Urteil des OLG Köln vom 24.08.2001

OLG Köln (wohl des kindes, kind, zpo, antragsteller, anschlussbeschwerde, gutachten, eltern, vater, abänderung, mutter)

Oberlandesgericht Köln, 25 UF 214/00
Datum:
24.08.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 UF 214/00
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 316 F 298/98
Tenor:
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird unter Zurückweisung
seines Rechtsmittels im übrigen der Beschluss des Amtsgerichts -
Familiengericht - Köln vom 31. August 2000 - 316 F 298/98 - abgeändert
und wie folgt neu gefasst: 1. Das Umgangsrecht des Antragstellers mit
dem Kind D. S., geboren am ... 1997, wird in Abänderung des
Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 25.
November 1999 - 316 F 298/98 - bis zum Ablauf des Jahres 2003
ausgeschlossen. 2. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, in jedem
Halbjahr eines Kalenderjahres ein Mal auf schriftliches Verlangen des
Antragstellers über für das Befinden und die Entwicklung des Kindes D.
wesentliche Umstände Auskunft zu erteilen. Die Antragsgegnerin ist
ferner verpflichtet, in der selben Häufigkeit dem Antragsteller auf dessen
schriftlich mitzuteilenden Wunsch hin aktuelle Fotos, die das Kind D.
zeigen, zu überlassen. II. Die Anschlussbeschwerde der
Antragsgegnerin wird als unzulässig verworfen. III. Die Gerichtskosten
des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Außergerichtliche Kosten und Auslagen werden nicht erstattet.
G r ü n d e:
1
I.
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Die gemäß §§ 621 e Abs.1, 621 Abs.1 Nr.2 ZPO, 1684 Abs.3 BGB statthafte und auch
im übrigen zulässige - insbesondere gemäß §§ 621 e Abs.3, 516, 519 Abs.1 und 2 ZPO
form- und fristgerecht eingelegte und begründete - befristete Beschwerde des
Antragstellers hat in der Sache teilweise Erfolg und ist darüber hinaus unbegründet.
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Die von der Antragsgegnerin eingelegte - unselbständige - Anschlussbeschwerde ist
unzulässig. Zwar ist allgemein anerkannt, dass der Gegner der befristeten Beschwerde
gemäß § 621 e ZPO nach Verstreichen der Beschwerdefrist grundsätzlich eine
unselbständige Anschlussbeschwerde einlegen kann (Zöller-Philippi, ZPO, 22. Auflage,
§ 621e Rdnr.24 mit Hinweis auf BGHZ 92,207/210). Von diesem Grundsatz ist der Senat
bei der Bewilligung der von der Antragsgegnerin auch für ihre Anschließung
nachgesuchten Prozesskostenhilfe ausgegangen. Nach Prüfung im Rahmen der
vorliegenden Entscheidung hat sich indessen ergeben, dass im Verfahren des
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Umgangs eines Elternteils mit dem Kind eine Anschließung in Ausnahme des
vorgenannten Grundsatzes nicht zulässig ist. Da die Anschlussbeschwerde nur das
Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers mildern soll, besteht kein
Rechtsschutzbedürfnis für sie, wo dieses Verbot nicht gilt (Zöller-Philippi, a.a.O., § 621e
ZPO Rdnr.25, mit Rechtsprechungsnachweisen). Verfahren zur Regelung des Umgangs
eines Elternteils mit dem Kind haben das Ziel, dem Wohl von Kindern zu dienen. Aus
diesem Grund weicht das Verschlechterungsverbot hier dem vorrangigen Grundsatz,
dass auch für das Beschwerdeverfahren in erster Linie das Kindeswohl maßgeblich ist
(Zöller-Philippi, a.a.O., § 621e Rdnr. 36 mit Rechtsprechungsnachweisen).
II.
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Der angefochtene Beschluss des Familiengerichts hält der durch das eingelegte
Rechtsmittel des Antragstellers veranlassten Überprüfung durch den Senat
überwiegend nicht Stand und war daher entsprechend dem Tenor der vorliegenden
Entscheidung abzuändern.
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Die vom Familiengericht in seinem Beschluss vom 31. August 2000 gemäß Ziffer 1 a),
b) und d) in Verbindung jeweils mit Ziffer 1 c) getroffenen Anordnungen entsprechen -
unabhängig von der Frage, ob sie für die Parteien unzumutbar sind und einen
unzulässigen Eingriff in ihre Rechte darstellen - nicht dem Wohl des Kindes D., an dem
allein sich derartige Anordnungen nach § 1684 Abs.3 S.2 BGB auszurichten haben.
