Urteil des OLG Köln vom 20.03.1996

OLG Köln (rücknahme der klage, eröffnung des konkurses, kläger, uwg, original, umstand, antrag, europa, verkehr, zpo)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 160/97
Datum:
20.03.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 160/97
Normen:
UWG § 3; KOSAKEN-CHOR; UNTERNEHMENSKONTINUITÄT;
ALTERSWERBUNG;
Leitsätze:
Kosaken-Chor, Unternehmenskontinuität, Alterswerbung,
UWG § 3 1. Weder die Abmeldung des Gewerbes, noch der Antrag auf
Konkurseröffnung beenden grundsätzlich ein zwischen zwei Parteien
(hier: Konzertagenturen) bestehendes Wettbewerbsverhältnis; auch die
bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen vermutete
Wiederholungsgefahr entfällt hierdurch regelmäßig nicht.
2. Allein der Umstand, daß der musikalische Leiter und Solist eines vor
Jahren aufgelösten Chores einen neuen Chor gleicher Stilrichtung
maßgebend und leitend führt, rechtfertigt nicht die wettbewerblichen
Kontinuitätsaussagen, es handle sich bei diesem "um den einzig noch
existierenden Chor" von "drei im Exil" bzw. "nach dem ersten Weltkrieg"
bzw. "1930 in Berlin ... gegründeten Chor", der "1995...sein 65jähriges
Jubiläum" gefeiert habe.
3. Zur Alleinstellenbehauptung "...größter Kosaken-Chor in Europa".
4. Wettbewerblicher Störer ist auch der Vertreiber mit vom Hersteller mit
irreführenden Aussagen versehenen CD's und Musikkassetten.
Rechtskraft:
rechtskräftig
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil dem Kläger
sämtliche geltendgemachten Ansprüche zustehen. Soweit der Urteilstenor durch die
vorliegende Entscheidung neu gefaßt wird, liegen darin lediglich redaktionelle
Änderungen, die einen (Teil-)Erfolg der Berufung nicht darstellen.
2
A
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Die Unterlassungsansprüche sind aus § 3 UWG begründet, weil die angegriffenen
Aussagen, und zwar teils als unzutreffende Alterswerbung und teils als unzutreffende
4
Alleinstellungswerbung irreführend sind.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ändern weder die Abmeldung seines
Gewerbes, noch der Antrag auf Eröffnung des Konkurses, der im Hinblich auf seine
Ablehnung durch das Konkursgericht auch nicht gem. § 240 ZPO zur Unterbrechung
des vorliegenden Verfahrens geführt hat, etwas am Bestehen des
Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien. Ein solches ist zunächst durch den
Umstand begründet worden, daß beide (in Köln) eine Konzertbüro betrieben, und
besteht deswegen trotz der vorerwähnten Umstände fort, weil nicht ausgeschlossen ist,
daß der Beklagte - nach Konsolidierung seiner finanziellen Verhältnisse - demnächst
wieder sein bisheriges oder ein neu zu gründendes Konzertbüro betreiben wird. Aus
demselben Grund besteht mit Blick auf die nachstehend zu erörternden
Wettbewerbsverstöße auch die Wiederholungsgefahr fort. Hieran ändert es entgegen
der in erster Instanz von dem Beklagten geäußerten Auffassung auch nichts, daß er
einige der beanstandeten Werbeaussagen später geändert haben will. Denn da der
Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bezüglich der hier angegriffenen
ursprünglichen Fassung der Aussagen nicht abgegeben hat, besteht weiterhin die
Gefahr ihrer Wiederholung.
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Sämtliche angegriffenen Aussagen stellen sich auch als irreführend im Sinne des § 3
UWG dar.
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Die 4 in der obigen Tenorierung unter den Buchstaben a)-d) aufgeführten Aussagen
beruhen sämtlich auf der Grundlage, daß es sich bei dem bis zur Abmeldung seines
Gewerbes von dem Beklagten betreuten "Original Schwarzmeer-Kosaken-Chor" um
denjenigen Chor handelt, der bereits im Jahre 1930 gegründet worden ist. Dies trifft
indes nicht zu. Es handelt sich um eine Neugründung eines Chores zu Beginn der 90-
iger Jahre, der zunächst sogar anders, nämlich "Wolga-Don-Kosaken", hieß. Der frühere
Chor ist demgegenüber bereits im Jahre 1967 aufgelöst worden. Allein der Umstand,
daß der Zeuge O. musikalischer Leiter und Solist des früheren und des neuen Chores
war bzw. ist, bewirkt nicht, daß der neue Chor vom Verkehr als der alte Chor angesehen
wird. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, daß ein Chor, der - wie der frühere "Original
Schwarzmeer-Kosaken-Chor" - über Jahrzehnte besteht, sich aus Altersgründen nicht
mehr aus den Sängern "der ersten Stunde" zusammensetzen kann und der Verkehr dies
auch weiß. Der Verkehr erwartet nämlich von einem Chor, der für sich in Anspruch
nimmt, seit dem Jahre 1930 bis heute zu bestehen, daß zwar regelmäßig einzelne
Sänger ausgewechselt worden sind, daß dies aber in so kleinen Schritten geschehen
ist, daß immer der wesentliche Teil der Mitglieder als Stamm über die Erfahrung und das
Können verfügte, die den Ruf des Ganzen ausmachen, und daß auf diese Weise das
Klangbild des Chores erhalten geblieben ist. Dies vermag der Senat, dessen Mitglieder
zu den potentiellen Konzertbesuchern bzw. Käufern der Tonträger des Chores gehören,
ebenso wie die nachfolgend zu erörternden Fragen aus eigener Lebenserfahrung selbst
zu beurteilen. Daß die vorstehenden Kriterien auch nach dem Vortrag des Beklagten
nicht erfüllt sind, ist offenkundig und bedarf daher keiner Begründung.
