Urteil des OLG Köln vom 12.01.1995

OLG Köln (tätigkeit, beruf, eintritt des versicherungsfalles, berufsunfähigkeit, betrieb, prognose, lebensversicherung, zeuge, verweisung, kenntnis)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 245/93
Datum:
12.01.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 245/93
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 10 O 227/92
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.05.1993 verkündete Urteil
der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 10 O 227/92 - wird
zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 21.000,00 DM abwenden, wenn
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch
durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank,
öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Versicherungsbeginn war der 01.03.1987. Die
Versicherung endet am 28.02.2011. In der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sind
für den Eintritt des Versicherungsfalles Beitragsbefreiung und eine monatliche Rente
von 1.082,00 DM, ab 01.10.1991 von 1.123,00 DM, vereinbart.
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Die Klägerin hat den Beruf einer Industriekauffrau erlernt und ihre Lehre im Jahre 1976
erfolgreich abgeschlossen. In diesem Beruf war sie jedoch nur kurze Zeit, allenfalls 1
Jahr tätig. In der Zeit vom 01.09.1981 bis zum 31.07.1990 war die Klägerin als erste
Serviererin in der Gaststätte "W." des Zeugen S. in D. beschäftigt. Sie verdiente dort
monatlich 800,00 DM brutto. Dazu kamen Trinkgelder.
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Gesundheitsbedingt nahm die Klägerin im August 1990 eine Anstellung bei der
Fernmeldeauskunft der Bundespost an. Bei einer Wochenarbeitszeit von zunächst 29
Stunden verdiente die Klägerin 1.905,04 DM brutto monatlich. Ab Oktober 1991
arbeitete die Klägerin dort nur noch 4 Stunden täglich, wobei ihr Arbeitsplatz
behindertengerecht ausgestattet war.
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Am 11.05.1990 hat die Klägerin Ansprüche aus der
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der Beklagten angemeldet. Sie verlangt
Versicherungsleistungen ab 01.10.1991, was die Beklagte abgelehnt hat.
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Die Klägerin hat vorgetragen:
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Sie sei nicht nur in ihrem Beruf als Serviererin, sondern auch für die Tätigkeit bei der
Telefonauskunft seit Oktober 1991 mindestens 50% berufsunfähig. Sie leide an einer
Hüftgelenkserkrankung, an Schultersteife, links mehr als rechts, an einem Reizzustand
im linken Daumensattelgelenk und im Grundgelenk des Zeigefingers rechts sowie an
einer mäßigen Arthrose im Großzehengrundgelenk. Im übrigen könne die Beklagte sie
nicht auf die Tätigkeit bei der Telefonauskunft verweisen, weil diese Tätigkeit mit dem
Beruf einer Serviererin nicht vergleichbar sei.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie monatlich ab Oktober 1991 1.123,00 DM zu
zahlen;
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2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Lebensversicherung Vers.-Nr.:
seit Oktober 1991 beitragsfrei fortzuführen;
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3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.956,00 DM zu zahlen.
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Die Beklagte hat
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Klageabweisung
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beantragt.
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Sie hat vorgetragen:
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Eine mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit sei bei der Klägerin nicht gegeben. Sie sei
in der Lage, eine sitzende Tätigkeit wie die der Telefonistin oder eine ähnliche sitzende
Tätigkeit vollschichtig auszuüben. Die Tätigkeit einer Telefonistin sei der Tätigkeit einer
Serviererin gleichwertig.
20
Das Landgericht hat zur Frage der Berufsunfähigkeit der Klägerin als
Gaststättenbedienung und als Angestellte bei der Telefonauskunft Beweis erhoben
durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und sodann die
Klage durch Urteil vom 14.05.1993 abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht
u.a. ausgeführt: Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. stehe zwar fest, daß
die Klägerin im Beruf der Serviererin berufsunfähig sei. Dagegen läge in bezug auf die
ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin keine Berufsunfähigkeit von mindestens 50% vor.
Die Beklagte habe die Klägerin zu Recht auf diese Tätigkeit verwiesen, da die
wirtschaftliche und soziale Stellung einer Telefonistin durchaus mit der Stellung einer
Serviererin vergleichbar sei.
21
Die Klägerin hat gegen dieses am 21.05.1993 zugestellte Urteil am 21.06.1993
Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.10.1993 am 19.10.1993 begründet.
22
Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:
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Nachdem sie zunächst vorgetragen hatte, sowohl im Beruf der Serviererin als auch für
die Tätigkeit bei der Telefonauskunft berufsunfähig zu sein, trägt sie im Schriftsatz vom
27.09.1994 nunmehr vor, daß sie nach einer Behandlung bei einem Chiropraktiker
nunmehr wieder gesundgeschrieben sei und seit dem 25.07.1994 ihrer Tätigkeit bei der
T. nachgehe. Ihr Einwand, sie sei auch in dem Verweisungsberuf als Telefonistin
berufsunfähig, habe sich durch die positive Veränderung ihres Gesundheitszustandes
erledigt. Nach wie vor bestehe aber Berufsunfähigkeit für den Beruf der Kellnerin.