Vielmehr war - und zwar insoweit auch in Abänderung der Entscheidung des
Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 25. November 1999 gemäß § 1696 Abs.1
BGB - das Umgangsrecht des Antragstellers mit seinem Sohn D. bis zum Ablauf des
Jahres 2003 gemäß § 1684 Abs.4 S.1 BGB auszusetzen.
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Das erst nach dem 25. November 1999 zu Tage getretene auffällig angstbehaftete
Verhalten des Kindes D., wie es von seinem Verfahrenspfleger in der Stellungnahme
vom 7. Juni 2000 (Bl.125) geschildert worden ist und wie es von der sachverständigen
Diplom-Psychologin C. K. gemäß ihrer Darstellung in ihrem schriftlichen Gutachten vom
1. Juni 2001 (Bl.296 ff.) am 25.Mai 2001 beobachtet worden ist (Bl.256 f.), hat eine für
die Beurteilung des Umgangsrechts des Antragstellers mit seinem Sohn veränderte
Ausgangssituation geschaffen. Diese Veränderung im Tatsächlichen rechtfertigt es, die
vom Senat in seinem Beschluss vom 4. Juli 2000 - 25 UF 115/00 - unangetastet
gelassene "grundsätzliche Bewilligung eines Umgangsrechts des Antragstellers mit
dem Kind D. S." im Beschluss des Familiengerichts vom 25. November 1999, deren
Abänderung der Senat aber in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich dem
Familiengericht im Zusammenhang mit seiner erforderlichen erneuten Entscheidung zur
Ausgestaltung des Umgangsrechts vorbehalten hatte, nunmehr dahingehend
einzuschränken, dass das Umgangsrecht des Antragstellers mit seinem Sohn bis zum
Ablauf des Jahres 2003 ausgesetzt wird. Triftige, das Wohl des Kindes D. nachhaltig
berührende Gründe machen diese Abänderung zu Lasten des Antragstellers notwendig.
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Nach dem Ergebnis des in der Beschwerdeinstanz eingeholten
familienpsychologischen Gutachtens der Sachverständigen Diplom-Psychologin C. K.
vom 1. Juni 2001 steht zur Überzeugung des Senats fest, dass zur Zeit jeder
persönliche Kontakt zwischen Vater und Kind das Wohl des Kindes nachhaltig
gefährden würde. Das Gutachten der Sachverständigen basiert auf eingehenden
Gesprächen mit beiden Elternteilen, ihrer Beobachtung des Kindes D. sowie der
wissenschaftlichen Analyse der von ihr gewonnen Erkenntnisse. Das Gutachten
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überzeugt in Darstellung und Begründung. Es gibt keinen Anlass zu Zweifeln an der
Richtigkeit und Zuverlässigkeit der gutachterlichen Feststellungen und
Schlussfolgerungen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen ist davon
auszugehen, dass die Antragsgegnerin keinerlei Bereitschaft aufbringt, ihrem Kind den
Vater nahe zu bringen. Sie zeigt auch wenig Bereitschaft dazu, ihr Kind mit fremden
Personen vertraut zu machen und ihm bei der Loslösung von ihr als Mutter und bei der
Erschließung neuer Beziehungen behilflich zu sein. Aus dieser - subjektiv vielleicht
verständlichen, objektiv aber - problematischen Haltung der Antragsgegnerin, die
ungünstigerweise auch noch durch deren eigene Eltern verstärkt wird, resultiert die von
der Sachverständigen bestätigte starke, von ihr als nicht altersgerecht bewertete
Fixierung des Kindes D. auf die Antragsgegnerin. Begegnungen mit dem Kindesvater
und schon lediglich deren Thematisierung ängstigen die Antragsgegnerin aufgrund ihrer
Erfahrungen mit dem Antragsteller. Da sie es bisher vermieden hat, neue und
andersartige Erfahrungen mit ihm zu machen, ist sie in ihren Ängsten verhaftet
geblieben und hat heute Vorstellungen von ihm und seinen Intentionen, die der Realität
nicht entsprechen. Infolgedessen ist sie auch nicht in der Lage, ihrem Kind offene,
unbelastete Kontakte mit dem Kindesvater zu ermöglichen. Vielmehr spürt D. die Ängste
seiner Mutter, die sich auf ihn übertragen. Solange die Antragsgegnerin in ihrer
Vermeidungshaltung gegenüber dem Kindesvater verharrt und sie nicht bereit ist, daran
zu arbeiten, ihre eigenen Ängste abzubauen, lassen sich Kontakte zwischen
Kindesvater und Kind nur mit beträchtlichen psychischen Belastungen für das Kind
realisieren, was die bei diesem vorhandenen Ängste nur weiter verstärken würde. D.
würde dadurch nachhaltig in seinem Kindeswohl gefährdet. Dieses
Gefährdungspotential bei Durchsetzung eines auch nur beschützten Umgangs des nicht
altersgerecht entwickelten, verängstigten und vollkommen auf die Antragstellerin
ausgerichteten Kindes mit dem ihm fremden Antragsteller lässt derzeit die Bedeutung
und Wichtigkeit von Kontakten mit dem nicht mit dem Kind zusammenlebenden
Elternteil für die Entwicklung der kindlichen Identität, das heißt für die Entwicklung des
kindlichen Selbstverständnisses hinsichtlich seiner Person und Herkunft, völlig
zurücktreten.
