Urteil des OLG Köln vom 07.02.1997

OLG Köln (letztwillige verfügung, vermächtnis, vertrag zugunsten dritter, erblasser, erbvertrag, erbe, tod, wohnung, antrag, vertrag)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 147/97
Datum:
07.02.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 147/97
Schlagworte:
KONVALESZENS
Normen:
BGB §§ 1939, 1967, 2147, 2274
Leitsätze:
Kein erfolgreicher Entzug eines Vermächtsnisses bei Konvaleszens
Ein im Erbvertrag zugedachtes Vorausvermächtnis bleibt auch dann
wirksam, wenn der Vermächtnisnehmer nicht Erbe wird. Haben die
Parteien eines Erbvertrages dem Vermächtnisnehmer die Nutzungen an
einem Hausgrundstück zugedacht, so erlischt das Vermächtnis nicht
dadurch, daß der Überlebende das Hausgrundstück unentgeltlich auf
einen Dritten überträgt, der nach seinem Tod sein Alleinerbe wird,
Konvaleszens.
Rechtskraft:
rechtskräftig
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e Die zulässige Berufung der Beklagten hat in vollem
Umfang Erfolg (der unter Ziffer 1a) des landgerichtlichen Urteils tenorierte Anspruch der
Klägerin ist mit der Berufung nicht angegriffen worden). Entgegen der Ansicht des
Landgerichts kann die Klägerin nach §§ 985, 987 BGB weder die Herausgabe der im 4.
OG gelegenen Wohnung noch die Bruttomieteinnahmen für die im 3. OG gelegene
Wohnung von der Beklagten verlangen. Denn der Beklagten stehen das Nutzungsrecht
an der Wohnung und die Mieteinnahmen nach §§ 1939, 2147, 2174 BGB aufgrund des
ihr in Ziffer 8 b des Erbvertrages vom 12.3.1975 (Anlagenhefter Bl. 5, 9 f.) zugewandten
Vermächtnisses zu. 1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Vermächtnis mit dem
Tod von Prof. Dr. med. K. D. (Erblasser) angefallen (§ 2176 BGB); es handelte sich um
kein aufschiebend durch den Anfall des Vorerbes bedingtes Vermächtnis. Eine derartige
Abhängigkeit läßt sich aus der vertraglichen Regelung nicht herleiten. Die Parteien des
Erbvertrages haben in Ziffer 4 geregelt, wer Erbe des Überlebenden sein sollte für den
Fall, daß der Überlebende eine letztwillige Verfügung nicht treffen sollte; für diesen Fall,
der durch die von H. D. getroffene letztwillige Verfügung vom 3.3.1993 nicht eingetreten
ist, sollte die Beklagte befreite Vorerbin zu ¼ werden. Dagegen steht die in Ziffer 8
getroffene Anordnung des Vorausvermächtnisses unter keiner derartigen
Einschränkung; auch belegt das von der Beklagten vorgelegte Schreiben des
Erblassers vom 10.2.1975 eindeutig, daß es ihm darum ging, die Beklagte wegen ihrer
Verdienste um die Familie ,sorgenlos versorgt" bzw. ,im Alter sorgenlos zu wissen" (Bl.
128 d.A.), weshalb sie auch ,über das Vermächtnis hinausgehend" am Erbe beteiligt
werden sollte. Desweiteren vermag auch der im Vertrag verwandte Begriff
,Vorausvermächtnis" die Ansicht der Klägerin nicht zu stützen. Ein Vorausvermächtnis
1
liegt vor, wenn dem Vermächtnisnehmer zusätzlich zu seinem Erbteil ein
Vermögensvorteil zugewendet wird, den er sich nicht auf sein Erbteil anrechnen lassen
muß; durch die rechtliche Selbständigkeit ist das Vorausvermächtnis von der
Erbenstellung unabhängig (vgl. Palandt - Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2150 Rn 3).
Schließlich läßt sich auch aus Ziffer 8 c des Vertrages nichts zugunsten der Klägerin
herleiten. Diese Regelung räumte entsprechend der Regelung des § 2299 BGB den
Vertragsparteien lediglich das Recht ein, beliebige zusätzliche Vermächtnisse
auszusetzen, berührte also nicht den Bestand bereits gemeinsam getroffener.
