Urteil des OLG Köln vom 01.07.2008

OLG Köln: güterrechtliche auseinandersetzung, trennung, lebensgemeinschaft, informationspflicht, obliegenheit, feststellungsklage, wiederaufnahme, scheidungsklage, verdacht, vollstreckbarkeit

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 8/08
Datum:
01.07.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 UF 8/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 40 F 293/07
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.12.2007 verkündete
Teil-Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn - 40 F 293/07 -
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
1
Die zulässige – insbesondere form- und fristgerecht eingelegte – Berufung der
Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts
ist der Zugewinn nicht vorzeitig auszugleichen.
2
Die Klage auf Durchführung des vorzeitigen Zugewinns ist zulässig, auch wenn
mittlerweile die Scheidungsklage rechtshängig ist. Ihr fehlt wegen der Regelung in §
1388 BGB insbesondere nicht das Rechtsschutzinteresse ( vgl. Palandt/Brudermüller,
BGB, 67. Auflage 2007, § 1386 Rn. 8 ).
3
Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf vorzeitigen
Zugewinnausgleich gemäß § 1386 Abs. 2 und 3 BGB zu. Die Beklagte hat nicht gegen
ihre Verpflichtung, über den Bestand ihres Vermögens zu unterrichten, beharrlich
verstoßen. Das eheliche Güterrecht verpflichtet die Ehegatten grds. nur im Rahmen des
§ 1379 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB einander Auskunft über den Bestand des eigenen
Vermögens zu geben, somit erst nach Beendigung des Güterstandes bzw. bei
Rechtshängigkeit der Scheidungs- oder Eheaufhebungsklage und jeweils nur bezogen
auf die jeweiligen Stichtage ( §§ 1384, 1387 BGB). Diese Voraussetzungen lagen bei
Klageerhebung nicht vor.
4
Unabhängig vom Güterstand folgt darüber hinaus eine Verpflichtung der Eheleute zur
wechselseitigen Information aus § 1353 BGB ( sog. Unterrichtungsanspruch ). Auch
diese Verpflichtung hat die Beklagte nicht verletzt. Vielmehr ist die Beklagte ihrer
Informationspflicht gegenüber dem Kläger in ausreichendem Maße nachgekommen, so
dass der Senat nicht abschließend zu entscheiden brauchte, ob der Auskunftsanspruch
des Klägers nach § 1353 BGB auch noch nach der Trennung der Parteien in dem
geforderten Umfang bestand.
5
Die während des Zusammenlebens der Eheleute existierende Informationspflicht
besteht nur im Groben. Die eheliche Lebensgemeinschaft begründet zwar für jeden
Ehegatten die Obliegenheit, den jeweils anderen Ehegatten über die Verwendung des
Familieneinkommens wenigstens in groben Zügen zu unterrichten. Bei einer Verletzung
dieser Obliegenheit gilt die Überlegung, dass Eheleute während ihres
Zusammenlebens Ausgaben nicht mit derselben Genauigkeit verbuchen und abrechnen
wie Vertragsparteien, die nicht in ehelicher Lebensgemeinschaft verbunden sind ( so
BGH FamRZ 2001, 23, 24 ). Für die Zeit nach der Trennung der Parteien und einer weit
gehenden wirtschaftlichen Entflechtung der ehelichen Verhältnisse kann die
Auskunftspflicht der Eheleute untereinander für Vermögensfragen, die das eigene
Vermögen des um Auskunft Ersuchten – hier der Beklagten – betreffen, jedenfalls nicht
umfassender ausgestaltet sein.
6
Die "wirtschaftliche Trennung" der Parteien erfolgte im Frühjahr 2006. Danach
"verfügte" jeder Ehegatte über sein eigenes Einkommen selbst. Die Beklagte hatte
danach keinen Zugriff mehr auf das Vermögen des Klägers. Soweit der Kläger angibt,
die Beklagte habe im Frühjahr 2006 das gemeinsame Konto "leer geräumt" und auf ein
