Urteil des OLG Köln vom 09.01.2009

OLG Köln: negative feststellungsklage, webseite, verfügung, dringlichkeit, erlass, anhörung, software, internet, archiv, gutachter

Oberlandesgericht Köln, 6 W 3/09
Datum:
09.01.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 3/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 33 O 395/08
Normen:
UrhG § 101 a Abs. 3; ZPO §§ 935, 940; RiLi 2004/48/EG Art. 7
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Landgerichts Köln vom 19.12.2008 - 33 O 395/08 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
G r ü n d e :
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Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der
Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zur Durchführung einer Besichtigung ist unbegründet. Zu Recht hat die
Kammer, ohne insoweit die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer
Urheberrechtsverletzung als Voraussetzung des Anspruchs aus § 101a Abs. 1 UrhG auf
Duldung der Besichtigung einer Sache (hier: sachverständige Untersuchung von bei der
Antragsgegnerin programmierter und / oder eingesetzter Software) prüfen zu müssen,
bereits das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Gegen die zutreffenden
Erwägungen im angefochtenen Beschluss, auf die der Senat in vollem Umfang
zustimmend Bezug nimmt, wendet sich die Beschwerde ohne Erfolg.
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Zur Durchsetzung des Anspruchs aus § 101a UrhG (als Sondervorschrift zu § 809 BGB
in seiner Auslegung durch BGHZ 150, 377 = GRUR 2002, 1046 – Faxkarte) im Wege
der einstweiligen Verfügung nach § 101a Abs. 3 UrhG bedarf es gemäß §§ 935, 940
ZPO einer besonderen Dringlichkeit. Der im Schrifttum (Kühnen, GRUR 2005, 185 [194];
Tilmann, GRUR 2005, 737 [738]) vertretenen Auffassung, dass Art. 7 der Richtlinie
2004/48/EG es nicht erlaube, die erstrebte Beweishilfe wegen fehlender Dringlichkeit zu
verweigern, ist der deutsche Gesetzgeber aus gutem Grund (vgl. Eck / Dombrowski,
GRUR 2008, 387 [393]; vgl. auch Peuckert / Kur, GRUR Int. 2006, 292 [300]; Wandtke /
Bullinger / Ohst, Urheberrecht, 3. Aufl., § 101a UrhG Rn. 34) nicht gefolgt: Die ohne
Anhörung des Gegners erstrebte Anordnung scheitert zwar nicht am grundsätzlichen
Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache, bei fehlendem Verfügungsgrund aber an
dem auch nach der Richtlinie zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
(Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5048 S. 28). Der
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Rechtsinhaber hat also den Verfügungsgrund glaubhaft zu machen (a.a.O., S. 41), wie
schon das Landgericht richtig ausgeführt hat. Dazu gehört, dass er sich nicht übermäßig
lange Zeit mit der Anbringung des Besichtigungsantrags lassen darf (vgl. Kühnen,
a.a.O.; Eck / Dombrowski, a.a.O.).
Davon, dass die Antragstellerin seit Kenntnisnahme von dem vermeintlich
anspruchsbegründenden Sachverhalt bis zu ihrem Antrag auf Erlass der einstweiligen
Verfügung durchgängig das Ziel verfolgt hätte, den begehrten vorläufigen Rechtsschutz
so schnell wie möglich zu erlangen, kann im Streitfall indessen keine Rede sein.
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Sie begründet den Verdacht der urheberrechtswidrigen Nutzung ihrer eigenen Software
durch die Antragsgegnerin in erster Linie damit, dass deren Webseite wegen ihres im
Wesentlichen gleichen Designs eine unberechtigte Kopie ihrer eigenen Webseite nach
dem Stand von Ende 2005 bis 2006 sei. Denselben Vorwurf hatte sie bereits in den
Abmahnungen vom 08.06.2006 (Anlage AG 4 zur Schutzschrift vom 16.07.2008) und
03.01.2007 (Anlage AG 5 ebd.) erhoben. Aber erst im Oktober / November 2008
beauftragte die Antragstellerin (nachdem die Antragsgegnerin Mitte 2008 negative
Feststellungsklage erhoben hatte) Gutachter damit, die bis Ende 2006 im Internet-Archiv
archive.org gespeicherten Versionen der Webseiten der Parteien auf Anhaltspunkte für
eine (teilweise) Quellcode-Identität zu überprüfen (obwohl sie zumindest eine Identität
der HTML-Quellcodes schon 2006 behauptet hatte). Der am 08.12.2008 angebrachte
Verfügungsantrag dient ausweislich der Antragsschrift der Beschaffung weiterer
Beweismittel für das bereits am 19.11.2008 anhängig gemachte Hauptsacheverfahren
33 O 374/08, wobei der nunmehr vom Gericht zu beauftragende Sachverständige eine
Nutzung des Quellcodes der Webseite der Antragstellerin nach dem Stand 2005 –
"insbesondere, aber nicht ausschließlich" bestimmter PHP-Dateien – untersuchen soll.
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Eine besondere Eilbedürftigkeit und Gefahr der Vernichtung von Beweisstücken durch
den Gegner (vgl. Antrag zu Nr. II 2) kann vor Gericht nicht mehr geltend machen, wer wie
die Antragstellerin (die als Betreiberin eines Internetdienstes besonders vertraut mit
schnellen Kommunikationsmedien und technischen Veränderungen ist) über zwei Jahre
zuwartet, bevor sie geeignete Schritte zur Sammlung von Beweismitteln gegen
vermeintliche Plagiatoren ihrer geschützten Webseite (nämlich der diese Webseite
bildenden Computerprogramme) unternimmt. Tatsächliche Anhaltspunkte für die
behauptete Rechtsverletzung, die von den mit erheblicher Verzögerung beauftragten
Privatgutachtern ermittelt worden sein mögen (auch wenn es sich um bisher
unbekannte, im Rahmen des vorliegenden Verfahrens noch zu verifizierende Indizien
für ein Kopieren von PHP-Quellcodes handelt), begründen keine neue Dringlichkeit.
Dass dies erst recht für die unternehmerische Entscheidung der Antragstellerin gilt, seit
März 2008 auch eine deutsche Sprachversion ihres Internetdienstes anzubieten und
damit stärker als bisher in Konkurrenz zur Antragsgegnerin als vermeintlicher
Rechtsverletzerin zu treten, liegt auf der Hand.
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Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Nr. III der Antragsschrift war
unter Nr. I und II – wohl der sogenannten "Düsseldorfer Besichtigungspraxis" folgend –
ein im angefochtenen Beschluss nicht ausdrücklich behandelter Antrag auf
Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO
vorangestellt. Wenn der Antrag nicht dahin auszulegen sein sollte, dass eine
Entscheidung insoweit nur für den Fall einer positiven Entscheidung über den
Verfügungsantrag zu Nr. III begehrt werde, wird das Landgericht darüber
(gegebenenfalls nach Anhörung der Antragsgegnerin) noch zu befinden haben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Beschwerdewert: 200.000,00 €
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