Allerdings war der Ausschluss des Umgangsrechts bis Ende Dezember 2003 zu
begrenzen. Der Senat geht davon aus, dass D. im Alter von 6 Jahren im Sommer 2003
eingeschult werden wird. Damit wird unweigerlich die starke Fixierung des Kindes auf
seine Mutter aufgeweicht werden und D. wird seine sozialen Kontakte zwangsläufig
erweitern. Aus heutiger Sicht erscheint die Zeit ab Anfang 2004, etwa ein halbes Jahr
nach der Einschulung D.s, als ein günstiger Zeitpunkt für die - behutsame - Aufnahme
von Umgangskontakten zwischen dem Antragsteller und D.. Dabei ist zu hoffen, dass
die Antragsgegnerin während der Dauer des Ausschlusses des Umgangsrechts des
Antragstellers zu D. auch ihre eigenen Ängste - allein oder mit therapeutischer
Begleitung - wird abbauen und zu der Einsicht gelangen können, dass Kinder auf
keinen Fall in die Beziehungskonflikte ihrer Eltern hineingezogen und zu Verbündeten
nur eines Elternteils gemacht werden dürfen. Der Umgang mit beiden Elternteilen dient
der Selbstfindung und psychisch stabilen Entwicklung des Kindes, beide Elternteile zu
erleben. Die Antragsgegnerin sollte sich dies zum Wohle ihres Kindes, an dem ihr nach
allen ihren Äußerungen doch so viel liegt, zu Herzen nehmen und darauf hinarbeiten,
ihrem Kind diese ganz wesentliche Erfahrung mit seinem leiblichen Vater zu
ermöglichen. Der Sachverständigen kann nur darin zugestimmt werden, wenn sie in
ihrem Gutachten darauf hinweist, dass sich die Antragsgegnerin bewusst werden muss,
" daß ihre Eltern nicht die Eltern ihres Kindes sind und daß eine Familie nicht "intakt"
sein kann, wenn der Vater völlig ausgeblendet und nur als Verursacher großer Ängste
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gesehen wird."
Die in Ziffer c) des angefochtenen Beschlusses angeordnete Auskunftsverpflichtung der
Antragsgegnerin war nach Maßgabe der Tenorierung im vorliegenden Beschluss
aufrechtzuerhalten. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 1686 BGB, dessen
tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind. Insbesondere widerspricht die
Auskunftsverpflichtung nicht dem Kindeswohl. Das Auskunftsverlangen des
Antragstellers ist in seiner Häufigkeit eng begrenzt und hat ohne eine persönliche
Kontaktaufnahme zur Antragsgegnerin und D. zu erfolgen. Auch die Auskunftserteilung
kann seitens der Antragsgegnerin ohne jeden persönlichen Kontakt zum Antragsteller
stattfinden. Das berechtigte Interesse des Antragstellers an der Auskunft ergibt sich aus
dem - zeitlich begrenzten - Ausschluss seines Umgangsrechts zu D.. Um trotzdem die
Beziehung zu seinem leiblichen Kind nicht zuletzt in Hinblick auf einen zukünftigen
Umgang nicht abreißen zu lassen, sondern wach halten zu können, muss es ihm
möglich sein, in gewissen Zeitabständen über für das Befinden und die Entwicklung
seines Sohnes D. wesentliche Umstände Informationen sowie aktuelle Fotos, die das
Kind zeigen, zu erlangen.
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Von der Androhung von Zwangsmitteln zur Durchsetzungen der Auskunftsverpflichtung
hat der Senat abgesehen, da derzeit davon ausgegangen wird, dass es einer
zwangsweisen Durchsetzung des Auskunftsanspruchs des Antragstellers nicht bedarf.
Erforderlichenfalls kann die Androhung nach § 33 FGG nachgeholt werden.
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III.
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Die Entscheidung über die Verfahrenskosten folgt aus § 13 a Abs.1 S.1 und 2 FGG.
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Wert des Beschwerdeverfahrens: 8.000,- DM
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