eigenes neues Konto überwiesen, begründet dies keinen Auskunftsanspruch aus §
1353 BGB, denn der Kläger weiß insoweit alles über die "Transaktion".
7
Im Übrigen hatte die Beklagte - wie sie in ihrer Klageerwiderung vom 07.09.2008 auf
Seite 4 (Blatt 13 GA) zutreffend ausführt – dem Kläger auf seine Auskunftsbegehren vom
04./11. und 19.06.2007 ( Blatt 4 – 6 GA ) nach endgültiger Trennung der Parteien zu
Beginn 2007 ausreichende Auskunft erteilt. Danach stand fest, dass auf dem "neuen
(eigenen) Konto" der Beklagten kein Vermögen mehr vorhanden war, also jedenfalls
das im Frühjahr 2006 "abgeräumte" Geld, dessen Höhe der Kläger kennt, ausgegeben
war, und zwar – so die plausible Einlassung der Beklagten - für Kosten der
Lebenshaltung; dies galt nach der Auskunft der Beklagten im Übrigen auch für das
sonstige laufende Erwerbseinkommen der Beklagten, welches auf dieses Konto
überwiesen wurde. In der konkreten Situation brauchte die Beklagte nicht zusätzlich
erklären, ob und in welcher Höhe sie für welche Zwecke evt. Darlehen aufgenommen
hatte. Den Belangen des Klägers war zunächst genüge getan, wenn er grob darüber
unterrichtet wurde, was mit dem von der Klägerin auf ihr Konto überwiesenen
Familienvermögen geschehen war und dass die Beklagte über kein Vermögen mehr
verfügte, dass sie vielmehr das Konto überziehen musste. Vom Auskunftsanspruch nicht
gedeckt war dann die Frage, ob und in welcher Höhe die Beklagte darüber hinaus – z.B.
für Urlaubszwecke - weitere Kredite aufnahm. Denn Inhalt und Umfang der
Informationspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Sie soll den
anderen Ehegatten nur in die Lage versetzen, sich ein "ungefähres Bild" von der
Vermögenslage zu machen. Eine detaillierte Auskunft gemäß § 260 BGB kann nicht
verlangt werden ( vgl. OLG Hamm FamRZ 2000, 228 – 230 ). Daher reichte ein
allgemeiner Hinweis der Beklagten aus, dass einer vermeintlichen
8
Zugewinnausgleichsforderung des Klägers ( hohe ) Verbindlichkeiten ihrerseits
entgegenstünden, ohne dass dies weiter zu erläutern gewesen wäre. Ob der Kläger
wegen § 1357 Abs. 1 BGB über eingegangene Verbindlichkeiten der Beklagten bei
noch bestehender häuslicher Gemeinschaft ( vgl. § 1567 BGB ) umfangreicher zu
informieren gewesen wäre, kann wegen der Trennung der Parteien unter Hinweis auf
die Regelung in § 1357 Abs. 3 BGB dahinstehen.
Es war Sache des Klägers bei der erhaltenen Auskunft zu entscheiden, ob er Rechte
aus §§ 1375, 1386 Abs. 2 Nr. 2 BGB herleiten konnte. Es war und ist nicht Sache der
Beklagten, ihm die Tatsachen hierfür zu liefern.
9
Tatsächlich ging es dem Kläger auch gar nicht um eine Auskunft, um sich einen
allgemeinen Überblick über den Vermögensstand der Beklagten zu verschaffen.
Vielmehr will der Kläger die Beklagte auch noch nach der endgültigen räumlichen und
wirtschaftlichen Trennung im Einzelnen kontrollieren und in Erfahrung bringen, ob die
Beklagte in der Zeit nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft Kredite
aufgenommen hat, also erforschen, wie sie wirtschaftet. Dieses Auskunftsverlangen
dient damit nicht dem Informationszweck im Rahmen ihrer Verpflichtung zur ehelichen
Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 BGB. Vielmehr wollte der Kläger eine (vorzeitige)
güterrechtliche Auseinandersetzung mit der Beklagten vorbereiten. Dies zeigt auch sein
Hinweis auf den angeblichen Ausspruch der Beklagten, "sie werde sein
Anfangsvermögen platt machen". Hier zeigt sich aber das auf den Zugewinnausgleich
hin ausgerichtete Auskunftsziel des Klägers. Allein die Äußerung der Beklagten, sie
werde den Ausgleichsanspruch des Klägers vereiteln, reicht für sich aber nicht zur
Begründung eines weitergehenden Auskunftsanspruchs. Vielmehr müssen konkrete
Tatsachen dargelegt werden, die auf ein illoyales Verhalten der Beklagten gegenüber
dem Kläger bezüglich von ihr getätigter Vermögensverfügungen schließen lassen. Ein
solcher Vortrag fehlt. Der begründete Verdacht "illoyaler Vermögensverfügungen" durch
die Beklagte kann nämlich nicht darauf gestützt werden, die Beklagte führe nunmehr
einen Lebensstil, der deutlich aufwändiger – so die getätigten Urlaubsreisen mit den
Kindern - als während des Bestandes der häuslichen Gemeinschaft sei. Eine
"Verschleuderung von Vermögenswerten" kann hierin jedenfalls nicht gesehen werden.
