Urteil des OLG Köln vom 08.01.1993
OLG Köln (uwg, verbraucher, geschäftsführung ohne auftrag, kläger, werbung, teil, bodensee, stillschweigende annahme, kauf, verpackung)
Oberlandesgericht Köln, 6 U 64/92
Datum:
08.01.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 64/92
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 617/91
Schlagworte:
Umweltengagement; Werbung; Irreführungspotentials; Gefühlsbetont
Normen:
UWG §§ 1, 3; NJW-RR 93, 812;
Leitsätze:
1. Die Angabe : "L... unterstützt das Bodenseeschutzprogramm der
Deutschen Umwelthilfe e.V. ... ... Deutsche Umwelthilfe" auf der
Verpackung eines Geschirrspülmittels verstößt in der konkret
beanstandeten Präsentationsform gegen § 3 UWG, wenn im Zeitpunkt
des Angebotes der Ware die Unterstützung bereits abschließend
geleistet war. Die Aussage ist geeignet, dem Käufer die unzutreffende
Vorstellung zu vermitteln, er selbst fördere mit dem Kauf der Ware (noch)
unmittelbar oder mittelbar das Projekt; zumindest ein nicht unerheblicher
Teil der angesprochenen Verbraucher wird angesichts der Entwicklung
des Umweltbewußtseins aufgrund dieser Fehlvorstellung einem Erwerb
gerade dieses Geschirrspülmittels näher treten. 2. Die beanstandete
Werbung verstößt wegen ihres Irreführungspotentials unter dem
Gesichtspunkt der wettbewerbswidrigen gefühlsbetonten Werbung
zugleich gegen § 1 UWG. 3. Auch wenn man in der angegriffenen
Aussage eine Meinungsäußerung sieht, steht Art. 5 Abs. 1 GG einer
Verurteilung zur Unterlassung nicht entgegen. In dem ausgesprochenen
Verbot liegt allenfalls eine Einschränkung der
Meinungsäußerungsfreiheit, die nach Art. 5 Abs. 2 GG im Rahmen der
allgemeinen Gesetze (hier: §§ 1 und 3 UWG) zulässig ist. Die
beanstandete Aussage dient in erster Linie werblichen Belagen, nicht
aber der Information über einen Gegenstand von allgemeinem Interesse.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. März 1992 verkündete
Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 617/91 - wird mit
der Maßgabe zurückgewiesen, daß der zur Unterlassung verurteilende
Teil des Urteilsausspruchs wie folgt klargestellt wird: Die Beklagte wird
verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhanddung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-
DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu
Wettbewerbszwecken auf dem Deckel der Verpackung des von ihr
vertriebenen Geschirrspülmittels "S. P." anzukündigen: "L. unterstützt
das Bodenseeschutzprogramm der Deutschen Umwelthilfe e.V. ...
...Deutsche Umwelthilfe" wie nachstehend - in verkleinernder Ablichtung
- wiedergegeben. ... Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der
Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer
der Beklagten beträgt 50.199,50 DM.
##blob##nbsp;
1
T a t b e s t a n d :
2
##blob##nbsp;
3
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter Verein. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben
gehört es, Wett-bewerbsverstöße - ggfls. unter Inanspruchnahme ge-richtlicher Hilfe -
zu bekämpfen und zu unter-binden.
4
##blob##nbsp;
5
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unterneh-men des L.-Konzerns, der
Wasch- und Reinigungs-mittel herstellt.
6
##blob##nbsp;
7
Die Beklage vertreibt unter anderem das Geschirr-spülmittel "S. P.". Auf dem Deckel
der Verpackung dieses Produkts ist an der linken unteren Ecke ein
aufkleberähnlicher Aufdruck mit der Darstellung eines schwimmenden Wasservogels
und der Aufschrift angebracht:
8
##blob##nbsp;
9
##blob##nbsp;
10
"L. unterstützt das Bodensee-Umweltschutzpro-jekt der Deutschen Umwelthilfe e.V.
11
##blob##nbsp;
12
##blob##nbsp;
13
...
14
##blob##nbsp;
15
##blob##nbsp;
16
... Deutsche Umwelthilfe".
17
##blob##nbsp;
18
Die Einzelheiten sind der Packungsablichtung im Tenor dieses Urteils sowie dem
Packungsmuster zu entnehmen, das als Anlage 1 zur Klageerwiderung überreicht
worden ist.
19
##blob##nbsp;
20
Der Streit der Parteien geht um die wettbewerbs-rechtliche Zulässigkeit des
aufgedruckten Hin-weises.
