aber bei den einzelnen Einrichtungsgegenständen, deren genauere
Beschreibung und deren Preis in der konkret angegriffenen Werbeanzeige genannt
sind, nicht im einzelnen kenntlich gemacht, daß es sich um ein "Ausstellungstück"
oder um ein "Auslaufmodell" handelt, so geht der flüchtige Verbraucher bei dem ihn
interes-sierenden Möbelstück aufgrund der generellen Anpreisung zunächst -
entsprechend seiner Wunschvorstellung - da-von aus, daß es sich bei diesem
Gegenstand gerade um ein unbeschädigtes, unbenutztes und nicht verschmutztes
Möbelstück handelt. Dies ist jedoch nicht bei allen so beworbenen
Einrichtungsgegenständen der Fall, da sich unter den einzelnen in der
streitgegenständlichen Wer-beanzeige aufgeführten Produkten unstreitig auch "Aus-
stellungsstücke" befinden, die diese Vorzüge nicht auf-weisen.
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Aus diesem Grunde ist es auch gleichgültig, ob es sich bei den beworbenen
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Gegenständen teils um Ausstellungs-stücke und teils um Auslaufmodelle handelt, die
bisher noch nicht ausgestellt worden sind, oder ob alle "Aus-laufmodelle" schon als
Ausstellungstücke gedient haben. In beiden Fällen wird der flüchtige Leser der streit-
gegenständlichen Anzeige bei dem ihn interessierenden Möbelstück zunächst davon
ausgehen, daß es sich um ei-nen nicht benutzten und nicht angeschmutzten
Gegenstand handelt. Waren aber alle beworbenen Gegenstände bereits
Ausstellungsstücke, so wird der Verbraucher in jedem Fall getäuscht. Befanden sich
unter den angepriesenen Einrichtungsgegenständen auch solche, die nicht als
Ausstellungstücke gedient haben, so wird der Verbrau-cher, der - wie oben dargelegt -
seinem Wunschdenken entsprechend davon ausgeht, daß der ihn interessierende
Einrichtungsgegenstand unbenutzt und nicht angeschmutzt ist, dann getäuscht, wenn
es sich - was auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin bei den so beworbenen
Gegenständen der Fall ist - um ein "Ausstellungsstück" handelt.
Es besteht somit in beiden Fällen die Gefahr, daß die Werbeanzeige in ihrer konkreten
Form einen nicht unerheblichen Teil der Verbraucher über die wahre Beschaffenheit
des den jeweiligen Kunden interessieren-den beworbenen Möbelstücks täuscht, wenn
nicht diese Gegenstände besonders als "Ausstellungstücke" oder als
"Auslaufmodelle" gekennzeichnet oder unter bestimmten Rubriken mit den
Überschriften "Ausstellungstücke" oder "Auslaufmodelle" in der Werbeanzeige
aufgeführt werden.
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Diese Verbrauchervorstellungen und deren wettbewerbs-rechtliche Relevanz kann der
Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, -in
Übereinstimmung mit dem Landgericht - aus eigener Le-benserfahrung und
Sachkunde beurteilen.
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Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, die konkrete Anzeige sei so
gestaltet, daß bereits eine ge-wisse tatsächliche Vermutung dafür spräche, daß es sich
bei den in der rechten Spalte oben besonders umrahmten Artikeln - nämlich Leuchten
und Flutern -nicht um "Aus-stellungstücke" sondern um "Auslaufmodelle" handele,
während die übrigen angepriesenen Gegenstände sich als "Ausstellungsstücke"
präsentierten, so wird dies zumin-dest vom flüchtigen Leser nicht erkannt werden
können. Abgesehen davon, daß die streitgegenständliche Anzeige für diese
Vermutung keine Anhaltspunkte gibt, ist auch die Schlußfolgerung, daß Möbel
üblicherweise ausge-stellt würden, während man dies von Lampen nicht erwar-te,
nicht überzeugend. Auch Leuchten und Fluter können durchaus als
"Ausstellungstücke" beworben und verkauft werden, da auch diese Geräte durch
ständige Benutzung in ihrem Wert gemindert und durch längeres Ausstellen in
Verkaufsräumen aufgrund von Lichteinwirkung und son-stigen Umwelteinflüssen in
ihrem Aussehen unansehnli-cher werden.