10
Daher kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage seine Feststellungsklage auch
nicht auf §§ 1386 Abs. 2 Nr. 2, 1375 BGB stützen. Er kann den Auskunftsanspruch aus
§§ 242, 1353 BGB nicht zur Vorbereitung einer Klage auf vorzeitigen
Zugewinnausgleich missbrauchen und bei Nichtabgabe der ( nicht geschuldeten )
umfassenden Auskunft den Anspruch aus § 1386 Abs. 3 BGB herleiten (zum Verhältnis
zwischen Feststellungsklage auf vorzeitigen Zugewinnausgleich und
Auskunftsanspruch vgl. auch OLG Celle FamRZ 1983, 171-172).
11
Damit ergibt sich, dass die Beklagte einen evt. bestehenden Auskunftsanspruch erfüllt
hat und jedenfalls ein weitergehender Anspruch in dem geltend gemachten Umfang
nach dem Scheitern der Ehe nicht mehr geschuldet wird, da es nicht um die Verwaltung
fremden – des Klägers - Vermögen sondern des eigenen Vermögens geht. So kann der
Anspruch aus § 1353 BGB nur solange Bestand haben, wie auch die eheliche
Lebensgemeinschaft besteht bzw. deren Wiederaufnahme noch ernstlich erwartet
werden kann. Entscheidend ist nämlich, dass die Unterrichtungsansprüche auf die
ehelichen Lebensverhältnisse bezogen sind. Sie sind deren Auswirkungen in Gestalt
der Rechtspflicht, auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten aufeinander
Rücksicht zu nehmen. Blieben sie auch nach dem Scheitern der Ehe bestehen,
12
veränderten sie ihren Zweck: ( vgl. hierzu OLGR Karlsruhe 2002, 424 – 426 = FÜR
2002, 312 – 313; soweit der BGH-FamRZ 2005, 689 – Die Sach- und Rechtslage wird
erörtert. Urteil des OLG Karlsruhe aufgehoben hat, erfolgte dies nicht, weil er dem Urteil
in der Frage eines Unterrichtungsanspruchs nach § 1353 BGB nach dem Scheitern der
Ehe nicht gefolgt ist; diese Frage hat er vielmehr dahinstehen lassen). Statt der
Lebensgemeinschaft der Ehegatten dienten sie nunmehr der Kontrolle der
vermögensmäßigen Aktivitäten des anderen Ehegatten mit dem Ziel eines
Ersatzanspruchs gegen diesen, etwa nach §§ 823 ff. BGB. Dies rechtfertigt aber keine
weiter gehende - aus § 242 BGB herzuleitende - Pflicht zur Unterrichtung ( vgl. BGH
FamRZ 2001, 23, 24 ).
Eine intakte eheliche Lebensgemeinschaft gab es aber nach der Schilderung beider
Parteien über den Zustand ihrer Beziehung schon im Juni 2007 nicht mehr.
Zwischenzeitlich ist auch Scheidungsklage erhoben, was die Überzeugung des Senats
zum Scheitern der Ehe bereits im Juni 2007 nur bekräftigt. Nach der Trennung der
Parteien waren die geltend gemachten Unterrichtungsansprüche nicht mehr auf die
ehelichen Lebensverhältnisse bezogen. Der Kläger hatte nicht die Wiederaufnahme der
ehelichen Lebensgemeinschaft im Auge, sondern gerade das Gegenteil, nämlich die
endgültige auch wirtschaftliche Auseinandersetzung.
13
Bestand aber im Juni 2007 nur noch ein allenfalls eingeschränkter
Unterrichtungsanspruch des Klägers, so kam die Beklagte mit ihrer Auskunftserteilung
im Juni 2007 ihrer Verpflichtung nach. Der Anspruch des Klägers wurde erfüllt.
14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
15
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist begründet nach §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
16
Streitwert:
nach Klägervorstellung )
17