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Die beiden oben unter e) und f) aufgeführen Aussagen stellen
Alleinstellungsbehauptungen dar, die deswegen ebenfalls als irreführend zu untersagen
sind, weil sie nicht zutreffen.
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Der Chor ist zunächst nicht der "größte Kosaken-Chor in Europa", weil - wie der
Beklagte selbst nicht in Abrede stellt - zumindest der "Bolschoi Don-Chosaken Chor"
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aus deutlich mehr Mitgliedern besteht. Es kann dahinstehen, ob der "Original
Schwarzmeer-Kosaken-Chor" in seinen Konzerten mit mehr Sängern auftritt, als dies die
übrigen Chöre tun, was im übrigen der Beklagte selbst nicht in einer hinreichend
substantiierten Form, die Grundlage für eine Beweisaufnahme sein könnte, behauptet.
Denn der Verkehr erwartet von einem Chor, der als der "größte in Europa" bezeichnet
wird, zumindest auch, daß er über die meisten Mitglieder verfügt. Dies macht nämlich
ungeachtet der Frage, wieviele Sänger in den einzelnen Konzerten auftreten, die - hier
ersichtlich gemeinte - quantitative Größe eines Chores aus, zumal der mitgliederstärkste
Chor im Einzelfall in der Lage ist, mit allen Mitgliedern aufzutreten und dann auch auf
der Bühne mehr Sänger zu präsentieren als die übrigen Chöre.
Daß der "Original Schwarzmeer-Kosaken-Chor" schließlich der einzige bzw. wie es auf
den Tonträgerhüllen sprachlich unzutreffend heißt der "einzigste" Kosaken-Chor in
Europa ist, ist schon angesichts der Umstandes unzutreffend, daß der Kläger bereits in
der Klageschrift (auf S.5 unten) unwidersprochen allein 5 existente weitere Chöre
aufgeführt hat. Der Senat sieht hierzu von weiteren Ausführungen ab, zumal der
Beklagte selbst die Aussage nicht verteidigt und bezüglich des im Zusammenhang mit
der Größe des Chores von dem Kläger angeführten "Bolschoi Don-Chosaken Chor"
keineswegs dessen Existenz bestreitet, sondern lediglich die soeben abgehandelte
Aussage zur Größe des Chores verteidigt.
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Entgegen der im Berufungsverfahren wiederholten Auffassung des Beklagten schuldet
dieser aus den vorstehenden Gründen die Unterlassung auch der Aussagen zu b) bis f),
die im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Tonträger gemacht worden sind. Das gilt
ungeachtet des Umstands, daß diese Aussagen teilweise von der Herstellerin mcp
RECORDS formuliert sein mögen. Denn der Beklagte war nach dem
unwidersprochenen Vortrag des Klägers schon in der Klageschrift (S.5) auch Vertreiber
der Cd's und MusikKassetten mit Aufnahmen des Chores. Bereits diese Tätigkeit auf
dem Markt begründet indes seine wettbewerbliche Verantwortlichkeit. Es kommt hinzu,
daß der Text, der die Aussagen zu b)-d) enthält, sogar die Namensunterschrift des
Beklagten trägt, was unabhängig davon, wie dies zustandegekommen ist, umso mehr
Anlaß für ihn sein mußte, die wettbewerbswidrigen Aussagen zu unterbinden.
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Schließlich berechtigte der angebliche Umstand, daß auch der Kläger früher die
streitgegenständlichen Werbetexte verwendet hat, den Beklagten nicht, die
irreführenden Aussagen zu machen. Denn § 3 UWG dient dem Schutz nicht des
Wettbewerbers, sondern der angesprochenen Verkehrskreise vor der durch
Irreführungen drohenden Gefahr, was eine Rechtfertigung durch den Hinweis auf ein
eigenes wettbewerbswidriges Tun des Klägers ("unclean hands") regelmäßig
ausschließt (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19.Aufl., § 3 UWG RZ 442,
m.w.N.). Schon aus diesem Grunde bedarf es im Rahmen des
Unterlassungsanspruches auch keiner Aufklärung, ob der Kläger bei der
Auseinandersetzung der Parteien dem Beklagten - wie dieser behauptet - gegen
Zahlung eines Betrages von 5.000 DM die Rechte an dem Programmheft und an
Plakatlithos verkauft hat.
