Urteil des OLG Köln vom 13.12.2007
OLG Köln: wohl des kindes, gemeinsame elterliche sorge, eltern, haushalt, kindeswohl, vaterschaft, erziehungsfähigkeit, report, sorgerechtsentscheidung, trennung
Oberlandesgericht Köln, 4 UF 93/07
Datum:
13.12.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 UF 93/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 49 F 226/04
Tenor:
1.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Sorgerechtsentscheidung
im Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Bonn vom 20.03.2007 –
49 F 226/04 – (Ziffer 3 des Urteilstenors), mit welcher das Sorgerecht für
die minderjährigen Kinder Z und B zur alleinigen Ausübung auf die
Antragsgegnerin, die Kindesmutter, übertragen worden ist, wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
2.
Der Antrag des Antragstellers, ihm zur Durchführung des
Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird mangels
der gemäß § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der
Beschwerde zurückgewiesen.
3.
Der Antragsgegnerin wird zur Rechtsverteidigung gegen die
Beschwerde des Antragstellers ratenfreie Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung von Rechtsanwalt N in C bewilligt.
G r ü n d e:
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Die gemäß § 621 e ZPO zulässige – insbesondere form- und fristgerecht eingelegte –
befristete Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat
das Familiengericht das alleine elterliche Sorgerecht auf die Antragsgegnerin
übertragen.
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Die hiergegen gerichteten Angriffe des Antragstellers, der die Übertragung der
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elterlichen Sorge auf sich begehrt, rechtfertigen keine andere Entscheidung. Gemäß §
1671 Abs. 1, 2 Ziffer 2 BGB war die alleinige elterliche Sorge bezüglich der Kinder Z
und B auf den Gegenantrag der Antragsgegnerin auf diese zu übertragen, da zu
erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die
Antragsgegnerin dem Wohl der Kinder am Besten entspricht. Zu Unrecht rügt der
Antragsteller, dass das Familiengericht als einzige formellhafte Begründung für seine
Entscheidung angegeben habe, dass dies dem Wohl der Kinder am Besten entspreche,
dies dann aber vom Gericht nicht mehr näher begründet worden sei. Das Gericht hat
sich sehr wohl mit der Kindeswohlfrage im Einzelnen auseinandergesetzt. So hat es
zunächst Bezug genommen auf die erstinstanzlich eingeholten
Sachverständigengutachten vom 04.11.2005 (Bl. 36 bis 119 SO GA) sowie vom
01.12.2006 (Bl. 173 bis 226 SO GA) und die dortigen überzeugenden Feststellungen zur
Sorgerechtsfrage zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Dabei war es nicht
erforderlich, im Einzelnen die sachverständigerseits gemachten Ausführungen zu
wiederholen, da der Inhalt der beiden vorgenannten Gutachten den am
Sorgerechtsverfahren Beteiligten genügend bekannt war, hatten sie doch ausführlich
hierzu Stellung genommen. Entscheidend ist, dass das Familiengericht die tragenden
Gründe der Gutachterin in seiner Entscheidung verwertet und im Einzelnen mit der
durch das Sachverständigengutachten ihm vermittelten eigenen Sachkunde seine
Entscheidung begründet hat. Zutreffend weist der Antragsteller zwar darauf hin, dass es
nach den Ausführungen der Sachverständigen Dipl.-Psychologin L auch möglich
erscheint, dass der Antragsteller die Betreuung und Erziehung der betroffenen Kinder
der Parteien ausübt. Zweifel bestehen allerdings bereits daran, ob die spezielle
Erziehungsgeeignetheit des Antragstellers in gleichem Maße besteht wie bei der
Antragsgegnerin. Dies ist vorliegend jedoch nicht von entscheidender Bedeutung, da
auch bei gleicher Erziehungsgeeignetheit der beteiligten Elternteile die
Sorgerechtsentscheidung zu Gunsten der Antragsgegnerin unter
Kindeswohlgesichtspunkten gerechtfertigt ist.
Überzeugend hat die Sachverständige in den genannten Gutachten belegt, was im
Übrigen durch die Vielzahl der zwischen den Parteien geführten familienrechtlichen –
insbesondere sorgerechtlichen – gerichtlichen Streitigkeiten, deren Akten dem Senat
vorliegen, und dem Verlauf dieses Sorgerechtsverfahrens eindrucksvoll untermauert
wird, dass die Kindeseltern heillos zerstritten sind und eine Kommunikation auch über
wesentliche Kindesbelange nicht möglich erscheint. Unter den gegebenen Umständen
erfordert dies die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf ein Elternteil, und im
vorliegenden Fall auf die Antragsgegnerin.
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Bei mangelnder Konsens- und Kooperationsbereitschaft der Eltern ist zu prüfen, welche
Auswirkungen die fehlende Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung
der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird (vgl. BGH
FamRZ 1999, 1646; OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 111; OLG-Report Köln 2006, 853 –
855). Führt diese heillose Zerstrittenheit der Eltern dazu, dass sie nicht mehr in der Lage
sind, zum Wohle des Kindes zu handeln, scheidet ein gemeinsames Sorgerecht aus. Es
muss also erkennbar sein, dass sich das schlechte Verhältnis zwischen den Eltern
negativ auf das Kindeswohl auswirkt und zu befürchten ist, dass sich zukünftig negative
Auswirkungen ergeben können.
