Urteil des OLG Köln vom 31.03.2005

OLG Köln: berufliche tätigkeit, erfahrung, rechtfertigung, hauptsache, berufsunfähigkeit, zusatzversicherung, berufsbild, ermessen, verfahrenskosten, datum

Oberlandesgericht Köln, 5 W 32/05
Datum:
31.03.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 W 32/05
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 9 O 478/04
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der 9.
Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 31. Januar 2005 - 9 O 478/04 -
unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise
abgeändert.
Die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten des
Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Die gemäß § 91 a Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in
der Sache zum Teil Erfolg.
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Das Landgericht hat die Kosten des durch Anerkenntnis und Zahlung in der Hauptsache
erledigten Rechtsstreits dem Kläger auferlegt mit der Begründung, die auf Feststellung
der Leistungspflicht aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gerichtete Klage
sei bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses unschlüssig gewesen, da der Kläger
seinen in gesunden Tagen ausgeübten Beruf nicht hinreichend beschrieben habe.
Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach
übereinstimmender Erledigungserklärung ist unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden (§ 91
a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Neben anderen Gesichtspunkten ist bei dieser Entscheidung vor
allem auf die Erfolgsaussichten der Klage abzustellen. Auch wenn diese Prüfung auf
der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes zu erfolgen hat, ist es nicht
sachgerecht, einer klagenden Partei stets dann die gesamten Verfahrenskosten
aufzuerlegen, wenn das erledigende Ereignis zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem die
Klageforderung noch nicht schlüssig dargelegt war. Das erscheint jedenfalls dann
unbillig, wenn das Gericht bei Fortgang des Rechtsstreits die Verpflichtung gehabt hätte,
auf die Unschlüssigkeit der Klage hinzuweisen, und zu erwarten gewesen wäre, dass
die klagende Partei auf einen solchen Hinweis ihr Vorbringen entsprechend ergänzt
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hätte. So liegt der Fall hier: Es entspricht langjähriger Erfahrung des mit der Bearbeitung
von Personenversicherungssachen betrauten Senats, dass Klagen auf
bedingungsgemäße Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung häufig unter
Missachtung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der es einer
ausführlichen Beschreibung des in gesunden Tagen ausgeübten Berufs bedarf (vgl.
zuletzt BGH, NJW-RR 2004,1679), erhoben werden. In solchen Fällen ist das Gericht
gehalten, auf die Unschlüssigkeit der Klage hinzuweisen und der klagenden Partei
Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen. Aller Erfahrung nach reicht der
danach erfolgende Sachvortrag der Partei zum Berufsbild aus, um in eine
Beweisaufnahme einzutreten.
Davon kann auch im vorliegenden Fall ausgegangen werden. Hier kommt hinzu, dass
die Beklagte bereits aufgrund einer Vereinbarung mit dem Kläger befristet Leistungen
aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erbracht hatte, was sicher nicht
geschehen wäre, wenn sie sich nicht zuvor über die in gesunden Tagen ausgeübte
Tätigkeit des Klägers unterrichtet hätte. Auch vor diesem Hintergrund stand zu erwarten,
dass die Durchsetzung der Klageforderung bei Fortsetzung des Rechtsstreits nicht an
einer unzureichenden Darlegung des Berufsbildes des Klägers gescheitert wäre. Dann
aber hält es der Senat für unbillig, dem Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits
aufzuerlegen. Zu Lasten des Klägers können auch nicht die Grundsätze des § 93 ZPO
angewendet werden, denn die Beklagte hatte durch ihre Leistungseinstellung und ihre
mit Schreiben vom 13. April 2004 klar ausgesprochene Weigerung, weitere Leistungen
zu erbringen, Veranlassung zur Klage gegeben. Darauf, ob sie den Anspruch nach dem
Krankheitsrückfall des Klägers sofort anerkannt hat, kommt es nicht an.
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Es besteht allerdings auch keine Rechtfertigung, der Beklagten die gesamten Kosten
des Rechtsstreits aufzubürden. Der Gesichtspunkt, dass sich die die Klageforderung
anerkennende Partei in die Rolle des Unterlegenen begibt, kann hier nicht eingreifen,
da die Beklagte erst aufgrund geänderter Umstände, nämlich eines Krankheitsrückfalles
des Klägers, ihre Leistungspflicht anerkannt hat.
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Abschließend können die Erfolgsaussichten der Klage ohne das erledigende Ereignis
nicht beurteilt werden. Ob die Beklagte aufgrund des Gesundheitszustandes des
Klägers vor seinem Zusammenbruch am 21. Oktober 2004 bedingungsgemäß
leistungspflichtig gewesen wäre, wäre letztlich nur durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu klären gewesen. Das Ergebnis einer solchen
Begutachtung kann nicht prognostiziert werden. Insoweit kann dem Umstand, dass die
Beklagte in der Vergangenheit zeitweise freiwillig Leistungen erbracht hat, keine
maßgebliche Bedeutung beigemessen werden. Nachdem der Kläger im März 2004
wieder eine berufliche Tätigkeit aufgenommen hatte, konnte sich die Beklagte durchaus
auf den Standpunkt stellen, eine mindestens 50%-ige Berufsunfähigkeit des Klägers sei
jetzt nicht mehr gegeben. Ob der Kläger gleichwohl bedingungsgemäß berufsunfähig
war, hätte erst nach einer Begutachtung durch einen Sachverständigen sicher
festgestellt werden können. Nachdem es dazu aufgrund der Erledigung des
Rechtsstreits nicht mehr kommen kann, erscheint es angemessen, die Kosten
gegeneinander aufzuheben.
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Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 92 Abs. 1
Satz 1 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO
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liegen nicht vor.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 10.000,- EUR
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