Urteil des OLG Köln vom 23.02.2007

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Oberlandesgericht Köln, 6 U 150/06
Datum:
23.02.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 150/06
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 84 O 135/05
Normen:
UWG § 5 Abs. 1 u. 2 Nr. 1
Tenor:
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.06.2006 verkündete Urteil
der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 135/05 -
wird zu-rückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet. Die Sicherheitsleis-tungen betragen hinsichtlich der
Vollstreckung aus dem Unterlassungsgebot 75.000 € und hinsichtlich
des Kostenerstattungsanspruchs 110 % des aufgrund des Urteils zu
vollstreckenden Betrages.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
B E G R Ü N D U N G
1
I.
2
Die Parteien bieten sogenanntes dediziertes ("dedicated") Webhosting an, d.h. sie
stellen Speicherplatz auf einem Server zur Verfügung, der nur für eine bestimmte
3
Tätigkeit abgestellt ("dedicated Server") oder nur einem Kunden zugeordnet ("dedicated
customer") ist.
Die Klägerin hat die nachstehend wiedergegebene Werbung für dedizierte Webserver
auf der Homepage "www.t..de" der Beklagten als irreführend i.S. des § 5 UWG
beanstandet und die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,
ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu
unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs dedizierte Webserver als
HighEnd-Server zu bezeichnen, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:
7
pp.
8
Die Beklagte hat beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts vom
16.06.2006 Bezug genommen. Die Kammer ist der Klagebegründung gefolgt und hat
festgestellt, dass der Verkehr Fehlvorstellungen mit der Bewerbung des fraglichen
Angebots von dedizierten Webservern als "High End-Server" verbinde. Klarstellend hat
die Kammer den vorstehend wiedergegebenen Klageantrag hierbei dahingehend neu
gefasst, dass die Verknüpfung der vorangestellten Verbalisierung mit der konkreten
Verletzungsform (durch "insbesondere wenn") durch die Formulierung "wie
nachstehend wiedergegeben" ersetzt worden ist.
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Gegen diese Beurteilung wendet sich die – infolge einer zwischenzeitlichen
Verschmelzung der T. Medien AG mit ihrer Muttergesellschaft als T. AG firmierende –
Beklagte, wobei sie unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes das Ziel der
Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klägerin verteidigt das Urteil.
12
II.
13
Die zulässige Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg. Zu Recht und mit
zutreffender Begründung hat das Landgericht festgestellt, dass die in der konkreten
Verletzungsform angegriffene Internet-Bewerbung des Angebots dedizierter Webserver
irreführend i.S. der §§ 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG und die Klage deshalb gemäß § 8
Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG begründet ist.
14
1.
15
Die Beklagte vermag nicht mit dem Einwand durchzudringen, dass der
Unterlassungsantrag unbestimmt i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei.
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In das einleitend formulierte – und so von der Kammer redaktionell neu gefasste –
Unterlassungsbegehren ist unmittelbar nachfolgend die konkrete Verletzungsform
eingefügt in Form von screenshots der beanstandeten Internet-Werbung. Durch diese
eindeutige Bezugnahme steht mit hinreichender Klarheit fest, dass – nur – die
Bewerbung derjenigen dedizierten Webserver als "HighEnd-Server" verboten werden
soll, die dort abgebildet sind, d.h. konkret die Serverangebote SR 2, HR 2 und LR 2 der
Produktgruppe "HighEnd-Server". Das weitere Angebot der Beklagten etwa für ihren
Server "Y." ist folglich von Klageantrag (und Klagebegehren) nicht umfasst.
17
2.
18
Die Verwendung der Bezeichnung "HighEnd" für die fragliche Server-Produktgruppe ist
irreführend, weil sie den Eindruck eines Angebots von Produkten vermittelt, welche
höchsten Ansprüchen in Bezug auf Technologie und Werthaltigkeit genügen, obwohl
unstreitig nur guter Durchschnitt geboten wird.
19
a)
20
Ob eine Werbung irreführend ist, beurteilt sich maßgeblich danach, wie der
angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung auf Grund ihres Gesamteindrucks
versteht, wobei auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und
verständigen Verbrauchers abzustellen ist, der der Werbung die der Situation
angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2005, 438 -
Epson-Tinte; BGH GRUR 2005, 690, 691, 692 – Internet-Versandhandel). Stehen die
einzelnen Angaben in einer in sich geschlossenen Darstellung, so dürfen sie nicht aus
ihrem Zusammenhang gerissen werden (BGH a.a.O.) Ob mehrere Angaben innerhalb
einer Werbeschrift oder einer sonstigen äußerlich einheitlichen Werbedarstellung selbst
bei einer gewissen räumlichen Trennung gleichwohl, beispielsweise wegen eines
inhaltlichen Bezugs oder wegen eines ausdrücklichen Verweises, als
zusammengehörig aufgefasst werden oder nicht, richtet sich nach den Umständen des
jeweiligen Einzelfalls (BGH a.a.O.). Diese Grundsätze gelten für eine Werbung im
Internet wie die streitgegenständliche in entsprechender Weise (BGH a.a.O.).
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Nach Maßgabe dieser Kriterien stellt die angegriffene Internetwerbung der Beklagten
keine wettbewerblich unbedenkliche nichtssagende Anpreisung dar, sondern sie ist als
unlautere irreführende Qualitätsberühmung zu beurteilen.
