Urteil des OLG Köln vom 11.02.2000

OLG Köln: wiederherstellung des ursprünglichen zustandes, rauch, kamin, miteigentümer, stimmrecht, ermessen, einfamilienhaus, eigentum, wissentlich, erfüllung

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 9/00
Datum:
11.02.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 9/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 202/99
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ge-gen den
Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 14.
Dezember 1999 - 29 T 202/99 - wird zurückgewiesen. Die
Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die
Antragsgegner. Eine Erstattung außergerichtli-cher Kosten findet nicht
statt.
G r ü n d e
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Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 43 Abs. 1 Ziffer 1, 45 Abs. 1 WEG, 27,
29 Abs. 1, 20 Abs. 1, 22 Abs. 1 FGG), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Die Entscheidung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen, die allein Gegenstand des
Rechtsbeschwerdeverfahrens sein können (§§ 27 FGG, 550 ZPO), im Ergebnis nicht zu
beanstanden.
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Die Verfahrensrüge der Antragsgegner, dass die angefochtene Entscheidung keinen
"Tatbestand" enthalte, greift nicht durch.
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Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Tatbestand als Teil eines Urteils (§
313 Abs. 1 Nr. 5, 543 Abs. 2 ZPO) gelten im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit
nicht unmittelbar. Vielmehr schreibt das Gesetz in § 25 FGG für die
Beschwerdeentscheidung nur vor, dass diese mit Gründen zu versehen ist. Aus diesen
muss sich allerdings ergeben, von welchem Sachverhalt das Beschwerdegericht
ausgegangen ist und wie es ihn festgestellt hat. Dazu bedarf es grundsätzlich einer
vollständigen Darstellung der tatsächlichen Grundlagen, wobei eine ergänzende
konkrete Bezugnahme zulässig ist. Fehlt hingegen ein Sachverhalt überhaupt, ist dieser
insbesondere nicht oder nur so undeutlich der Entscheidung zu entnehmen, dass die
Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses vom Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüft
werden kann, ist regelmäßig ein sogenannter absoluter Revisionsgrund gegeben, der
zur Aufhebung und Zurückverweisung einer Sache nötigt (vgl. OLG Zweibrücken NJW-
RR 1999, 1174; BayObLG NJW-RR 1998, 1014; KG NJW-RR 1994, 599; Beschluss des
Senates vom 10. Januar 2000 - 16 Wx 193/99).
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Gemessen an diesen Maßstäben enthält der angefochtene Beschluss gerade noch die
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wesentlichen Elemente. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung lassen erkennen,
dass auf den Beschluss des Amtsgerichts Bezug genommen und das Ergebnis der
amtsgerichtlichen Entscheidung als zutreffend angesehen wird. Eine solche
Bezugnahme ist dann zulässig, wenn sich der Sach- und Streitstand bereits aus der
erstinstanzlichen Entscheidung ergibt und sich im Beschwerdeverfahren nicht geändert
hat (vgl. BayObLG a.a.O.; OLG Zweibrücken a.a.O.; Senat a.a.O.).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Entscheidung des Amtsgerichts enthält eine
knappe, aber präzise und letztlich erschöpfende Kennzeichnung des Begehrens der
Antragsteller sowie der Rechtsverteidigung der Antragsgegner. Substantiell Neues ist
auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen worden. Auf die erstmals in der
Beschwerdeinstanz vorgetragene Rechtsansicht der Antragsgegner, dass das
Zustimmungserfordernis nach § 22 Abs. 1 WEG durch die Teilungserklärung vom 4.
März 1983 abgedungen sei, ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung
eingegangen.
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Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt,
wonach die Antragsgegner zur Beseitigung des an ihrer Wohneinheit angebrachten
Außenkamins und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verurteilt
worden sind (§§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, 15 Abs. 3, 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG).
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Die in der Teilungserklärung nicht vorgesehene Errichtung des Außenkamins stellt
einen Eingriff in die Substanz der Außenwand des Hauses F.-O.-Straße 49 und damit
eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar, die über die
ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgeht (§ 22 Abs. 1 Satz 1
WEG). Sie bedarf deshalb grundsätzlich des Einverständnisses sämtlicher davon
betroffener Miteigentümer.