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So liegt der Fall hier. Denn es kann nicht erkannt werden, dass die zur Beibehaltung der
gemeinsamen elterlichen Sorge erforderliche Kommunikationsfähigkeit der Eltern sowie
deren objektive und subjektive Kooperationsbereitschaft in den das Kind betreffenden
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Grundfragen gegeben ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass
Meinungsverschiedenheiten, auch wenn sie emotionsreich geführt werden, zwischen
den Eltern eine solche Kooperationsbereitschaft nicht ohne Weiteres ausschließen.
Andererseits kann den Kindern nicht zugemutet werden, ständig emotionsgeladene
Streitigkeiten zwischen den Elternteilen miterleben zu müssen. Können die Eltern ihre
Auseinandersetzungen nicht zivilisiert und die Kinder nicht belastend austragen, muss
dies zu einem Alleinsorgerecht führen (vgl. Oelkers, Die Entwicklung des Sorgerechts
bis 2001, Teil 2, FuR 2002, Seite 168, 170 II, 2.a (bb) m. w. N.; OLG-Report Köln 2007,
115). Die Fähigkeit zum kooperativen Verhalten äußert sich darin, dass die Eltern in der
Lage sind, persönliche Interessen und Differenzen zum Wohle des Kindes
zurückzustellen. Danach ist nach Auffassung des Senats eine Kooperationsbereitschaft
so lange gegeben, wie zwischen den Eltern in allen Angelegenheiten von erheblicher
Bedeutung für das Kind (§ 1687 BGB) Einigkeit besteht bzw. mit Hilfe Dritter – aber
ohne Gerichtsverfahren – hergestellt werden kann. Lässt sich eine
Kooperationsfähigkeit in diesem Umfang nicht feststellen, ist die gemeinsame elterliche
Sorge aufzuheben (vgl. Oelkers, a. a. O. m. w. N.). So ist die Aufhebung der
gemeinsamen Sorge zum Wohl des Kindes insbesondere auch dann geboten, wenn die
Eltern nach der Trennung nur noch über die Rechtsanwälte verkehren und z. B.
ständige Streitereien über die Ausübung des Umgangsrechts entstehen (so Ölkers, a. a.
O.; Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl. 2007, § 1687 Rdn. 7).
Gerade das ist hier der Fall. Die Eltern streiten bereits seit dem Jahre 2004 in einer
Vielzahl von gerichtlichen Verfahren über Umgangs- und Sorgerechtsfragen. Auch das
hiesige Verfahren konnte nicht erreichen, dass sich die geschiedenen Eheleute zum
Kindeswohle über die wesentlichen Kindesfragen verständigen können. Dabei belegen
die eingeholten Sachverständigengutachten doch in eindeutiger Weise, dass eine
solche Einigungsfähigkeit und –bereitschaft dringend erforderlich ist, um die seelisch-
geistige Entwicklung der Kinder zu fördern. Es braucht aber letztendlich nicht geklärt zu
werden, wer im Einzelnen die "größere Schuld" an diesen ständigen Streitereien trifft.
Denn entscheidend ist zunächst, dass es unter den gegebenen Umständen bei der
gemeinsamen Sorge nicht verbleiben kann und ein Verbleib der Kinder beim Vater
ausscheidet.
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Allerdings merkt der Senat an, dass die eingeholten Gutachten doch eindrucksvoll
belegen, dass es jedenfalls zu Beginn der Trennung der Eheleute der Antragsteller war,
der die Schärfe in die Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten brachte. Dies
begann schon damit, dass er zunächst die Vaterschaft für die Tochter B anzweifelte und
dann die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter ganz massiv in Zweifel zog, ohne dass
sich hierfür – wie die Sachverständigengutachten belegt haben –durchschlagende
Anhaltspunkte ergaben. Die Vorbehalte gegenüber der Kindesmutter hat der
Antragsteller auch in das Verhältnis zu seinen Kindern – hier insbesondere zu Z –
übertragen. Um Z an sich zu binden, hat er immer wieder versucht, die Kindesmutter
gegenüber Z schlecht zu machen und seinen Sohn insoweit für sich einzunehmen. Dies
führte dazu, dass Z, der zu beiden Elternteilen eine enge Bindung hat, in einen starken
emotionalen Konflikt geraten ist bei der Entscheidung, bei wem er letztendlich bleiben
will. So hat er sich gegenüber der Sachverständigen und auch gegenüber dem Gericht
bei seiner Anhörung am 14.02.2007 (vgl. richterlichen Vermerk vom gleichen Tage, Bl.
