Urteil des OLG Köln vom 08.04.2003

OLG Köln: unterbrechung der verjährung, versicherer, versicherungsnehmer, vollmacht, versicherungsvertrag, sachwalter, vertreter, zugang, stillstand, vollstreckbarkeit

Oberlandesgericht Köln, 9 U 123/02
Datum:
08.04.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 123/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 0 36/01
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 03.06.2002 verkündete Urteil
der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 36/01 -
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das
Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.
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1. Ein Anspruch auf Entschädigung steht der Klägerin auf Grund der Speditions-
Versicherung wegen der Forderungsausfälle im Hinblick auf die verauslagte
Einfuhrumsatzsteuer für ihren Kunden gegen die Beklagte nicht zu.
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Die Entschädigungsforderung der Klägerin ist gemäß den §§ 12 Abs. 1 VVG, 222 BGB
verjährt.
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a) Die zweijährige Verjährungsfrist nach § 12 Abs. 1 VVG hat mit dem Ende des Jahres
1992 zu laufen begonnen. Maßgebend ist hierbei die Fälligkeit des Anspruchs (vgl.
Römer im Römer/Langheid, VVG, 2.Aufl., § 12, Rn. 8). Diese war gegeben, nachdem
1992 die Forderungen gegenüber dem Kunden E ausgefallen waren.
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Wenn man davon ausgeht, dass jedenfalls durch das Schreiben der Klägerin vom
20.12.1994 an die Versicherungsmaklerin mit der Bitte um Mitteilung an den
Führungsversicherer der Anspruch angemeldet war, so ist Hemmung eingetreten. Ist
nämlich ein Anspruch des Versicherungsnehmers bei dem Versicherer angemeldet, so
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ist nach § 12 Abs. 2 VVG die Verjährung bis zum Eingang der schriftlichen
Entscheidung des Versicherers gehemmt. Es muss sich um eine eindeutige,
abschließende Stellungnahme des Versicherers zu Grund und Umfang der
Leistungspflicht handeln (vgl. Römer, a.a.O., § 12, Rn. 24). Die Entscheidung bedarf
keiner Belehrung und keiner Begründung.
In diesem Sinne kann der Widerspruch der Beklagten vom 25.04.1996 gegen den
Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids als ablehnende Entscheidung des Versicherers
gewertet werden. Der objektive Erklärungswert dieser Handlung ist, dass der
Versicherer dem Anspruch insgesamt widersprechen will. Der verständige
Versicherungsnehmer erkennt, dass der Versicherer, der gegen einen Mahnbescheid,
mit dem die Entschädigungsforderung geltend gemacht wird, Widerspruch erhebt, die
Leistung ablehnt.
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b) Die Leistungsablehnung ist auch an den richtigen Empfänger gelangt. Empfänger des
Bescheides muss der Versicherungsnehmer sein, wenn er Anspruchsinhaber ist (vgl.
Römer, a.a.O., § 12 , Rn. 26). Ein Widerspruch ist zwar nach § 694 ZPO
Prozesshandlung und Rechtsbehelf (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., §
694, Rn 1). Adressat ist in erster Linie das Gericht. Nach § 695 ZPO muss aber der
Antragsteller vom Widerspruch in Kenntnis gesetzt werden. Empfänger dieser Erklärung
ist der Antragsteller oder bei Vertretung der Prozessbevollmächtigte (vgl. Hüßtege,
a.a.O., § 695, Rn. 2). So liegt es im vorliegenden Fall. Die Mitteilung über den
Widerspruch ist am 09.05.1996 bei dem Prozessbevollmächtigten erster Instanz der
Klägerin eingegangen (Bl. 5 GA).
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Dass eine Willenserklärung einer Partei durch das Gericht vermittelt wird, ist der
Rechtsordnung nicht fremd. So genügt im Mietrecht die Klageschrift der Form der
Kündigung (vgl. Weidenkaff in Palandt, BGB, 61. Aufl., § 568, Rn. 6 mit weiteren
Nachweisen).
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c) Verhandlungen nach ablehnender Entscheidung des Versicherers hemmen den
Ablauf der Verjährung, wenn der Versicherer zu erkennen gibt, dass er die
Entscheidung nicht aufrechterhalten will (vgl. OLG Hamm, r+s 2001, 445; Prölss in
Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 12, Rn 18). Soweit die Klägerin vorträgt, es habe eine
Verhandlung mit der Maklerin, der N Makler GmbH, mit dem Ergebnis eines
Stillhalteabkommens stattgefunden, ändert dies nichts. Der Makler ist grundsätzlich
Vertreter und Sachwalter des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsmakler kann
allerdings vom Versicherer in der Weise bevollmächtigt werden, dass Willens- und
Wissenserklärungen mit Wirkung für das Versicherungsunternehmen dem Makler
gegenüber abgegeben werden können (vgl. Langheid in Römer/ Langheid, VVG, 2.
Aufl., § 43, Rn 8). Ob sich eine solche Stellung hier daraus ergibt, dass es im
Versicherungsvertrag heißt, die N Makler GmbH trete "in Vollmacht der beteiligten
Versicherer" auf, kann offen bleiben. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin ist die
Vereinbarung am 19.03.1996 erfolgt. Die Erhebung des Widerspruchs durch die
Beklagte ist aber nachher geschehen, nämlich am 25.04.1996 mit Zugang bei dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 09.05.1996. Damit ist spätestens zu diesem
Zeitpunkt die Ablehnung erklärt.
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d) Soweit die Zustellung des Mahnbescheids nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine
Unterbrechung der Verjährung herbeigeführt hat, ist diese Wirkung durch den Stillstand
des Verfahrens nach den §§ 213, 212 a, 211 BGB beendet worden (vgl. Palandt-
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Heinrichs, a.a.O., § 213, Rn 3; 211, Rn 3), jedenfalls bis zum Widerspruch der
Beklagten. Die dann nach § 211 Abs. 2 S. 2 BGB beginnende neue Frist ist abgelaufen.
Das Schreiben der Beklagten vom 10.12.1999 an den Prozessbevollmächtigten der
Klägerin konnte daran nichts mehr ändern.
Die dann am 29.12.2000 bei dem Amtsgericht Kleve eingereichte
Anspruchsbegründung zum Mahnbescheid, die zudem nicht von dem
Prozessbevollmächtigten unterschrieben ist, war verspätet.
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Demnach ist die Forderung der Klägerin verjährt.
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2. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO lagen nicht vor. Die Rechtssache hat
keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des rechst oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.945,49 EUR (21.407,52 DM)
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