Urteil des OLG Köln vom 21.04.1993

OLG Köln (operation, universität, folge, risiko, verdacht, umstände, ergebnis, zpo, aufklärung, klinik)

Oberlandesgericht Köln, 27 U 145/92
Datum:
21.04.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 145/92
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 1 0 119/91
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Juli 1992 verkündete Urteil
der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 1 0 119/91 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin. Das Urteil
ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin unterzog sich am 8. April 1988 in der Hals-,Nasen- und Ohrenklinik der
Universität B. einer Nasenscheidewand- und Nasennebenhöhlen-operation.
Postoperativ wurde sie am 15. April 1988 wegen anhaltender Rückenschmerzen in
der orthopä-dischen Klinik der Universität B. untersucht. Dort wurde der Verdacht
einer meningialen Reizung geäußert. Dies veranlaßte den Beklagten zu 2) und die
neurologische Abteilung, den Verdacht diagno-stisch abzuklären. Eine
Lumbalpunktion wurde nicht durchgeführt. Da sich keine klinischen Zeichen für eine
Meningitis zeigten, wurde die Klägerin im Ver-laufe des 15. April 1988 aus stationärer
Behandlung nach Hause entlassen. Am 17. April 1988 wurde die Klägerin erneut in
der neurologischen Klinik der Universität B. vorstellig. Aufgrund einer Lumbal-
punktion wurde eine Meningitis festgestellt, ohne daß freilich Bakterien isoliert
werden konnten. Am 4. Mai 1988 wurde die Klägerin entlassen.
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Die Klägerin verlangt Schadensersatz, weil sie infolge der Meningitis an
Kopfschmerzen leide, wo-durch sie in ihrer Belastbarkeit eingeschränkt und deshalb
arbeitsunfähig sei. Sie leide unter Depres-sionen und habe ständig Angst, erneut an
Meningitis zu erkranken. Sie hat behauptet, sie sei nicht über das Risiko, als Folge
der Operation an einer Menin-gitis zu erkranken, aufgeklärt worden. Bei gehöri-ger
Aufklärung hätte sie sich nicht operieren las-sen. Einen weiteren Aufklärungsmangel
hat sie darin gesehen, daß sie nicht darüber unterrichtet worden ist, daß mehrere
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Operateure nacheinander tätig geworden sind. Auch in ein solches Prozedere hätte
sie nicht eingewilligt. Schließlich hat sie behaup-tet, sie habe bereits am 15. April
1988 an einer Meningitis gelitten, die bei richtiger Diagnostik hätte erkannt werden
müssen. Eine frühzeitigere Behandlung hätte einen günstigeren Heilungsverlauf zur
Folge gehabt.
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Sie hat beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verur-teilen, an sie ein angemessenes
Schmerzens-geld, mindestens 30.000,00 DM nebst 4% Zin-sen seit
Rechtshängigkeit für den Zeitraum vom 10. April 1988 bis zum Tage der Ur-
teilsverkündung zu zahlen,
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festzustellen, daß die Beklagten gesamt- schuldnerisch verpflichtet seien, ihr al-le
weiteren materiellen und immateriel-len Schäden aus der meningialen Infektion
nach der Operation der Nasenscheidewand vom 8. April 1988 zu ersetzen, soweit
die-se nicht auf die Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen
seien,
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die Beklagten zu verurteilen, an sie 851,50 DM nebst 4 % Rechtshängigkeitszinsen
zu zahlen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben relevante Aufklärungsmängel be-stritten und Behandlungsfehler in
Abrede gestellt.
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Das Landgericht hat, sachverständig bera-ten, nach Zeugenvernehmung über den
Umfang der Eingriffsaufklärung die Klage abge-wiesen.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. sie wiederholt, vertieft und er-
gänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und meint, das Landgericht habe die
erhobenen Beweise nicht zutreffend gewürdigt.
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Sie bantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen
Schlußanträgen zu erkennen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie treten der Berufung entgegen und ver-teidigen das angefochtene Urteil.
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Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf Tatbestand und Ent-
scheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszug
gewechsel-ten Schriftsätze verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die nach §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt
und begründet wor-den (§§ 516, 518, 519 ZPO) und damit zulässig. Sie ist sachlich
jedoch nicht gerechtfertigt.
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Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen, weil der Klägerin gegen die
Beklagten keine Scha-densersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (§§ 823, 831,
847 BGB) oder schuldhafter Vertragsver-letzung zustehen. Darauf, daß die Klage
richtiger-weise gegen die Universität B. als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen
Rechts und Klinikträ-ger (statt gegen das Land NW) zu richten gewesen wäre, kommt
es deshalb nicht an.
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Die Rüge unzureichender Eingriffsaufklärung, die im Mittelpunkt der Berufung steht,
greift nicht durch.