21
##blob##nbsp;
22
Der Kläger hat geltend gemacht, der gerügte Aufdruck verstoße gegen §§ 1 und 3
UWG, denn die Beklagte stelle darin ihr Umweltengagement ohne sachlichen Bezug
zu dem so beworbenen Produkt her-aus. Ihre Unterstützung des
Bodenseeumweltschutz-projektes benutze sie auf diese Weise als Vorspann für ihren
Produktabsatz. Außerdem erwecke sie die unzutreffende Vorstellung, ein Teil der
Verkaufs-erlöse fließe in dieses Projekt.
23
##blob##nbsp;
24
Der Kläger hat beantragt,
25
##blob##nbsp;
26
##blob##nbsp;
27
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines beim Gericht für jeden Fall der
Zuwi-derhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu 500.000,- DM,
ersatzweise von Ordnungs-haft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Mo-naten zu
unterlassen, im geschäftlichen Ver-kehr zu Wettbewerbszwecken, wie nachstehend
wiedergegeben, für das Geschirrspülmittel "S. P." anzukündigen
28
##blob##nbsp;
29
##blob##nbsp;
30
"L. unterstützt das Bodensee-Umweltschutzpro-gramm der Deutschen Umwelthilfe
e.V.
31
##blob##nbsp;
32
##blob##nbsp;
33
...
34
##blob##nbsp;
35
##blob##nbsp;
36
Deutsche Umwelthilfe":
37
##blob##nbsp;
38
##blob##nbsp;
39
ferner die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 199,50 DM nebst 4 % Zinsen seit
dem 12. Dezember 1991 zu zahlen.
40
##blob##nbsp;
41
Die Beklagte hat beantragt,
42
##blob##nbsp;
43
##blob##nbsp;
44
die Klage abzuweisen.
45
##blob##nbsp;
46
Sie hat geltend gemacht, der Durchsetzung der Klageforderung stehe bereits die
stillschweigende Annahme der von ihr in anderem Zusammenhang abge-gebenen
Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 25. Juli 1991 entgegen. Hierin liege der
Abschluß eines Vergleichs, mit dem der Kläger zugleich auf einen weitergehenden
eventuellen Unterlassungsan-spruch verzichtet habe.
47
##blob##nbsp;
48
Der nunmehr beanstandete Aufdruck sei im übrigen wettbewerbsrechtlich nicht zu
beanstanden, sondern durch das Recht zur Meinungsäußerung gedeckt. Der Hinweis
auf die Unterstützung des Bodensee-Umwelt-projekts sei weder irreführend noch
stelle er ihr Umweltengagement übertrieben heraus, zumal er aus-gesprochen
unauffällig gestaltet sei.
49
##blob##nbsp;
50
Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 5. März 1992, auf das wegen
seiner Begründung verwiesen wird, antragsgemäß verurteilt. Gegen das ihr am 29.
März 1992 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 22. April 1992
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender
Fristverlängerung mit am 4. Au-gust 1992 eingegangenem Schriftsatz begründet.
51
##blob##nbsp;
52
Die Beklagte macht geltend, der Klageantrag und der Tenor der landgerichtlichen
Entscheidung gä-ben die wirkliche Benutzungslage nicht zutreffend wieder. Im
übrigen sei grundsätzlich davon auszu-gehen, daß das Ansprechen von Gefühlen für
sich genommen in der Werbung keinesfalls unzulässig sei. Die umfangreiche
Rechtsprechung zu §§ 1 und 3 UWG zeige, daß auch die klassischen Fälle von
zulässigen Werbeangaben durchweg "gefühlsbetont" seien oder sein könnten. An
besonderen Umständen, die die Ansprache von Gefühlen unzulässig machten, fehle
es im Streitfall. Von entscheidender Bedeu-tung sei, daß die beanstandete Angabe
nach Größe, Plazierung und Anordnung der Gesamtausstattung sehr zurückhaltend
sei. Damit fehle es an der "Spürbarkeit" der gerügten Angabe. Im übrigen sei es nicht
richtig, daß der Verbraucher bei jedem Gebrauch des Reinigers den Angaben auf
dem Produkt Beachtung schenke.
53
##blob##nbsp;
54
Daß beim Verbraucher Fehlvorstellungen ausgelöst würden, bestreitet die Beklagte.
