Urteil des OLG Köln vom 23.10.2007
OLG Köln: sicherheit, verwertungskosten, form, gerichtsgebühr, aktiven, vergleich, beweislastverteilung, sittenwidrigkeit, erlöschen, datum
Oberlandesgericht Köln, 13 W 48/07
Datum:
23.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 W 48/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 1 O 180/07
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 25.07.2007 gegen den
Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der 1. Zivilkammer des
Landgerichts Aachen vom 20.06.2007 – 1 O 180/07 –, dem Senat
vorgelegt mit Nichtabhilfebeschluss vom 20.08.2007, wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das
Landgericht hat den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu
Recht zurückgewiesen, denn seine Rechtsverteidigung bietet keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst
uneingeschränkt auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung und im
Nichtabhilfebeschluss vom 20.08.2007 Bezug. Das Beschwerdevorbringen gibt
lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
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Der Klägerin steht – entsprechend der unstreitig noch offenen, verbürgten
Darlehensschuld - gegen den Beklagten aus den selbstschuldnerischen
Höchstbetragsbürgschaften ein Anspruch in Höhe von 46.780,33 € nebst Zinsen aus §§
765, 767 Abs. 1, 769 BGB zu.
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Für eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverpflichtung gem. § 138 Abs. 1 BGB wegen
krasser finanzieller Überforderung des Beklagten bietet der Sachverhalt keinerlei
Anhaltspunkte; das Vorbringen des Beklagten, er habe die Bürgenschuld zu keinem
Zeitpunkt erfüllen können, ist völlig unsubstantiiert.
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Der Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, die Klägerin habe noch nicht alle ihr
zustehenden Sicherheiten verwertet, denn bei den von dem Beklagten übernommenen
Bürgschaften handelt es sich um selbstschuldnerische Bürgschaften und nicht um
Ausfallbürgschaften. Auch ist unter Ziff.3 der Bürgschaftsbedingungen festgehalten,
dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, sich zunächst an andere Sicherheiten zu halten,
bevor sie den Beklagten in Anspruch nimmt.
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Der Beklagte ist entgegen seiner Ansicht auch nicht nach § 776 BGB von seiner
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Bürgenhaftung frei geworden, denn die Klägerin hat keine Sicherheiten aufgegeben.
Die Aufgabe einer Sicherheit i.S. des § 776 BGB liegt vor, wenn bei wirtschaftlicher
Betrachtung ihre Verwertungsmöglichkeit durch vorsätzliches und aktives Handeln des
Gläubigers zumindest teilweise beseitigt wird (vgl. OLG Köln NJW 90, 3214; Rohe, in:
Bamberger/Roth, BGB, § 776 Rdnr. 5; Staudinger/Horn, BGB, 13. Aufl. § 776 Rdnr. 11),
Benachteiligungsabsicht ist insoweit nicht erforderlich.
Soweit der Beklagte die Ansicht vertritt, im Nichteinzug von Versicherungsforderungen
liege die Aufgabe einer Sicherheit, kann der Senat dem schon deshalb nicht folgen, weil
- wie dargelegt - die Aufgabe einer Sicherheit ein aktives Tun voraussetzt und die bloße
Untätigkeit - hier in Form des Unterlassens der Geltendmachung einer Forderung -
insoweit nicht ausreicht (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 776 Rz.5). Abgesehen
davon ist das Vorbringen des Beklagten zu den angeblich bestehenden
Versicherungsforderungen in jeder Hinsicht unsubstantiiert, worauf bereits das
Landgericht hingewiesen hat. Aus welchen Gründen die Klägerin verpflichtet sein soll,
näher zum Bestand etwaiger Versicherungsforderungen vorzutragen, vermag der Senat
nicht zu erkennen, vielmehr ist es allein Sache des Bürgen, die Voraussetzungen des §
776 BGB darzulegen und zu beweisen (vgl. nur Palandt/Sprau, a.a.O., § 776 Rz.5).
Sollten ihm insoweit Informationen fehlen, muss er sich diese bei der Hauptschuldnerin
beschaffen (vgl. z.B. zur Darlegungslast des Bürgen in Bezug auf das Erlöschen der
Hauptforderung, BGH, Beschl. v. 26.06.2007, XI ZR 201/06, BauR 2007, 1622); die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert an dieser Beweislastverteilung nichts,
vielmehr ist nunmehr Ansprechpartner des Bürgen der Insolvenzverwalter.