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Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisauf-nahme ist bewiesen, daß die
Klägerin auch über das Risiko einer Hirnhautentzündung (Meningitis) aufgeklärt
worden ist. Die Zeugen Dr. W. und Dr. N.-R. haben übereinstimmend angege-ben,
daß der Beklagte zu 2) entsprechend seinen ei-genen Angaben vor dem Landgericht
die Klägerin auch über dieses Risiko aufgeklärt hat. Das Landgericht hat die Zeugen
nach ihrem Aussageverhalten für glaubwürdig befunden. Es bestehen keine
durchgrei-fenden Anhaltspunkte, dies anders zu werten, zumal die Zeugen nicht
mehr in den Diensten des Landes NW stehen. Persönliche Beziehungen zu den
leitenden Ärzten der Universität B. , die die Gefahr einer Abhängigkeit nach sich
ziehen könnten, sind mithin nicht gegeben.
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In der Sache hat das Landgericht die Aussagen für glaubhaft erachtet. Auch das ist
nicht zu beanstan-den. Es ist durchaus plausibel, daß die Zeugen sich an die mit der
Operation der Klägerin zusammenhän-genden Umstände erinnern. Zum einen
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deshalb, weil eine Meningitis als Folge einer Nasenscheidewand-operation äußerst
selten und dies deshalb geeignet ist, im Gedächtnis als außergewöhnliches Ereignis
haften zu bleiben; zum anderen, weil die Klägerin damals sehr ängstlich und
vorsichtig war und "viele Umstände" gemacht hat. Auch derartiges hinterläßt
regelmäßig einen bleibenden Eindruck. Es ist ferner auch deshalb nachvollziehbar,
daß die Zeugen sich an das Aufklärungsgespräch erinnern, weil die Ge-fahr einer
Hirnhautentzündung gerade als Folge ei-ner Schädelbasisverletzung und einer
Zerreißung der Hirnhäute besteht und darauf unstreitig hingewiesen worden ist.
Schließlich hat die Aufklärung über Meningitis nach den Angaben der Zeugen
damals zum Standard der Klinik gehört. Gerade der Beklagte zu 2) soll besonders
ausführlich und umsichtig aufge-klärt haben.
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Danach muß der erforderliche Beweis als erbracht angesehen werden, auch wenn
das Risiko einer Menin-gitis im Aufklärungsprotokoll nicht erwähnt ist. Zwar gilt der
Grundsatz, daß nicht Dokumentiertes im Zweifel als nicht geschehen gilt; es bleibt
dem Beweispflichtigen aber (selbstverständlich) unbe-nommen, das Gegenteil durch
andere Beweismittel zu beweisen. Das ist den Beklagten im Streitfall ge-lungen.
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Die persönlichen Angaben der Klägerin sind nicht geeignet, das Ergebnis in Frage
zu stellen. Sie hat vor dem Landgericht angegeben, sie könne sich an Einzelheiten
des Aufklärungsgesprächs nicht mehr erinnern, nicht einmal daran, wer das
Gespräch mit ihr geführt hat (Bl. 141/142 d. A.). Vor diesem Hintergrund vermag es
nicht recht zu überzeugen, daß sie sich gleichwohl gerade daran erinnern will, daß
die Möglichkeit einer Hirnhautentzündung nicht Gegenstand des
Auflärungsgesprächs gewesen sein soll.
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Die Aufklärung ist für den Streitfall auch recht-zeitig, nämlich zwei Tage vor der
Operation, er-folgt,(vergl. Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung
zum Arzthaftungsrecht, 5. Aufl. Seite 120/121.)
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Schließlich ist es auch kein Mangel, daß die Klägerin nicht darüber aufgeklärt
worden ist, daß die gesamte Operation nicht allein vom zuständigen Oberarzt
ausgeführt werden sollte, sondern in Tei-len auch von in der Facharztausbildung
befindlichen Assistentärzten unter Aufsicht des Oberarztes, denn durch diese
Verfahrensweise wird die Behandlungs-qualität nicht verkürzt (vergl. Steffen a.a.O.,
Seite 91).
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Nach dem Ergebnis der Sachverständigenbegutachtung kann auch kein
schadensursächlicher Behandlungsfeh-ler festgestellt werden. Das geht zu Lasten
der Klägerin, denn sie ist für die anspruchsbegründen-den Umstände beweispflichtig.
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Die postoperative Verabreichung von E. war und ist Standard und auch in Ansehung
des konkreten Einzelfalles nicht zu beanstanden gewesen. Das hat der
Sachverständige überzeugend dargelegt. Es be-stand ferner kein Anlaß, das
Medikament frühzeitig abzusetzen, denn der Verdacht einer Menigitis ist erstmals am
15. April, dem Tag der Entlassung, auf-getreten. Dem Verdacht ist mit den gebotenen
dia-gnostischen Mitteln nachgegangen worden. Eine Lum-balpunktion war zu diesem
Zeitpunkt wegen Fehlens der klinischen Leitsymptome nicht angezeigt. Auch das hat
der Sachverständige überzeugend dargelegt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt
keine weitere Beweiserhebung.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Wert der Beschwer für die Klägerin:
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unter 60.000,00 DM.
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Berufungsstreitwert: 36.851,50 DM
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(unverändert wie in erster Instanz).
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