Kein rechtlich beachtlicher Teil der Verbraucher erwarte, so trägt sie vor, daß der
Erlös oder Teile aus dem Erlös des aufgrund des Hinweises gekauften Produk-tes in
die Förderung der Umwelt oder des angespro-chenen Projektes investiert würden.
Vielmehr sei erkennbar, daß die Umweltförderungsmaßnahme der Beklagten
unabhängig von Kaufentscheidungen der Verbraucher verabschiedet sei. Überdies
lasse die umstrittene Angabe jeden direkten Bezug zwischen Gefühlsansprache und
Kaufentscheidung vermissen. Für die Verbraucher stehe außer Zweifel, daß die
Entscheidung über Durchführung, Art und Umfang der Umweltförderungsmaßnahme
bereits getroffen sei. Schließlich fehle es an einem zielbewußten und planmäßigen
Vorgehen der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 3.
August 1992 und den Schriftsatz vom 12. Novem-ber 1992 nebst Anlagen Bezug
genommen.
55
##blob##nbsp;
56
Die Beklagte beantragt,
57
##blob##nbsp;
58
##blob##nbsp;
59
die Klage unter Abänderung der landge-richtlichen Entscheidung vom 5. März 1992
- 31 O 617/91 - abzuweisen,
60
##blob##nbsp;
61
##blob##nbsp;
62
hilfsweise der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung auch durch
Sicherheits-leistung abzuwenden mit der Maßgabe, daß die Sicherheit auch durch
Bürgschaft einer bun-desdeutschen Großbank oder öffentlich-recht-lichen
Sparkasse erbracht werden kann.
63
##blob##nbsp;
64
Der Kläger beantragt,
65
##blob##nbsp;
66
##blob##nbsp;
67
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß das ausgesprochene
Unterlassungsgebot, wie aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlich, klarstellend neu
zu fassen sei.
68
##blob##nbsp;
69
Der Kläger macht geltend, die beanstandete Wer-beaussage sei so geschickt
positioniert, daß sie in rechtlich relevantem Maße vom Verbraucher wahr-genommen
werde. Es entspreche ständiger Rechtspre-chung, im Rahmen der Werbung mit
Umweltschutzbe-griffen zur Vermeidung unlauterer gefühlbetonter Ansprache
grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen.
70
##blob##nbsp;
71
Unrichtig sei es, wenn die Beklagte behaupte, der Verbraucher erwarte aufgrund der
beanstandeten Aussage nicht, daß der Erlös oder Teile davon in die Förderung der
Umwelt oder des angesprochenen Projekts gingen. Wegen der Einzelheiten des Vor-
bringens des Klägers im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze vom 22.
Oktober und 20. No-vember 1992 verwiesen.
72
##blob##nbsp;
73
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
74
##blob##nbsp;
75
Die Berufung ist zulässig, sie hat aber in der Sa-che keinen Erfolg. Das Landgericht
hat die Beklag-te zu Recht verurteilt, den vom Kläger beanstande-ten Hinweis zu
unterlassen.
76
##blob##nbsp;
77
Der Kläger kann gemäß §§ 3, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG verlangen, daß die Beklagte es
unterläßt, die Verpackung des Geschirrspülmittels "S. P." mit der gerügten
Ankündigung zu versehen. Der Hinweis ver-stößt in der konkreten Form, wie sie im
Urteilste-nor wiedergegeben ist, gegen § 3 UWG.
78
##blob##nbsp;
79
Die Aussage ist geeignet, den Verkehr darüber in die Irre zu führen, daß mit dem
Kauf des Produkts, auf dessen Verpackung sie angebracht ist, eine Förderung des
ausdrücklich genannten "Bodensee-Um-weltschutzprojekts" verbunden ist. Aufgrund
des Inhalts und der sprachlichen Fassung des Hinweises ist davon auszugehen, daß
jedenfalls ein nicht un-beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskrei-se
annimmt, durch den Kauf des Geschirrspülmittels "S. P." werde das angegebene
Projekt der Deut-schen Umwelthilfe e.V. unterstützt. Ein Teil der Verbraucher wird
sich eine unmittelbare Förderung der Umweltschutzmaßnahme vorstellen, weil er an-
nimmt, Teile des Verkaufserlöses würden zugunsten dieser Maßnahme an die
Deutsche Umwelthilfe e.V. abgeführt. Ein anderer Teil der so Angesprochenen
verbindet nach der Überzeugung des Senats aufgrund der beanstandeten Erklärung
mit dem Kauf von "S. P." die Vorstellung einer mittelbaren Unterstüt-zung des
Bodensee-Umweltschutzprojekts. Er geht nämlich davon aus, durch den Kauf
unterstütze er die Beklagte, die ihrerseits das Bodensee-Umwelt-schutzprojekt
fördere, so daß der Kauf von "S. P." indirekt auch der Umweltschutzmaßnahme
zugute kom-me. Unstreitig ist jedoch der Beitrag, durch den die Beklagte das
Bodensee-Umweltschutzprojekt un-terstützt hat, bereits abschließend erbracht. Die
80
Beklagte trägt selbst vor, ihr Beitrag zu dem Pro-jekt sei "bereits geleistet". Durch den
Kauf des Geschirrspülmittels "S. P." kann mithin die her-ausgestellte
Umweltschutzmaßnahme weder unmittel-bar noch mittelbar gefördert werden.
