Urteil des OLG Köln vom 28.10.1998

OLG Köln (kläger, drittwirkung der grundrechte, zulassung, geschäftsverkehr, tätigkeit, ausdrücklich, wirtschaftsprüfer, beratung, antrag, beruf)

Oberlandesgericht Köln, 11 U 67/98
Datum:
28.10.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 67/98
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 1 0 407/97
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Februar 1998 verkündete
Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 1 0 407/97 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; dem Kläger bleibt vorbehalten, die
Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleitung in
Höhe von 8.000,00 DM, die auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft einer im Währungsgebiet ansässigen Bank oder öffentlichen
Sparkasse erbracht werden kann, abzuwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger ist Diplom-Ingenieur (FH) und übt nach seinem Verständnis eine
selbständige unternehmensberatende Tätigkeit aus. Im Rahmen dieser Tätigkeit will er
für Unternehmen, die Materialbeschaffungsverträge mit Dienststellen der B. anstreben,
als Berater tätig sein. Er vertritt die Auffassung, dass er hierzu einer besonderen
Zulassung nicht bedürfe. Zur Stützung seiner Auffassung beruft er sich auf die
ZVB/BMVg Nr. 8.2.2 (vgl. Bl. 65 ff d.A.), die wie folgt lautet:
2
"8.2.2 (Vermittlung Dritter und Gewährung von Provisionen)
3
##blob##nbsp;
4
Der Auftragnehmer darf sich im Verkehr mit den Dienststellen des Auftraggebers der
Vermittlung Dritter nicht bedienen, soweit nicht der Auftraggeber einem
abweichenden Verfahren ausdrücklich zustimmt. Diese Bestimmung findet keine
Anwendung auf Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Angehörige anderer
anerkannter freier Berufe, soweit diese lediglich zur rechtlichen, steuerlichen,
betriebswirtschaftlichen oder technischen Beratung zugezogen werden."
5
Die Beklagte hat in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 6. Dezember 1996
(Bl. 5/6 d.A.) u.a. folgendes ausgeführt:
6
"Sehr geehrter Herr S.,
7
in der Besprechung am 13.11.1996 teilten Sie mit, dass Sie für verschiedene Firmen
als freiberuflicher Berater auf dem Gebiet des öffentlichen Preisrechts tätig seien und
somit keine Zulassung nach den Bestimmungen der ZVB/BMVg Nr. 8.2.2 für die
Einschaltung in den Geschäftsverkehr eines Unternehmers mit der B. benötigen. Sie
wurden darauf hingewiesen, dass es sich bei einer Tätigkeit ohne Zulassung nach der
ZVB/BMVg Nr. 8.2.2 um die Ausübung eines anerkannten freien Berufs handeln
müsse. Dies trifft aufgrund Ihrer Ausbildung zum Ingenieur nicht zu. Somit sind Sie
verpflichtet, für Ihre Tätigkeit als freiberuflicher Berater für die Einschaltung in den
Geschäftsverkehr jedes Unternehmens mit der B. einen Antrag auf Zulassung nach
den Bestimmungen der ZVB/BMVg Nr. 8.2.2 zu stellen.......
8
Für den Fall weiterer Besuche ohne die erforderliche Zulassung behalte ich mir
weitere Maßnahmen vor, zu denen außer einem Hausverbot auch die Maßnahmen
gegen Ihre jeweiligen Vertragspartner gehört."
9
Über dieses Schreiben hat die Beklagte unter dem 16. Dezember 1996 (Bl 7 ff d.A) u.a.
die Geschäftsleitung der Firma G. GmbH in W. unterrichtet; insoweit heißt es u.a.
10
"Ich habe Herrn S. darüber unterrichtet, dass er bei mir einen Antrag für die Zulassung
nach Nr. 8.2.2 ZVB/BMVg stellen kann.
11
Ich bitte sicherzustellen, dass sich Herr S. vor Erteilung der Zulassung nach Nr. 8.2.2
ZVB/BMVg nicht in den Geschäftsverkehr Ihres Unternehmens mit der B. einschaltet."
12
Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 14. Februar 1997 (Bl. 9 d.A.) gegen die
Rechtsauffassung der Beklagten gewandt; die Beklagte ist dem mit Schreiben vom 26.