Andererseits ergibt sich aber aus Ziffer 8 c, daß der Überlebende an die getroffenen
Vermächtnisse gebunden sein sollte, denn das Recht sollte mit der Maßgabe ausgeübt
werden, daß solche Vermächtnisse nach seinem (des Erstversterbenden) oder nach
dem Tod des Überlebenden zu erfüllen sind. Diese Regelung wie auch die bereits
zitierte, dem Vertragsschluß unmittelbar vorausgehende Korrespondenz belegen, daß
es dem Überlebenden gerade nicht freistehen sollte, Vermächtnisse des
Erstversterbenden zu widerrufen. 2. Der Erbvertrag oder einzelne vertragsmäßige
Verfügungen, wie hier die Vermächtnisanordnung zugunsten der Beklagten, konnten
nur durch einen neuen Vertrag zwischen den Vertragsparteien aufgehoben werden (§
2290 BGB) bzw. von dem Erblasser durch Testament, wobei dann aber zur Wirksamkeit
ebenfalls die Zustimmung des anderen Vertragschließenden erforderlich gewesen wäre
(§ 2291 Abs. 1 BGB). Beides ist nicht geschehen, auch hat der überlebende Bruder H.
die Erbschaft nicht ausgeschlagen. Deshalb hatte er als Beschwerter (§ 2147 BGB) das
der Beklagten ausgesetzte Vermächtnis bis zur völligen Erschöpfung des Nachlasses
zu erfüllen. Hierzu hat der BGH (DRsp-ROM Nr. 1993/249 = BB 1993, 612 = DB 1993,
1517 = FamRZ 1993, 422 = MDR 1993, 245 = NJW 1993, 850 = WM 1993, 565)
ausgeführt: Der Grund dafür besteht darin, daß der Erbe, wenn er die Erbschaft
annimmt, damit dem Willen des Erblassers unterliegt und dessen rechtlich verbindliche
Anordnungen daher zu erfüllen hat. Das ist bei einem Erbvertrag zwischen dem
Erblasser und seinem künftigen Alleinerben nicht anders. Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts (BU 14 III) beruht die Verpflichtung des Erben zur Erfüllung eines
Vermächtnisses auch hier nicht auf seiner Zustimmung zu dem Erbvertrag, sondern auf
den erbrechtlichen Verfügungen des Erblassers in diesem Erbvertrag und auf dem
Umstand, daß der Erbe die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat. Der im Testament vom
3.3.1993 durch H. D. erfolgte Widerruf des Vermächtnisses ist deshalb unbeachtlich. 3.
Durch das Vermächtnis wurde für die Beklagte das Recht begründet, von dem Bruder H.
die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern (§ 2274 BGB). Das Landgericht
hat gemeint, damit sei die Eintragung eines entsprechenden Nießbrauch und
Wohnungsrechts im Grundbuch gemeint; der Beschwerte sei zur Erfüllung des
Vermächtnisses unvermögend geworden, weil er es an die Streitverkündete, seine
spätere Erbin, übereignet gehabt hätte; zum Zeitpunkt des Erbfalls sei H. nicht mehr
Eigentümer gewesen. Das ist unzutreffend und wird dem Wesen des Vermächtnisses
und seiner gesetzlichen Regelung nicht gerecht. Das Vermächtnis begründet nur einen
schuldrechtlichen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Beschwerten. Das
durch das Vermächtnis begründete Forderungsrecht der Beklagten konnte der
Beschwerte nicht dadurch zum Erlöschen bringen, daß er das Haus mit Vertrag vom 21.
Dezember 1994 (AH Bl. 57) unentgeltlich auf die Streitverkündete übertrug; es bestand
als Forderung gegen den Nachlaß bis zu dessen völliger Erschöpfung fort (s.o.). Da die
Streitverkündete nach dem Tod von H. D. im Jahr 1995 dessen Alleinerbin geworden ist,
haftete sie nach § 1967 BGB auch für diese Nachlaßverbindlichkeit; sie hatte der
Beklagten die entsprechenden Nutzungsrechte zu gewähren. Diese Verpflichtung leitet
sich aus §§ 2288 Abs. 2, 2170 Abs. 2 BGB her. Nach diesen Vorschriften ist der Erbe
verpflichtet, dem Bedachten den Gegenstand zu verschaffen, wenn der Erblasser ihn in
der Absicht, den Bedachten zu beeinträchtigen, veräußert hat. Der Anschein spricht hier
für eine derartige Absicht; die Streitverkündete kannte das Vermächtnis, das Haus
wurde kurz vor dem Tod des H. D. auf die Streitverkündete übertragen, die sofort alles in
die Wege geleitet hat, die Beklagte aus dem Vermächtnis zu drängen; andere Gründe,
die diesen Anschein entkräften könnten, hat die Klägerin nicht genannt, sie sind auch
sonst nicht ersichtlich. Nur wenn ihr die Verschaffung unmöglich war, konnte die
Streitverkündete sich durch Entrichtung des Wertes befreien (§ 2170 Abs. 2 BGB).
