Urteil des OLG Köln vom 28.06.1996
OLG Köln (vorname, gutachten, 1995, sprache, name, gesellschaft, geschlecht, deutschland, geltungsbereich, verbreitung)
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 71/96
Datum:
28.06.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 71/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 1 T 353/95
Schlagworte:
BO-VIKTORIA
Normen:
PSTG § 21 S. 1 ZIFF. 4, BGB § 1626
Leitsätze:
,Bo" ist im Geltungsbereich de PStG nicht eindeutig allein als
männlicher Vorname geläufig. Der hohe Bekanntheitsgrad der
amerikanischen Schauspielerin Bo Derek in der Bundesrepublik hat
dazu geführt, daß dieser jedenfalls auch als weiblicher Vorname
angesehen wird. Er darf daher jedenfalls dann, wenn ein eundeutig
weiblicher Vorname hinzugefügt wird (hier: Victoria) als Name für ein
Mädchen gewählt werden.
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde der Antragsteller werden der Beschluß der
1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 12. Februar 1996 - 1 T
353/95 - sowie der Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 31. Mai 1995 -
378 III 640/94 - ab-geändert. Der Standesbeamte des Standesamtes in
B. G. wird angewie-sen, die Namen BO VICTORIA als Vornamen des
betroffenen Kindes in das Geburtenbuch Nr. .... aus 1995 des Standes-
amts B. G. einzutragen. Der Antrag der Beteiligten zu 1) auf Gewährung
von Prozeß-kostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurück-
gewiesen.
G r ü n d e
1
Die gemäß §§ 49 Abs. 1 PStG, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde hat in der
Sache Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht
stand (§§ 27 FGG, 550 ZPO).
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Das Landgericht hat die Grenzen des den Eltern zustehenden Rechts, ihrem Kind einen
Vornamen eigener Wahl zu geben, zu eng gezogen und damit den Begriff des
Personensorgerechts nach § 1626 BGB unrichtig angewandt (vgl. BayObLG NJW 1984,
1362).
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Das Landgericht hat die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des
Namensrechts und der inhaltlichen Grenzen der Vornamenwahl durch die
Personensorgeberechtigten zutreffend und umfassend dargestellt. Insoweit wird zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluß
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Bezug genommen.
Die vom Landgericht getroffene tatsächliche Feststellung, der Vorname BO sei im
Geltungsbereich des Personenstandsgesetzes eindeutig als männlicher Vorname
gebräuchlich, wird aber durch die vom Landgericht angestellten Ermittlungen nicht
gedeckt.
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Nach dem Gutachten der Gesellschaft für deutsche Sprache e.VICTORIA vom
4.12.1995 (Bl. 44 f.d.A.) kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Vorname BO
in Deutschland eindeutig dem männlichen Geschlecht zugeordnet wird. Hierzu reicht es
nicht aus, daß dieser Name, der nordischen Ursprungs ist, seit dem 15. Jahrhundert in
Schleswig-Holstein nachweisbar ist und sich danach auch im übrigen Deutschland
verbreitet hat. Wenn für eine solche Verbreitung im deutschen Sprachgebiet nur 15
verstreute Belege aus dem 20. Jahrhundert vorliegen, so genügt dies nicht für eine
eindeutige Geschlechtszuweisung, da in der gegenwärtigen Zeit der Vorname BO im
Zusammenhang mit einer Frau durch die amerikanische Schauspielerin BO Derek
einen größeren Bekanntheitsgrad erreicht hat. Für die Geschlechtszuordnung ist
unerheblich, daß die Schauspielerin den Namen als Künstlernamen führt, denn auch
solche Namen beeinflussen das Sprachempfinden. Maßgeblich ist allein, daß infolge
der Bekanntheit der Schauspielerin in Deutschland der Name BO nicht mehr eindeutig
auf einen männlichen Namensträger hindeutet. Insoweit ist zu beachten, daß Vornamen
wie eine lebendige Sprache in ständiger Entwicklung begriffen sind.