##blob##nbsp;
81
Soweit die Beklagte geltend macht, ein "Zuwen-dungszusammenhang" werde vom
Verbraucher nicht an-genommen, er werde vielmehr lediglich über den be-reits
geleisteten Beitrag der Beklagten zu dem Um-weltschutzprojekt informiert, wird dies
Inhalt und Wortlaut der Ankündigung nicht gerecht. Die bean-standete Werbezeile
lautet:
82
##blob##nbsp;
83
##blob##nbsp;
84
"LEVER unterstützt das Bodensee-Umweltschutz-projekt ..."
85
##blob##nbsp;
86
Der Text ist mithin in der Gegenwartsform gehal-ten. Schon aufgrund der
sprachlichen Fassung des Hinweises drängt sich damit der Eindruck auf, die
Beklagte unterstütze gegenwärtig noch das angege-bene Umweltschutzprojekt.
87
##blob##nbsp;
88
Die zumindest bei einem nicht unbeachtlichen Teil der Verbraucher hervorgerufene
Fehlvorstellung, durch den Kauf des Erzeugnisses der Beklagten werde direkt oder
indirekt das auf der Produkt-verpackung genannte Umweltschutzprojekt gefördert, ist
auch geeignet, die angesprochenen Verkehrs-kreise in ihren wirtschaftlichen
Entscheidungen positiv zu beeinflussen. Dies ergibt sich schon daraus, daß sich mit
der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als eines wertvollen und schutzbe-
dürftigen Gutes in den letzten Jahren zunehmend ein verstärktes Umweltbewußtsein
entwickelt hat. Werbemaßnahmen, die an den Umweltschutz anknüpfen, erweisen
sich demzufolge als besonders geeignet, emotionale Bereiche im Menschen
anzusprechen, die von der Besorgnis um die eigene Gesundheit bis zum
Verantwortungsgefühl für spätere Generationen rei-chen (vgl. BGHZ 105, 277 -
"Umweltengel" -).
89
##blob##nbsp;
90
Der Senat sieht keine Bedenken, die vorstehend be-schriebene
Verbrauchervorstellung und deren wett-bewerbsrechtliche Relevanz aus eigener
Sachkunde und Erfahrung festzustellen. Seine Mitglieder gehören zu den
angesprochenen Verkehrskreisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesge-richtshofs ist es nicht ausgeschlossen, daß der Tatrichter die
Anschauungen der beteiligten Ver-kehrskreise aufgrund seiner eigenen Sachkunde
und Lebenserfahrung hinreichend beurteilen kann, so-fern - namentlich bei
Gegenständen des allgemeinen Bedarfs - die Anschauungen des unbefangenen
Durch-schnittskäufers zu ermitteln sind und die Richter des zur Entscheidung
berufenen Kollegiums selbst diesem Personenkreis angehören. Dieser Grundsatz gilt
91
uneingeschränkt vor allem in den Fällen, in denen das Gericht eine Irreführung
bejahen zu können glaubt, da es insoweit entscheidend nur auf die Anschauungen
eines nicht ganz unerheblichen Teils des Verkehrs ankommt (vgl. BGH GRUR 1987,
45, 47 "Sommerpreiswerbung" m.w.N.). Diese Voraus-setzungen sind hier erfüllt, da -
wie ausgeführt - die Mitglieder des Senats dem mit der Werbung angesprochenen
Personenkreis zuzuordnen sind und weil der Senat die Irreführung bejaht.