Unmöglich war der Streitverkündeten die Verschaffung des Nutzungsrechts aber
deshalb nicht, weil sie selbst das Hausgrundstück, auf das es sich bezog, vom
Erblasser übertragen bekommen hatte und noch besaß; sie konnte dieser Verpflichtung
also ohne weiteres nachkommen, die Beklagte sie andererseits von ihr einfordern. Aber
selbst wenn man eine entsprechende Benachteiligungsabsicht des Erblassers H. D.
verneinte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagte hatte bei Anfall des
Erbes bei der Streitverkündeten gem. § 2174 BGB einen Forderungsanspruch auf
Fortsetzung der Ausübung der Nutzungsrechte. Da das Vermächtnis mit dem Tod des
Prof. K. D. bereits angefallen war und von der Beklagten wahrgenommen wurde, liegt
auch kein Fall der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit vor, bei deren Vorliegen das
Vermächtnis unwirksam gewesen wäre (§ 2271 BGB). Diesen Anspruch konnte und
mußte die Streitverkündete, als sie Erbin und damit Beschwerte wurde, erfüllen, da sie
zugleich Eigentümerin des Hauses war, auf das sich das Vermächtnis bezog; denn
insoweit ist, als sie Erbin wurde, Konvaleszenz i.S. des § 185 Abs. 2 BGB eingetreten.
Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob H. D. noch geschäftsfähig war oder nur von der
Streitverkündeten ,gesteuert" wurde, wie es entgegen der Ansicht des Landgerichts
auch nicht darauf ankommt, ob H. D. beim Erbfall noch Eigentümer des Hauses war.
Ohnehin ist die Ansicht des Landgerichts, dem Erblasser H. D. sei die Erfüllung des
Vermächtnisses aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich gewesen, nicht
nachvollziehbar; H. D. hat sich des Hauses in Kenntnis des Vermächtnisses entäußert,
ohne die im Vermächtnis aufgeführten Nutzungsrechte der Beklagten an Teilen dieses
Hauses sicherzustellen; er hat damit willentlich die Erfüllung des Vermächtnisses
gefährdet und dies somit auch zu vertreten. Deshalb hätte der Beklagten wegen der
Veräußerung jedenfalls gem. § 280 Abs. 1 BGB gegenüber H. D. ein Anspruch auf
Schadensersatz zugestanden, der dem Wert des Vermächtnisses entspricht, und den
die Streitverkündete als gegen den Nachlaß gerichtete Forderung geerbt hat. 4. Die
Klägerin hat durch Vertrag vom 5.7.1995 das Hausgrundstück, auf das sich das
Vermächtnis bezieht, von der Beklagten erworben. Sie hat unter Ziffer IV 3 in Kenntnis
des Vermächtnisses die Verpflichtung übernommen, etwaige Ansprüche der Beklagten
aus dem Erbvertrag zu erfüllen und insoweit die Streitverkündete freizustellen. Insoweit
handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter, der der Beklagten ein eigenes
Forderungsrecht gegen die Klägerin einräumt. Die Klägerin muß deshalb die der
Beklagten durch das Vermächtnis eingeräumten Nutzungsrechte am Haus gegen sich
gelten lassen. Ihre auf Räumung der im 4. OG gelegenen Wohnung, Zahlung von
Mietzins für sie und Auskehrung der Mieteinnahmen für die im 3. OG gelegene
Wohnung gerichtete Klage ist deshalb unbegründet, die Anträge aus Widerklage ( B 1 -
3) sind in vollem Umfang begründet. 5. Die Berufung wendet sich zu Recht auch gegen
die Verurteilung zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 1.548,-- DM für die
Monate 10 u. 11/1995; sie bezieht sich auf die ehemaligen Arztpraxisräume im
Souterrain. Der Betrag ist enthalten in den unter Ziffer 3) tenorierten 3.548,-- DM. Die
Beklagte hat hierzu behauptet, diese Räume nie persönlich genutzt zu haben; sie hätten
nur der Aufbewahrung von Nachlaßgegenständen, u.a. Patientenkarteien, des Kurt D.
gedient. Daß ein derartiges ,Archiv" bestand, ergibt sich aus dem Schreiben der
Rechtsanwälte L. pp. vom 10.8.1989 (Bl. 147 d.A.); die Klägerin hat diesem Vortrag
auch nicht widersprochen, so daß seine Richtigkeit unterstellt werden kann (§ 138 Abs.
3 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 101
Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO. Beschwer für die Klägerin: 50.948,-- DM Berufungsstreitwert: 1. Antrag zu A:
12.000,-- DM und 3548,-- DM 2. Antrag zu B 1a 12.000,-- DM 3. Antrag zu B 1 b 19.200,-
- DM 4. Antrag zu 2) 1.000,-- DM 5. Antrag zu 3) 3.200,-- DM Summe: 50.948,-- DM
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