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Zwar kann § 22 Abs. 1 WEG durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer
abgedungen oder eingeschränkt werden (vgl. Pälz OLG Zweibrücken ZMR 1999, 587
m.w.N.; BayObLG NJW-RR 1992, 664). Von dieser Möglichkeit ist entgegen der
Rechtsauffassung der Antragsgegner in der Teilungserklärung jedoch kein Gebrauch
gemacht worden. Die von den Antragsgegnern zitierten Regelungen der § 3 Abs. 3 und
7 Abs. 5 betreffen nach Wortlaut und Sinn nicht die Vornahme baulicher Veränderungen
am gemeinschaftlichen Eigentum. Sie beziehen sich allein auf die Nutzung
gemeinschaftlicher Kellerräume (§ 3 Abs. 3 Satz 3) sowie die Kosten der Instandhaltung
und Instandsetzung (§ 7 Abs. 5). § 14 Abs. 5 Satz 3 beinhaltet den allgemein für
Mehrhaus-Wohnanlagen geltendenden Grundsatz, dass bei Maßnahmen, von denen
nur eine abgrenzbare Gruppe von Wohnungseigentümern betroffen ist und die die
Interessen der übrigen Miteigentümer in keiner Weise berühren, das Stimmrecht auf die
Beteiligten beschränkt ist, die von der Angelegenheit tangiert sind (vgl. BayObLG OLGZ
1983, 320 ff., 323; OLG Stuttgart OLGZ 1975, 177 ff., 180, 181).
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Vorliegend sind von der Errichtung des Außenkamins am Einfamilienhaus der
Antragsgegner auch die Antragsteller betroffen, wobei ihre Beeinträchtigung über das in
§ 14 WEG bestimmte Maß hinausgeht. Maßgebend hierfür ist, ob dem
Wohnungseigentümer durch die Maßnahme in vermeidbarer Weise ein Nachteil
erweckt. Dabei gelten als Nachteil nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen, die
nicht ganz unerheblich sind. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung
ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise
beeinträchtigt fühlen kann (vgl. BGH NJW 1992, 978 ff., 979).
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Dies ist vorliegend der Fall.
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Dabei kann dahinstehen, ob die von den Antragsgegnern vorgenommene bauliche
Veränderung eine wesentliche Änderung des optischen Gesamteindrucks der
Wohnlage und bereits deshalb einen Nachteil im Sinne von § 14 Ziffer 1 WEG darstellt.
Denn eine konkrete und objektive Beeinträchtigung der Antragsteller ist jedenfalls daran
zu sehen, dass sie - je nach Windrichtung - durch aus dem Kamin entweichenden
Rauch belästigt werden können. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kamin den
technischen Anforderungen der einschlägigen DIN-Vorschriften genügt, die Anlage vom
Bezirksschornsteinfegermeister abgenommen, der entweichende Rauch
gesundheitsunschädlich ist und nicht übel riecht. Allein die mögliche Belästigung durch
aus dem Kamin hervorquellenden und in Richtung der Maisonettewohnungen der
Antragsteller ziehenden Rauch stellt eine Beeinträchtigung der Antragsteller dar, die
diese nicht hinzunehmen brauchen. Dass der Rauch völlig geruchsneutral und
unsichtbar ist, tragen die Antragsgegner nicht vor.
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Die Zustimmung der durch die Baumaßnahme betroffenen Antragsteller wäre dann auch
nicht entbehrlich, wenn sich - wie die Antragsgegner vorgetragen haben - der
Vorsitzende des Verwaltungsbeirates mit der Errichtung des Kamines einverstanden
erklärt gehabt hätte. Denn dieser hatte keine Befugnis, für die betroffenen
Wohnungseigentümer entsprechende Erklärungen abzugeben.
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Das Beseitigungsverlangen der Antragstellerin stellt sich auch nicht deshalb als
unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar, weil die Antragsgegner zur Erfüllung
dieses Anspruchs erhebliche finanzielle Mittel aufwenden müssten und zudem die
bereits getätigten Aufwendungen wirtschaftlich sinnlos würden (vgl. Beschluss des
Senats vom 12. Januar 2000 - 16 Wx 149/99 m.w.N.; BayObLG NZM 1999, 1150; OLG
München ZMR 1996, 396). Wenn die Verpflichteten die baulichen Veränderungen ohne
Zustimmung der übrigen Sondereigentümer vorgenommen haben, so sind sie
wissentlich ein hohes Risiko eingegangen, dessen Folgen die Gemeinschaft ihnen nicht
abmildern muss.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Abs. 1 WEG. Es entspricht billigem Ermessen,
den auch im Rechtsbeschwerdeverfahren unterlegenen Antragsgegnern die
Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Im übrigen bestand
keine Veranlassung, von dem Grundsatz, dass außergerichtliche Kosten nicht zu
erstatten sind, abzuweichen.
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Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000,00 DM
festgesetzt.
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