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Auch die Tatsache, daß sich in der angegriffenen An-zeige die beiden Ankündigungen
"Ausstellungstücke" und "Auslaufmodelle" befinden, ändert an dieser Beurteilung
nichts. Zwar hat die Antragsgegnerin damit ingesamt nichts falsches angekündigt; die
angegriffene Werbean-zeige hinterläßt aber in ihrer konkreten Form ein be-achtliches
Informationsdefizit. Es gilt zwar der Grund-satz, daß der Werbende, der sich nur mit
eigener Ware befaßt, nicht zur vollständigen Aufklärung über seine Ware verpflichtet
ist, so daß sich der Verkehr nur auf positive Aussagen verlassen muß (BGH GRUR
1964, 269, 271 - "Grobdessin" m.w.N.; so auch die von der Antrags-gegnerin zitierte
Entscheidung OLG Düsseldorf WRP 1988, 742, 743). Etwas anderes gilt aber dann,
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wenn der Wer-bende etwas verschweigt, obwohl ihn eine Aufklärungs-pflicht trifft und
durch die Unvollständigkeit der Wer-bung die konkrete Gefahr der Täuschung der
angesproche-nen Verkehrskreise begründet wird (OLG Köln WRP 1984, 1O7, 1O9;
OLG Frankfurt WRP 1982, 98, 99). Eine Aufklä-rungspflicht ist dann gegeben, wenn
die verschwiegene Tatsache nach der Auffassung des Publikums wesentlich, also den
Kaufentschluß zu beeinflußen geeignet ist (BGH GRUR 1982, 374, 375, -"Ski-
Auslaufmodelle"). Daß es bei einem nicht unbeachtlichen Teil der Verbraucher gera-
de bei Möbeln und Einrichtungsgegenständen besonders darauf ankommt, einen aus
optischen Gesichtspunkten einwandfreien Gegenstand zu erwerben, ist bereits oben
dargelegt. Insofern ist es für den Verbraucher auch kaufentscheidend, ob er tatsächlich
ein unbeschä-digtes, unbenutztes und nicht verschmutztes "Auslauf-modell" oder
lediglich ein - wenn auch nur leicht - beschädigtes Modell oder ein mehrfach benutztes
und angeschmutztes "Ausstellungsstück" zu einem günstigeren Preis erwerben kann.
Die konkrete Gefahr der Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise wird dadurch
begrün-det, daß die Antragsgegnerin auch mit der Ankündigung "Auslaufmodelle"
wirbt, ohne dabei kenntlich zu machen bei welchen der so beworbenen
Einrichtungsgegenstände es sich "nur" um Ausstellungstücke handelt. Bei einem nicht
unbeachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrs-kreise wird dadurch die irrige
Vorstellung hervorgeru-fen, daß alle angebotenen Produkte, unbenutzt und nicht
verschmutzt seien und sich damit von anderen reduzier-ten "Ausstellungsstücken"
qualitativ nicht unwesentlich unterscheiden, solange nicht Produkte, die tatsächlich
"Ausstellungsstücke" sind, auch tatsächlich in der Wer-beanzeige kenntlich gemacht
sind. Da diese Kenntlichma-chung in der beanstandeten Werbeanzeige fehlt, ist die
Anzeige insgesamt geeignet, die angesprochene Verbrau-cher über die Eigenschaften
der so beworbenen Produkte zu täuschen.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin stehen diese Feststellungen auch nicht
im Widerspruch zu der von ihr in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zitierten
Entscheidung des OLG Düsseldorf (WRP 1988, 742 ff.) da auch nach dieser
Entscheidung eine Irrefüh-rung im Sinne des § 3 UWG bejaht wird, wenn die Unvoll-
ständigkeit der Werbeanzeige eine bestimmte Erwartung bei einem nicht
unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise erzeugt und das angebotene
Produkt die-ser Erwartung tatsächlich nicht entspricht. Wie bereits dargelegt erzeugt
aber die streitgegenständliche Wer-bung der Antragsgegnerin bei einem nicht
unerheblichen Teil der angesprochen Verkehrskreise die Erwartung, daß der den
jeweiligen Verbraucher interessierende Gegen-stand entsprechend seiner
Wunschvorstellung ein "Aus-laufmodell" ist, während es sich bei einer Vielzahl der
angebotenen Einrichtungsgegenstände um "Ausstellungs-stücke" handelt. Diese
bestimmte Erwartungshaltung wird auch nicht -wie dargelegt - durch den Hinweis "als
Aus-stellungsstücke und Auslaufmodelle" ausgeräumt.
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Da somit bereits ein Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG begründet ist, kann es
dahinstehen, ob darüber hinaus auch ein Unterlassungsbegehren aus § 1 UWG
gerechtfer-tigt ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig, § 545 Abs. 2 ZPO.
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