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Daher ist auch nicht entscheidend, daß die Endung "o" im europäischen Sprachraum
bei männlichen Vornamen häufiger vorkommen mag als bei weiblichen, zumal diese
Regel bei der zunehmenden Verbreitung von Phantasienamen ohnehin an Bedeutung
verlieren dürfte. Ebensowenig ist maßgeblich, daß der Name BO in dem von der
Gesellschaft für deutsche Sprache herausgegebenen internationalen Handbuch der
Vornamen für den dänischen, deutschen, niederländischen und schwedischen
Sprachbereich als männlicher Vorname angegeben wird. Wie das Gutachten der
Gesellschaft für deutsche Sprache vom 4.12.1995 belegt, hat diese auf die Verän-
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derung der Bedeutung des Namens in jüngster Zeit bisher nicht reagiert.
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Nach dem Gutachten kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Vorname
BO im Ausland ausschließlich als männlicher Vorname Verwendung findet. Zwar mag
für die skandinavischen Länder eine solche Zuordnung zutreffen (das Gutachten gibt für
Schweden die Zahl von 82.556 zum 1.1.1973 an), jedoch bezeichnen einige wenige
US-amerikanische Vornamenbücher (auch insoweit stützt sich das Gutachten auf
Literatur aus den 70er Jahren) den Namen als weiblichen Vornamen. Es kann ohne
weiteres davon ausgegangen werden, daß infolge des Bekanntheitsgrades der
amerikanischen Schauspielerin BO Derek in den USA der Name BO - jedenfalls auch -
als weiblicher Vorname angesehen wird.
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Damit kann aber weder eine eindeutige Zuordnung des Namens zum männlichen
Geschlecht im Ausland noch ein eindeutiger Ursprung festgestellt werden. Während der
männliche Vorname nordischen Ursprungs ist, führen die US-amerikanischen
Vornamenbücher ihn auf ein chinesisches Wort mit der Bedeutung "kostbar, wertvoll,
unschätzbar" zurück (vgl. das Gutachten der Gesellschaft für deutsche Sprache vom
4.12.1995).
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Somit ist das Landgericht zu Unrecht von einer eindeutigen Gebräuchlichkeit des
Vornamens BO als männlichem Vornamen im Geltungsbereich des
Personenstandsgesetzes ausgegangen. Der Grundsatz, daß der Vorname das
Geschlecht des Kindes erkennen lassen muß und eindeutig geschlechtswidrige
Vornamen unzulässig sind, ist nicht verletzt. Jedenfalls wird der Vorname BO nicht nur
als männlich angesehen. Daher kann er zumindest auch als weiblicher Vorname
gewählt werden, wenn - wie hier - ein eindeutig weiblicher Vorname hinzugefügt wird.
Durch die Beilegung des Namens VICTORIA werden möglicherweise entstehende
Zweifel über das Geschlecht des Kindes ausgeräumt.
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Mit der Wahl des Vornamens BO werden auch die bei der Namensgebung geltenden
sonstigen Grenzen nicht überschritten.
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Daher war die Entscheidung des Landgerichts ebenso wie die ihr zugrunde liegende
Entscheidung des Amtsgerichts aufzuheben und das Standesamt zu einer
entsprechenden Eintragung in das Geburtenbuch anzuweisen.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, § 13 a Abs. 1 FGG.
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Der Prozeßkostenhilfeantrag der Beteiligten zu 1) war zurückzuweisen, da die
Beteiligten zu 1) weder hinreichend substantiiert dargetan noch glaubhaft gemacht
haben, welche Einkünfte die antragstellende Ehefrau aus gewerblicher Tätigkeit erzielt.
Trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats auf die Unzulänglichkeit der
Angaben in Anlage 2 zum Prozeßkostenhilfeantrag des antragstellenden Ehemanns
sind diese nicht entsprechend ergänzt worden. Insbesondere reichte hierzu die
eidesstattliche Versicherung der antragstellenden Ehefrau vom 2.5.1996 in bezug auf
den Verlust aus Gewerbebetrieb laut der Einnahmen - Überschuß - Rechnung 1995
nicht aus, zumal die nach der Gewerbeordnung angemeldeten Tätigkeiten erst am
18.8.1995 bzw. 18.9.1995 begonnen haben.
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Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren: 3.000,00 DM
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