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Die Tätigkeit als Telefonistin sei weder unter wirtschaftlichen noch unter sonstigen
Gründen mit der Tätigkeit als Bedienstete im Restaurant zu vergleichen. Die
regelmäßigen Einnahmen aus Trinkgeldern hätte ihren Lohn bei weitem überstiegen.
Die Trinkgelder hätten zwischen 3.000,00 DM und 3.500,00 DM monatlich gelegen. Daß
sie zumindest weitaus mehr als 2.000,00 DM monatlich verdient haben müsse, gehe
schon daraus hervor, daß sie in dieser Höhe feste monatliche Ausgaben für
Versicherungen, Miete, Aufwendungen für Fahrzeug und Fahrtkosten gehabt habe
(Zeuge G. H.).
25
Seit dem 06.11.1989 habe sie die für den selbständigen Betrieb einer Schank- und
Speisewirtschaft notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse erworben. Ihre
tägliche Arbeit im Betrieb des Zeugen S. habe im Servieren sowie der gleichzeitigen
Aufsicht über bis zu 12 weitere Serviererinnen bestanden, da die Chefin in der Küche
gearbeitet habe. Sie sei neben dem Servieren für die Organisation des gesamten
Servicebetriebes zuständig gewesen. Sie habe die Zweischichtarbeit im Betrieb
eingeführt. Bei Einstellungen sei sie generell um ihre Meinung gebeten worden. Neben
dem tagtäglichen Servieren und Organisieren sei aber auch die Beratung von Gästen
bezüglich der Dekoration und Speisenfolge für Hochzeits- und
Geburtstagsfeierlichkeiten im großen Saal und im Nebenraum der Gaststätte ihre
Aufgabe gewesen. Bei der Gaststätte W. handele es sich um ein bestens bekanntes
Speiselokal. Zu ihrer Zeit seien dort an Wochenenden mittags 300-400 Essen verkauft
worden. Aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit, der Vielfalt ihrer Aufgaben und ihrer
gegenüber den anderen Mitarbeitern hervorgehobenen Stellung sei sie von vielen
Gästen als tatsächliche Chefin angesehen worden. Sie habe eine solche
Vertrauensstellung erworben, daß sie in Abwesenheit des Chefs oder der Chefin
selbständig die Abrechnungen mit den anderen Serviererinnen durchgeführt habe.
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Die Tätigkeit als Telefonistin sei mit dieser Tätigkeit in keiner Weise vergleichbar.
Abgesehen davon, daß sie sich finanziell schlechter stehe, beschränke sich ihre Arbeit
in der Fernmeldeauskunft darauf, abgespeicherte Rufnummern von anderen
Teilnehmern an den Anfragenden weiterzugeben. Die Tätigkeit in der
Fernmeldeauskunft bedürfe keiner Qualifikation und keinen besonderen persönlichen
Fähigkeiten. Ein solcher Beruf unterfordere sie kenntnis- und erfahrungsmäßig in
erheblicher Weise und sei deshalb kein Vergleichsberuf im Sinne der
Versicherungsbedingungen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie monatlich ab Oktober 1991 vierteljährlich im
voraus 3.369,00 DM (also 1.123,00 DM/Monat) nebst 4 % Zinsen von jeweils
3.369,00 DM für jedes Vierteljahr, beginnend mit Oktober 1991 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, die bei ihr unter der Nummer geführte
Lebensversicherung zugunsten der Klägerin mit Wirkung ab Oktober 1991
beitragsfrei fortzuführen;
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3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.752,60 DM nebst 4 % Zinsen von 3.397,00
DM seit August 1992, 4 % Zinsen von weiteren je 348,00 DM ab August 1992 jeweils
zum 1. eines jeden Monats bis Februar 1993, 4 % Zinsen von 365,00 DM ab dem
01.03.1993, ebenfalls bis zum 1. eines jeden Monats bis Februar 1994, 4 % Zinsen
von jeweils 383,70 DM zum 1. eines jeden Monats ab Februar 1994 bis
einschließlich 01.06.1994 zu zahlen;
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3. a) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr auch im übrigen die seit
Oktober 1991 gezahlten Beiträge auf die unter Nummer geführte Lebensversicherung
zurückzuzahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auch sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:
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Die Klägerin sei weder für den Beruf einer Serviererin noch für den Beruf in der
Fernsprechauskunft berufsunfähig gewesen. Die Klage sei auch deshalb unbegründet,
weil die Folgen des Hauptleidens der Klägerin, nämlich die Hüftgelenksarthorse, durch
eine Operation hätten behoben werden können.