##blob##nbsp;
92
Die Beklagte macht - allerdings im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zu § 1
UWG - geltend, die beanstandete Angabe sei so zurückhaltend angebracht, daß sie
keine wettbewerbsrechtlich zu beanstandende Wirkung auslösen könne. Dem
vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Für den Tatbe-stand der Irreführung im
Sinne des § 3 UWG reicht es aus, daß ein nicht unbeachtlicher Teil der Verbraucher
die Aussage zur Kenntnis nimmt. Hieran kann nach der überzeugung des Senats
kein Zweifel bestehen. Entgegen der Darstellung der Beklagten ist der Hinweis
keineswegs unscheinbar oder un-auffällig angebracht. Insbesondere dann, wenn die
fast würfelförmige Produktpackung im Supermarkt oder Kaufhaus in einem tiefer
liegenden Regal steht oder, was erfahrungsgemäß häufig vorkommt, vom Boden an
aufgestapelt ist, fällt der erste Blick auf den Packungsdeckel. Dort hebt sich der in
dem rot-gelben Kreis der Sonne ("Sun" Progress) angebrachte Hinweis sowohl durch
die andere Farbe als auch durch die briefmarkenähnliche Form deut-lich ab. Davon,
daß er praktisch keine Beachtung findet, kann deswegen nicht ausgegangen werden.
Dies kann im übrigen von der Beklagten, die den Hinweis nicht ohne Grund
angebracht haben dürfte, auch kaum gewollt gewesen sein.
93
##blob##nbsp;
94
Nicht anders ist es bei der Verwendung der Packung durch denjenigen, der sie
gekauft hat. Auch er wird bei einem Blick auf den Deckel durch die oben
beschriebenen Umstände auf den Hinweis in dem rechteckigen Feld aufmerksam.
95
##blob##nbsp;
96
Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf die "Milupa"-Entscheidung des
BGH (ZIP 1992, 38, 40), in der eine Verletzung der produkthaftungs-rechtlichen
Instruktionspflicht angenommen worden sei, weil der mit dem Produkt bereits
vertraute Benutzer die Packung nicht mehr studiere. Mit diesem Hinweis verkennt die
Beklagte, daß die zitierte Entscheidung zu einem gänzlich anderen Sachverhalt und
zu einer völlig anderen Rechtsfra-ge ergangen ist. Dort ging es um die
Anforderungen an einen Warnhinweis auf einem Produkt. Dabei wurde davon
ausgegangen, daß an die Pflicht des Produzenten zur Aufklärung und Warnung
besonders strenge Anforderungen zu stellen sind, damit der Warnhinweis von
keinem Benutzer übersehen wird. Vorliegend ist hingegen maßgeblich, ob die
werben-de Ankündigung der Beklagten von einem nicht unbe-achtlichen Teil der
Verbraucher wahrgenommen und gelesen wird. Dies kann aus den oben angeführten
Gründen nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
97
##blob##nbsp;
98
Die Beklagte beruft sich im Rechtsmittelverfahren nicht mehr darauf, im Anschluß an
99
eine frühere Ab-mahnung des Klägers sei ein Vergleich geschlossen worden,
aufgrund dessen ihr die nunmehr beanstan-dete Werbung erlaubt sei. Daß der Kläger
seiner-zeit die nunmehr beanstandete Verletzungshandlung freizeichnen oder
insoweit einen Verzicht erklären wollte, ist in keiner Weise ersichtlich. Hierzu hat das
Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, auf die wegen
der Ein-zelheiten Bezug genommen wird, bereits das Erfor-derliche gesagt.
##blob##nbsp;
100
Die angegriffene Aussage, die nach alledem gegen § 3 UWG verstößt, verletzt
zugleich § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbswidrigen gefühls-
betonten Werbung.
101
##blob##nbsp;
102
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ge-hört es zwar zum Bild der
modernen Werbung, auch den emotionalen Bereich des Verbrauchers anzuspre-
chen, um diesen auch damit zum Erwerb der Ware oder Leistung zu veranlassen.
Deswegen kann nicht jedes bloße Ansprechen von Gefühlen der Umworbenen als
wettbewerbswidrig angesehen werden (vgl. BGH GRUR 1976, 308, 309 - "UNICEF-
Grußkarten" -). Bei der Weckung des Kaufinteresses aus sozialem Ver-
antwortungsgefühl, Hilfsbereitschaft oder Mitleid ist die Wettbewerbswidrigkeit eines
werblichen Vorgehens aber dann zu bejahen, wenn besondere Umstände die
Werbung unlauter erscheinen lassen. Wettbewerbswidrig ist eine solche Ansprache
der Verbraucher stets dann, wenn sie geeignet ist, den Kunden irrezuführen (vgl.