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Die aus den vorstehenden Gründen bestehenden Unterlassungsansprüche sind in der
Fassung des obigen Tenors begründet. Soweit der Kläger auf Anraten des Senats im
Termin zur mündlichen Verhandlung deren Wortlaut neu gefaßt hat, liegt hierin lediglich
eine engere Anpassung des erstrebten Verbotes an die Form, in der der Beklagte gegen
§ 3 UWG verstoßen hat, und nicht etwa eine teilweise Rücknahme der Klage. So sind
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die Äußerungen nunmehr in wörtlicher, direkter Rede wiedergegeben und jeweils in den
konkreten Kontext ihrer Wiedergabe gestellt worden. Soweit in der Aussage zu d)
abweichend die Vergangenheitsform gewählt worden ist, beruht dies allein auf dem
Umstand, daß das Jahr 1995 inzwischen abgelaufen ist und aus diesem Grunde eine
Begehung nur noch in der Vergangenheitsform in Betracht kommt. Soweit schließlich
einleitend lediglich die Tonträger und/oder Tonträgerhüllen sowie das Programmheft
aufgeführt sind, beruht dies darauf, daß gerade auf diesen Medien die Äußerungen
gemacht worden sind.
B
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Auch der Auskunfts- und der Schadensersatzanspruch sind in der oben tenorierten
Fassung begründet.
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Das ergibt sich zunächst für den Schadensersatzanspruch aus § 13 Abs.6 Ziff.1 i.V.m. §
3 UWG. Den Beklagten trifft das hierfür erforderliche Verschulden, weil er die Umstände
kannte, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen. Die soeben erwähnte angebliche
Auseinandersetzungsvereinbarung berührt (auch) den Schadensersatzanspruch des
Klägers nicht. Sie betrifft zunächst ohnehin nur den durch die Aussage zu a)
möglicherweise eingetretenen Schaden, weil nur diese Aussage in dem Programmheft
und damit einem Bestandteil der angeblichen Auseinandersetzungsvereinbarung
gemacht worden ist. Aber auch insofern steht dem Kläger der Schadensersatzanspruch
uneingeschränkt zu. Denn auch nach dem Vortrag des Beklagten kann nicht davon
ausgegangen werden, daß dem Kläger die Wettbewerbswidrigkeit der Formulierung
bewußt war und er dem Beklagten das Recht einräumen wollte, auch dann das
Programmheft unverändert zu verwenden, wenn sich darin - zu seinen Lasten -
wettbewerbswidrige Äußerungen befinden. Aus dem Vortrag des Beklagten ergibt sich
schon nicht, daß der Kläger den vorgesehenen Inhalt des Programmheftes damals
wörtlich gekannt hätte. Überdies konnte der Beklagte jedenfalls nicht erwarten, daß der
Kläger - nachdem er zu einem seiner unmittelbaren Wettbewerber geworden war - es
hinnehmen würde, daß er mit dem Programmheft in wettbewerbswidriger Weise für den
"Original Schwarzmeer-Kosaken-Chor" warb.
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Vor diesem Hintergrund ist aus §§ 3, 13 Abs.6 Ziff.1 UWG, 242 BGB auch der
geltendgemachte Auskunftsanspruch ohne weiteres begründet. Dies bedarf keiner
näheren Begründung, zumal der Beklagte seine Verurteilung zur Auskunftserteilung als
solche nicht angreift.
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Der landgerichtliche Urteilstenor zum Auskunftsanspruch ist um die - offensichtlich
durch ein Schreibversehen nicht aufgeführten - einleitende Worte: "2.) dem Kläger
Auskunft zu erteilen," zu ergänzen. Schließlich wird durch die oben vorgenommene
Ergänzung des Urteilsausspruches zur Verpflichtung des Beklagten zum
Schadensersatz verdeutlicht, daß der Beklagte nur zum Ersatz des Schadens
verpflichtet ist, der auf ihm zurechenbaren Handlungen beruht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer des Beklagten entspricht dem
Wert seines Unterliegens im Rechtsstreit.
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Der Streitwert wird im Einverständnis der Parteien für das Berufungsverfahren unter
nachfolgender Differenzierung endgültig entsprechend der urspünglichen Angabe des
Klägers auf 50.000 DM festgesetzt:
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Antrag auf Unterlassung (6 X 6.000 DM =) 36.000 DM Antrag auf Auskunft 4.000 DM
Antrag auf Schadensersatzfeststellung 10.000 DM Gesamtstreitwert 50.000 DM
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