43
Bei der derzeit ausgeübten Tätigkeit als Telefonistin in der Telefonauskunft handele es
sich um eine Tätigkeit, die ihrer früheren Tätigkeit als Serviererin gleichwertig sei. Sie
sei bei dieser Tätigkeit weder kenntnis- und erfahrungsmäßig unterfordert noch müsse
sie unzumutbare Einkommenseinbußen hinnehmen.
44
Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen S. Beweis erhoben. Wegen des
45
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.10.1994,
wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens auf den gesamten
vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
46
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin ist in der Sache nicht
begründet.
47
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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Der Klägerin stehen aus der abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf
die im Ergebnis zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug
genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
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Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich ergänzend auszuführen:
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Vorliegend kann unentschieden bleiben, ob die Klägerin in ihrem von 1981 bis 1990
ausgeübten Beruf als Serviererin berufsunfähig ist, wie das der Sachverständige Dr. K.
in seinem für das Landgericht erstatteten Gutachten angenommen hat, was die Beklagte
im Schriftsatz vom 11.10.1994 nunmehr jedoch wieder bestreitet.
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Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vor dem Senat durchgeführten
Beweisaufnahme hat das Landgericht die Klägerin jedenfalls zu Recht auf die von ihr
seit Sommer 1990 ausgeübte Tätigkeit bei der Fernsprechauskunft verwiesen.
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Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liegt nach § 2 Abs. 1 der Besonderen
Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BB-BUZ) vor, wenn der
Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich
nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine
andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt
werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Diese Voraussetzungen
sind bei der Klägerin im Hinblick auf ihre Tätigkeit bei der Fernsprechauskunft jedoch
nicht gegeben.
53
Zunächst stehen der (konkreten) Verweisung der Klägerin auf die Tätigkeit bei der
Telefonauskunft gesundheitliche Hindernisse nicht entgegen, was sie im Schriftsatz
vom 27.09.1994 selbst einräumt. Ausdrücklich wird dort darauf hingewiesen, daß sich
ihr Einwand, sie sei auch in dem Verweisungsberuf der Telefonistin berufsunfähig,
erledigt habe. Auch der Sachverständige Dr. K. hatte die notwendige Prognose
voraussichtlich dauernder Unfähigkeit für diese Tätigkeit bei der Klägerin nicht
feststellen können und angenommen, daß sie für diese Tätigkeit mehr als 4 Stunden
arbeitstäglich belastbar sei, so daß von einer mindestens 50%igen Berufsunfähigkeit
nicht gesprochen werden konnte.
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Die Klägerin kann ihre jetzige Tätigkeit aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung
ausüben. Entgegen ihrer Auffassung entspricht sie auch ihrer bisherigen
Lebensstellung.
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Ein Vergleichsberuf im Sinne von § 2 Abs. 1 BB-BUZ, auf den der Versicherte
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verwiesen werden kann, ist gefunden, wenn diese Tätigkeit keine deutlich geringeren
Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und auch in ihrer Vergütung wie in ihrer
Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt.
Die Verweisungstätigkeit darf den Versicherten kenntnis- und erfahrungsmäßig nicht
überfordern, aber auch nicht unterfordern. Der Versicherte braucht außerdem keinen
spürbaren sozialen Abstieg hinzunehmen, d.h. der Vergleichsberuf darf in der sozialen
Wertschätzung und auch im Einkommensvergleich nicht erheblich niedriger
anzusiedeln sein.
Auch unter diesen Gesichtspunkten bestehen keine Hindernisse gegen die Verweisung
der Klägerin auf die Tätigkeit bei der Telefonauskunft.
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In diesem Zusammenhang ist unerheblich, daß die Klägerin den Beruf der
Industriekauffrau (Lehrberuf) erlernt hat, es sich bei der Tätigkeit bei der Telefonauskunft
aber allenfalls um eine Anlerntätigkeit handelt. Von dem erlernten Beruf der
Industriekauffrau kann für die Findung eines geeigneten und zulässigen
Vergleichsberufs jedoch nicht ausgegangen werden. Von der Tätigkeit als
Industriekauffrau war die Lebensstellung der Klägerin nicht geprägt, weil sie diesen
Beruf nur kurzzeitig ausgeübt hat.
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Vielmehr ist von dem Beruf der Serviererin auszugehen, in dem die Klägerin von 1981
bis 1990 tätig gewesen ist und in dem sie nach den Angaben des Zeugen S., ihres
früheren Arbeitgebers, erhebliche Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat.