Baumbach-Hefermehl 16. Aufl. Rdnr. 185 zu § 1 UWG). Dies ist hier - wie oben im
einzelnen ausgeführt - der Fall.
103
##blob##nbsp;
104
Soweit sich die Beklagte im Zusammenhang mit der angegriffenen Ankündigung auf
das Recht der Meinungsäußerungsfreiheit beruft, rechtfer-tigt auch dies keine
abweichende Beurteilung. Ein Verbot der angegriffenen Werbeaussage wegen
Verstoßes gegen § 3 bzw. § 1 UWG stellt keine Verletzung des Art. 5 Abs. 1 GG dar.
Auch wenn in dem angegriffenen Hinweis eine Meinungsäußerung im Sinne dieser
Verfassungsvorschrift zu sehen sein sollte, liegt in dem im Streitfall ausgesproche-
nen Verbot allenfalls eine Einschränkung der Mei-nungsäußerungsfreiheit, die nach
Art. 5 Abs. 2 GG im Rahmen der allgemeinen Gesetze zulässig ist. Unter
"allgemeinen Gesetzen" sind solche Gesetze zu verstehen, die nicht eine Meinung
als solche verbieten, sich also nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche
richten, sondern die dem Schut-ze eines ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung
zu schützenden Rechtsgutes dienen (vgl. BVerfGE 7, 198, 209). Hierzu gehören auch
§§ 1 und 3 UWG, die täuschende und sittenwidrige Handlungen verbieten, die zu
Wettbewerbszwecken vorgenommen werden (vgl. Baumbach-Hefermehl, 16. Aufl.,
Allg. Rdnr. 63 a m.w.N.), also die Wettbewerbsordnung vor unlaute-ren Eingriffen
schützen, nicht aber gezielt in die Kommunikationsfreiheit eingreifen.
105
##blob##nbsp;
106
Allerdings bedarf es einer Güter- und Interessen-abwägung, d.h. die allgemeinen
Gesetze, die ihrem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, müssen
107
ihrerseits aus der Erkenntnis der wertset-zenden Bedeutung des Grundrechts
ausgelegt und so in ihren begrenzenden Wirkungen selbst wieder eingeschränkt
werden (vgl. BVerfG a.a.O.; Baum-bach-Hefermehl a.a.O.; von Mangoldt-Klein-Starck,
3. Aufl., Rdnr. 124 zu Art. 5 GG). Im Streitfall dient die beanstandete Ankündigung auf
der Ware vornehmlich wettbewerblichen Interessen der Be-klagten, nicht aber der
Information über einen Gegenstand allgemeinen Interesses, schon gar nicht handelt
es sich um einen Beitrag zu argumentativer Auseinandersetzung. Stellt man dem
werbenden Hin-weis der Beklagten das Interesse der Allgemeinheit an einem
Wettbewerb gegenüber, der frei von unlau-terer Beeinflussung durch gefühlsbetonte,
nicht sachbezogene oder irreführende Hinweise ist, so bestehen keine Bedenken, im
Streitfall anzunehmen, daß ein Verbot der beanstandeten Ankündigung eine
zutreffende Anwendung der die Meinungsäußerungs-freiheit beschränkenden
allgemeinen Gesetze der §§ 1 und 3 UWG darstellt.
##blob##nbsp;
108
Der auf Ersatz der Aufwendungen des Klägers ge-richtete Zahlungsantrag ist aus
dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag - §§ 677, 683, 670 BGB -
gerechtfertigt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen
Urteils und die dort in Bezug genommene Rechtspre-chung verwiesen.
109
##blob##nbsp;
110
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
111
##blob##nbsp;
112
Soweit der Kläger im Berufungsrechtszug den Antrag auf Unterlassungsverurteilung
neu gefaßt hat, liegt hierin keine teilweise Klagerücknahme oder Klageänderung,
sondern lediglich eine bessere An-passung an die konkrete Verletzungsform.
113
##blob##nbsp;
114
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck-barkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO. Die nach § 546 Abs. 2 festzusetzende Beschwer der Beklagten entspricht dem
Wert ihres Unterliegens im Rechts-streit.
115
##blob##nbsp;
116
Für die von der Beklagten angeregte Zulassung der Revision hat der Senat keine
Veranlassung gesehen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeu-tung, und
die vorliegende Entscheidung beruht auf der Anwendung von Rechtsgrundsätzen,
die der stän-digen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ent-sprechen.
117