Februar 1997 (Bl. 11 d.A.) entgegengetreten. In dem Schreiben der Beklagten wird u.a.
folgendes ausgeführt:
13
"Die Tatsache, dass Sie sich als besonderer Kenner des öfentlichen Preisrechts
ausweisen können und einen freien Beruf nach den steuerlichen Bestimmungen
ausüben, erfüllt nicht die Anforderungen, die an einen "Angehörigen eines
anerkannten freiten Berufs" nach den Bestimmungen der ZVB/BMVg Nr. 8.2.2 gestellt
werden müssen.
14
Wie die beispielhafte Aufführung anerkannter freier Berufe zeigt, sind hiermit
besonders diejenigen freien Berufe gemeint, die standesrechtlich organisiert sind.
Durch das Merkmal des "anerkannten" freien Berufs soll sichergestellt werden, dass
die Tätigkeiten solcher Angehöriger eines anderen freien Berufs, nämlich
insbesondere solcher, die Lobbyistentätigkeit ausüben, sich hinsichtlich der
Einschaltung in den Geschäftsverkehr mit der B. der Zustimmungspflicht unterziehen
müssen....."
15
Der Kläger hat beantragt,
16
festzustellen, dass er für die Einschaltung in den Geschäftsverkehr eines
Unternehmens mit der B. keiner Zulassung nach den Bestimmungen der ZVB/BMVg
Nr. 8.2.2 bedarf.
17
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.
18
Die Beklagte hält die Klage bereits wegen Fehlens eines Feststellungsinteresses für
unzulässig; im übrigen sei sie unbegründet, weil sie den Kläger schon wegen eines
nach wie vor im Raum stehenden Vorwurfs der Bestechung des Leiters eines
Vertragsreferates des Bu. und Beschaffung zu Recht von den Dienststellen der B.
fernhalten könne.
19
Durch Urteil vom 11. Februar 1998 (Bl. 94 ff d.A.) hat das Landgericht Bonn die Klage
abgewiesen, weil der Kläger jdenfalls nicht zu den "anderen anerkannten freien
Berufen" im Sinne der ZVB/BMVg zähle.
20
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner zulässigen Berufung. Der Kläger bekräftigt
seinen Rechtsstandpunkt, zu dem er weiter vorträgt (Bl. 121 ff d.A.). Im übrigen
behauptet er, die Beklagte habe nach seiner Kenntnis in der Vergangenheit "in
mindestens zwei Fällen fachlich qualifizierte Unternehmensberater als Berater
zugelassen" (Bl. 129 d.A.).
21
Der Kläger beantragt,
22
unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass er für die
Einschaltung in den Geschäftsverkehr eines Unternehmens mit der B. keiner
Zulassung nach den Bestimmungen der ZVB/BMVg Nr. 8.2.2 bedarf;
23
hilfsweise bittet er um Vollstreckungsschutz.
24
Die Beklagte beantragt,
25
die Berufung des Klägers zurückzuweisen;
26
hilfsweise bittet sie um Vollstreckungsschutz.
27
Die Beklagte tritt dem Rechtsstandpunkt des Klägers entgegen (Bl. 142 ff d.A.); im
übrigen gehöre der Kläger nicht einem "anderen anerkannten freien Beruf" im Sinne der
ZVB/BMVg Nr. 8.2.2 an. Soweit sich der Kläger auf zwei Fälle beziehe, in denen andere
fachlich qualifizierte Unternehmensberater zu Gesprächen zugelassen sein worden sein
sollen, sei die Sachdarstellung des Klägers nach ihren Nachforschungen unzutreffend
(Bl. 146 ff. d.A.).
28
Wegen der gesamten weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird
auf den vorgetragenen Inhalt der in dem Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze
verwiesen.
29
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
30
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
31
Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung, der der Senat beitritt, angenommen,
dass der Feststellungsantrag jedenfalls unbegründet ist. Ob die begehrte Feststellung
bereits daran scheitert, weil sich der Kläger, worauf die Beklagte hinweist, eines
"Bestechungsvorwurfs" ausgesetzt sieht, kann hier dahinstehen.