246, 247 SO GA) zu dieser Frage hinhaltend und ausweichend verhalten. Er will weder
seinem Vater noch seiner Mutter wehtun und deren Liebe verlieren. Andererseits hat die
Sachverständige überzeugend festgestellt (vgl. insbesondere die Seiten 73 – 79 des
Sachverständigengutachtens vom 04.11.2005, Bl. 110 bis 116 SO GA), dass Z im
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Haushalt des Vaters ständig negativen Beeinflussungen gegen die Mutter ausgesetzt
sei und der Kindesvater massive Abwerbungsversuche auch während des
Hausbesuches seitens der Sachverständigen gemacht habe. Mit der Sachverständigen
ist der Senat der Überzeugung, dass dies als äußerst bedenklich für die weitere
Entwicklung des Jungen einzuschätzen ist und vor allem die Bindungsbedürfnisse zu
seiner Mutter beeinträchtigt. Plastisch hat die Sachverständige dann den
Loyalitätskonflikt von Z beschrieben, der vor allem durch das Verhalten des
Antragstellers herbeigeführt worden ist. Folgerichtig hat die Sachverständige aus den
vereinzelten, konfliktbedingten Willensäußerungen Z’s, zukünftig bei dem Vater wohnen
zu wollen, keinesfalls eine stabile Motivation für einen Aufenthaltswechsel abgeleitet,
sondern diese Äußerungen mehr als deutliches Signal der Überforderung und
Belastung des Jungen eingestuft. Zu dem gleichen Ergebnis ist das Familiengericht
aufgrund der eigenen Kindesanhörung gelangt (vgl. insoweit Seite 79 des
Sachverständigengutachtens vom 04.11.2005, Bl. 116 SO GA; gerichtlicher Vermerk zur
Kindesanhörung vom 14.02.2007, Bl. 246 f. SO GA). Zusammenfassend hat die
Sachverständige dann in dem vorgenannten Gutachten festgestellt, dass die primären
Bindungen des Kindes bei der Kindesmutter liegen und daher der Verbleib von Z bei
der Kindesmutter angezeigt ist. Hierfür sprechen im Übrigen auch die bisher
ununterbrochene Betreuungskontinuität bei der Kindesmutter und die daraus
resultierende alltägliche Verwurzelung des Jungen im mütterlichen Haushalt. Dies muss
der Antragsteller akzeptieren und darf die Kindesmutter nicht in ihrer mütterlichen
Fürsorgefunktion in Frage stellen. Auch die direkten und indirekten "Abwerbungen" Z’s
in seinen Haushalt – wie sie von der Sachverständigen in dem vorgenannten Gutachten
festgestellt worden sind – hatte er und auch andere Mitglieder seines Haushaltes zu
unterlassen (hier insbesondere der älteste Sohn des Antragstellers, der Halbbruder Z’s).
Diese dem Kindeswohl abträglichen Verhaltensweisen des Antragstellers, die zum
Beispiel das Verhalten seines ältesten Sohnes dulden, sind dem Kindeswohl – wie
oben aufgezeigt – abträglich und beeinträchtigen seine spezielle Erziehungsfähigkeit
insoweit, als er dies nicht erkennt bzw. gegen seine Erkenntnis handelt.
Da es, wie oben aufgezeigt, nicht bei der gemeinsamen Sorge verbleiben kann, kann
bei der gegebenen Sachlage die alleinige Sorge nur auf die Kindesmutter übertragen
werden.
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Ebenso liegt die Situation bezüglich der Tochter B. Hier ist die Bindung an die
Kindesmutter noch viel stärker als bei Z. Die Tochter B wird im Februar drei Jahre alt.
Sie hat bisher lediglich sporadisch Kontakt zum Kindesvater. Dies war anfangs
sicherlich auch dadurch bedingt, dass der Kindesvater zunächst seine Vaterschaft
bestritten hat. Dies mag bei der Kindesmutter sicherlich starke zusätzliche Gefühle
gegen den Kindesvater geweckt haben. Das hat sich auch in den sich schwierig
gestaltenden zugebilligten Umgangskontakten zu B wiedergespiegelt. Gleichwohl ist
festzustellen, dass eine sichere Bindung B’s zum Kindesvater, die es rechtfertigen
könnten, ihm das alleinige Sorgerecht zu überlassen, sicherlich nicht gegeben ist.
Aufgrund der überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen L im Gutachten vom
01.12.2006 (Bl. 173 bis 224 SO GA), auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten
Bezug genommen wird, ist ein Verbleiben B’s im Haushalt der Kindesmutter unter
Kindeswohlgesichtspunkten zwingend geboten (vgl. insoweit insbesondere für beide
Kinder die Seiten 46 – 50 des Gutachtens, Bl. 220 bis 224 SO GA).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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2.
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Aus den Gründen zu Ziffer 1 dieses Beschlusses war der Antrag des Antragstellers auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren mangels der gemäß §
114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht zurückzuweisen.
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3.
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Der Antragsgegnerin war gemäß § 119 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da sie im
Beschwerdeverfahren eine ihr günstige Entscheidung verteidigt.
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4.
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Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 1.800,00 € (§ 48 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 621 Abs. 1
Nr. 1 ZPO).
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