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Das Landgericht hat zum Verkehrsverständnis einer Verwendung des ursprünglich aus
dem audiophilen Bereich stammenden Begriffs "High End" für u.a. elektronische
Produkte festgestellt, dass diese Bezeichnung mit einem preislich und qualitativ
überdurchschnittlichen, einem "hochwertigen, besonders leistungsstarken, am oberen
Ende der Leistungsskala einzuordnenden Gerät" verbunden wird. Dieses Verständnis
der Teilnehmer des allgemeinen Verkehrs und damit erst recht der von der
beanstandeten Werbung vornehmlich angesprochenen Fachleute aus dem Webhosting-
Bereich findet eine Bestätigung in dem Umstand, dass der Begriff im nämlichen Sinne
im "Duden – Deutsche Rechtschreibung" definiert wird. Ausweislich des von der
Klägerin als Anlage K 11 vorgelegten Auszugs heißt es dort nämlich zu "Highend/High
End: im oberen Leistungs- oder Preisbereich".
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Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit dieser Feststellungen
anzuzweifeln. Im Gegenteil bestätigt der Vortrag der Beklagten gerade eine solcherart
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verstandene Bedeutung. Mit Schriftsatz vom 18.01.2007 beruft sie sich nämlich auf den
als Anlage B 6 vorgelegten Auszug aus dem Online-Lexikon "Wikipedia". Dort heißt es
aber wörtlich:
"Der Begriff "High-End" hat sich in der heutigen Zeit auch in der Computerwelt
etabliert. Besonders leistungsstarke Bauteile für einen PC oder ein sehr
leistungsstarkes PC-Komplettsystem werden unter Kennern als "High-End"
bezeichnet (z.B. "High-End-PC" oder "High-End-Prozessor").
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In Ansehung des von den Parteien folglich übereinstimmend vorgetragenen – und so
auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigten –
Verkehrsverständnisses ist für die weitere Entscheidung davon auszugehen, dass mit
dem ursprünglich aus dem Audio-Bereich stammenden Begriff "high end"/"HighEnd"
nunmehr generell dem Elektronik-/Technikbereich zugeordnete Produkte bezeichnet
werden, die auf einem besonders hohen und leistungsstarken, am oberen Ende des
Möglichen liegenden technischen Niveau angesiedelt sind, wobei diese Technologie
sich in der Regel (wenn auch nicht notwendig) in einem entsprechend
überdurchschnittlich hohen Preis niederschlagen wird.
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Diesem hohen Anspruch wird die in dem konkret angegriffenen Internetauftritt
beworbene Webserver-Produktreihe "HighEnd", welche insgesamt drei Server umfasst,
nicht gerecht. Zu Recht hat die Kammer darauf abgehoben, dass sich die fragliche
Produktreihe von den weiteren Produktreihen der "Windows-" und "Business-"Server
der Beklagten nur geringfügig und insbesondere nicht positiv abhebt, und dass die drei
innerhalb der Reihe beworbenen Produkte auch in Ansehung der auf dem Markt
verfügbaren Konkurrenzprodukte für dediziertes Webhosting nicht besonders
hochwertig und/oder leistungsfähig sind. Sie erreichen nach dem derzeitigen Stand der
Technik unstreitig in keinem Bereich überdurchschnittliches Leistungsniveau, nicht bei
der Hardware wie den eingebauten Prozessoren, bei der Speicherkapazität der
Festplatten oder bei den mit dem Angebot verbundenen Dienstleistungen und
schließlich auch nicht bei dem – mit der Leistung korrespondierenden – Preis. Da sich
Computer-Technologien, wie die Beklagte zutreffend angemerkt hat, stetig
fortentwickeln, ist auch der Bedeutungsinhalt eines "HighEnd"-Produkts aus diesem
Bereich Veränderungen unterworfen. Es bedarf deshalb nicht der Festlegung im
Einzelnen, aufgrund welcher konkreten technischen oder sonstigen Leistungsmerkmale
die beworbenen drei Serverangebote nicht die derzeit bereits verfügbare Oberklasse
darstellen. Die Täuschungsgefahr des angesprochenen Verkehrs besteht unabhängig
hiervon deshalb, weil die fragliche Produktreihe in keiner Hinsicht
überdurchschnittlichen Erwartungen gerecht wird.
27
b)
28
Der konkrete Kontext, in den die Bewerbung der Produktreihe "HighEnd-Server"
eingebettet ist, ist nicht geeignet, ein mit dieser Waren-/Dienstleistungsbezeichnung
einhergehendes Irreführungspotential zu beseitigen und – nur – den Eindruck einer
wettbewerbsrechtlich unbedenklichen reißerischen Anpreisung zu erwecken. Im
Gegenteil finden sich in dem angegriffenen Angebot mehrfach Aussagen, welche auf
eine besonders fortgeschrittene technologische Entwicklungsstufe abheben. So heißt es
in der Überschrift der farblich hervorgehobenen Passage in der Mitte
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"Die HighEnd-Server der nächsten Generation",
30
und zweimal im Text unmittelbar darunter und weiter unten rechts:
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"Mit Ihrem vollen Root-Zugriff neue Maßstäbe setzen"
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bzw.
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"Die neuen T. HighEnd-Server … setzen neue Maßstäbe für …".
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Beide Formulierungen indizieren eine besonders fortschrittliche und auf neuestem
Stand befindliche Technik. Diese allerdings bieten die beworbenen Produkte, wie
ausgeführt, nicht. Der Kammer ist deshalb in der Beurteilung zu folgen, dass es im
Hinblick auf die herausgehobene Anpreisung der zur Irreführung geeigneten
Produktbezeichnung nicht genügt, wenn im Zusammenhang der weiteren Bewerbung
für besonders fachkundige Verkehrskreise anhand der dort enthaltenen
Leistungsbeschreibungen deutlich wird, dass tatsächlich kein technisch
überdurchschnittlich anspruchsvolles Webhosting-Produkt angeboten wird.
35
3.
36
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
ZPO liegen nicht vor.
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