32
Die ZVB/BMVg Nr. 8.2 ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die die Beklagte im
33
Rahmen des Geschäftsverkehrs mit der B. zur Anwendung bringt und die sich
dementsprechend ausschließlich an die (potentiellen) Auftragnehmer (Vertragspartner)
richtet. Einen unmittelbaren Anspruch auf "Zulassung" eines bestimmten "Beraters"
gewährt die Allgemeine Geschäftsbedingung den Auftragnehmern oder deren Beratern
nicht.
Vielmehr ist - das ist der Grundsatz - eine ausdrückliche Zustimmung der Beklagten
("Dienststellen des Auftraggebers") im Einzelfall erforderlich.
34
Von diesem Grundsatz macht die ZVB/BMVg in Absatz 1 Satz 2 der Bestimmung 8.2.2
insoweit eine Ausnahme für "Rechtsanwälte" und "Wirtschaftsprüfer" sowie "Angehörige
anderer anerkannter freier Berufe", soweit diese lediglich "zur rechtlichen, steuerlichen,
betriebswirtschaftlichen oder technischen Beratung zugezogen werden".
35
Der Sinnzusammenhang der Bestimmung belegt, dass die ausdrücklich genannten
"Rechtsanwälte" und "Wirtschaftsprüfer", worauf die Beklagte zutreffend hinweist,
standesrechtlich organisierten Berufsgruppen angehören. Die Frage, ob der Kläger
einer (vergleichbaren) anerkannten freien Berufsgruppe zugehörig ist, die ohne
ausdrückliche Zustimmung zugelassen werden kann, ist eine Tatfrage, über die sich die
von dem Kläger zur Stützung seines Rechtsstandpunktes angezogene Bestimmung
nicht näher verhält, die jedoch durch den sachlichen Bezug auf die ausdrücklich
erwähnten "Rechtsanwälte" und "Wirtschaftsprüfer" von der Beklagten
eigenverantwortlich geprüft und entschieden werden muß.
36
Es kann deshalb nach Ansicht des Senats nicht im Rahmen einer Feststellungsklage
gleichsam "abstrakt" überprüft werden, ob der Kläger, wie er meint, die
Voraussetzungen erfüllt, die nach der von ihm angezogenen Bestimmung der
ZVB/BMVg. Nr. 8.2.2 an das Leistungsbild "andere anerkannte freie Berufe" zu stellen
sind. Denn selbst wenn es zuträfe, dass der Kläger einen anderen anerkannten freien
Beruf im Sinne der ZVB/BMVg. Nr. 8.2.2 ausübt, läge es weiterhin im Rahmen der
Vertragsfreiheit der Beklagten, das Tätigwerden des Klägers als "Berater" für einen
(bestimmten) Auftragnehmer hinzunehmen oder dies im Einzelfall zu untersagen. Dies
hängt entscheidend u.a. von den weiteren Voraussetzungen ab, an die die
Ausnahmeregelung anknüpft ("soweit diese lediglich zur rechtlichen, steuerlichen,
betriebswirtschaftlichen oder technischen Beratung herangezogen werden").
37
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, die Beklagte (B.) habe zumindest in zwei
Fällen anders
38
entschieden; der Kläger kann sich insoweit nicht auf eine Drittwirkung der Grundrechte
(Art. 3,12 GG) berufen. Rechtsschutz bestünde, wenn überhaupt, nur insoweit, als eine
Versagung der Beratertätigkeit durch den Kläger - bei gleichen Voraussetzungen - sich
als willkürlich erweisen würde (vgl. insoweit auch BGH, JZ, 1965, 281). Nach dem
derzeitigen Sach- und Streitstand kann hiervon mit dem Landgericht jedoch nicht
ausgegangen werden, zumal die Beklagte dem Kläger ausdrücklich anheimgestellt hat,
einen "Antrag auf Zulassung" zu stellen.
39
Die Berufung des Klägers ist daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen;
der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
40
Der Streitwert (und die Beschwer) wird in Abweichung der landgerichtlichen
41
Wertfestsetzung im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der
begehrten Feststellung auf 65.000,00 DM festgesetzt.