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Aus den vorstehend genannten Gründen ist die Aufgabe einer Sicherheit auch nicht
darin sehen, dass die Klägerin im Rahmen der Globalzession lediglich 96.933,08 € und
nicht den ihr nach Ansicht des Beklagten zustehenden Betrag von 135.454,59 €
erhalten hat. Abgesehen davon, dass das Vorbringen des Beklagten zu den einzelnen
Forderungen unsubstantiiert und in dieser Form für den Senat nicht nachvollziehbar ist,
fehlt es wiederum an einem aktiven Tun der Klägerin; soweit der Beklagte davon spricht,
die Klägerin habe mit dem Insolvenzverwalter eine Vereinbarung getroffen, wonach sie
auf diese Forderungen verzichte, ist auch dieses Vorbringen ohne jede Substanz, der
Beklagte hätte vielmehr im Einzelnen darlegen müssen, auf welche konkreten
Forderungen die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter verzichtet hat. Zudem ist
für einen Vorsatz der Klägerin nichts ersichtlich.
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Soweit die Klägerin sich mit dem Insolvenzverwalter vergleichsweise dahingehend
geeinigt hat, dass diesem im Zusammenhang mit der Verwertung des Fuhrparks der
Insolvenzschuldnerin ein weiterer Betrag von 11.316,00 € an Verwertungskosten
zusteht, liegen die Voraussetzungen des § 776 BGB ebenfalls nicht vor. Der von der
Klägerin im Rahmen des Rechtsstreits mit dem Insolvenzverwalter geschlossene
Vergleich stellt schon keine Aufgabe einer Sicherheit dar, in jedem Fall fehlt es an
einem vorsätzlichen Handeln der Klägerin. Anders als in dem Sachverhalt, welcher der
von Beklagtenseite zitierten Entscheidung des OLG Dresden (18 W 316/03) zugrunde
lag, hat die Klägerin mit dem Insolvenzverwalter keine Verwertungsvereinbarung unter
Erhöhung der in der InsO vorgesehenen Pauschalsätze getroffen, sie hat vielmehr den
Insolvenzverwalter, der nach Verwertung des Fuhrparks die Pauschalsätze
übersteigende Verwertungskosten einbehalten hat, auf Zahlung des über diesen Sätzen
liegenden Betrages von 22.632,00 € verklagt. Kernpunkt dieses Rechtsstreits war die
Frage, ob der Insolvenzverwalter berechtigt war, die tatsächlich entstandenen höheren
Verwertungskosten nach § 171 Abs.2 Satz 2 InsO anzusetzen. Hierfür wiederum war
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entscheidend, ob diese Kosten für die Verwertung erforderlich waren i.S.d. § § 171
Abs.2 Satz 2 InsO. Wenn die Klägerin sich in dieser Situation zum Abschluss eines
Vergleichs entschließt, nach welchem die streitige Forderung geteilt wird, stellt dies eine
wirtschaftlich sinnvolle Verwertungshandlung und keine Sicherheitenaufgabe dar, denn
durchaus möglich wäre gewesen, dass das Gericht - gegebenenfalls nach
Beweisaufnahme - zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die vom Insolvenzverwalter
angesetzten Kosten angesichts der konkreten Einzelfallumstände erforderlich waren
und es demzufolge die Klage abgewiesen hätte. In keinem Fall kann das Handeln der
Klägerin als vorsätzlich angesehen werden.
Da der Senat dem Vorbringen des Beklagten auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür
entnehmen kann, dass die Klägerin sich gegenüber der Hauptschuldnerin im
Zusammenhang mit der Verwertung von Sicherheiten schadensersatzpflichtig gemacht
hat, steht dem Beklagten eine Einrede nach § 768 BGB oder § 770 BGB nicht zu, so
dass die Frage, ob der Beklagte auf diese Einreden wirksam verzichtet hat (vgl. Ziff.3
der Bürgschaftsbedingungen), keiner Vertiefung bedarf.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Gerichtsgebühr wird bereits kraft
Gesetzes ohne besonderen Ausspruch erhoben und eine Erstattung der
außergerichtlichen Kosten findet gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt.
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