Andererseits war die Stellung der Klägerin in diesem Beruf nach dem Ergebnis der vor
dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht derart, daß dies eine Verweisung auf
die Tätigkeit bei der Telefonauskunft ausschlösse. Der Senat hat das konkrete
Berufsbild der Klägerin als Serviererin aufzuklären versucht. Nach den Angaben des
Zeugen S. war sie die einzig fest angemeldete Bedienung in seinem Landgasthof. Der
Gasthof verfügte u.a. über einen Saal für 180 Personen, in dem größere Gesellschaften,
Hochzeiten, Kommunionen und auch Theateraufführungen stattfanden. In dem Gasthof
wurde warme Küche mittags und abends angeboten. Die Klägerin war dort in der Regel
dreimal wöchentlich in der Zeit von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr tätig. Sie hatte die Aufgabe,
bei Bedarf für zusätzliche Aushilfskräfte zu sorgen, mußte diese anlernen und in der
Regel mit ihnen abrechnen. Bei Vorbestellungen von Gesellschaften besprach sie z.B.
das Menü und die Gestaltung der Feier. Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin, die der
Zeuge S. für seinen Betrieb als "so etwas wie die Chefbedienung" bezeichnet hat, in der
gesamten Zeit monatlich 800,00 DM brutto, wobei der Zeuge die zusätzlichen
Trinkgelder nicht genau angeben konnte, sie aber auf noch einmal denselben Betrag
geschätzt hat.
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Berücksichtigt man die konkreten Umstände in dem Landgasthof, wie sie der Zeuge S.
geschildert hat, die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin und das ihr gezahlte Gehalt,
relativiert sich der Begriff "Chefbedienung", ohne ihn grundsätzlich in Frage zu stellen,
weil die Klägerin eben die einzig fest angestellte Serviererin war.
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Jedenfalls läßt sich ein sozialer Abstieg im Hinblick auf die Verweisungstätigkeit nicht
feststellen.
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Einkommensmäßig hat die Klägerin keine unzumutbaren Einbußen hinzunehmen. Im
Oktober 1990 hat sie bei der Telefonauskunft bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 29
Stunden rund 1.900,00 DM brutto verdient. Ihre Angabe hinsichtlich der Trinkgelder von
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mehreren 1.000,00 DM monatlich im Betrieb des Zeugen S. hat die Klägerin - aus
welchen Gründen auch immer - nicht substantiiert, geschweige denn unter Beweis
gestellt. Die von ihr vorgelegte Aufstellung über monatliche Ausgaben ist zum Beweis
für die Höhe der Trinkgelder nicht geeignet, so daß der Senat lediglich von den
Angaben und Schätzungen des Zeugen S. ausgehen konnte. Dann aber besteht für die
Klägerin kein wirtschaftlicher Abstieg, weil der Einkommensvergleich auch unter
Berücksichtigung des unterschiedlichen Umfangs der Arbeitszeit kein spürbar
niedrigeres Einkommen bei der Tätigkeit als Telefonistin ergibt.
Daß die Tätigkeit als Angestellte der T. in ihrer sozialen Wertschätzung spürbar geringer
anzusehen wäre als die Tätigkeit der Klägerin als Serviererin in dem Landgasthof des
Zeugen S., davon kann auch unter Berücksichtigung der von diesem angegebenen
Tätigkeitsmerkmale der Klägerin keine Rede sein. Schließlich ist die Tätigkeit bei der
Telefonauskunft nicht derart stupide und völlig automatisiert, daß von daher schon eine
Verweisung nicht in Betracht käme. Der Senat verkennt nicht, daß es sich bei der
Mehrzahl der zu erteilenden Auskünfte um automatisierte Abläufe handelt. Bei
schwierigeren Vermittlungen sind aber Intelligenz und individuelles Können der bei der
Telefonauskunft tätigen Menschen gefragt. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert
worden ist, werden auch solche Aufgaben von den Bediensteten der Telefonauskunft
gemeistert, was der Kunde auch erwarten kann, ohne daß sie ausschließlich auf die
vorprogrammierten Tätigkeitsabläufe zurückgreifen können. Unter diesen Umständen
läßt sich auch eine kenntnis- und erfahrungsmäßige Unterforderung der Klägerin bei
ihrer jetzigen Tätigkeit nicht feststellen.
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Schließlich läßt sich eine Berufsunfähigkeit der Klägerin nicht aus der Regelung des § 2
Abs. 3 BB-BUZ herleiten, weil die Klägerin nach ihrem Vorbringen längere Zeit
krankgeschrieben war. In § 2 Abs. 3 BB-BUZ ist bestimmt: Ist der Versicherte 6 Monate
ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich
nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, seinen Beruf oder
eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung
ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt die
Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit. Diese
Bestimmung ist jedoch nicht geeignet, die Ansprüche der Klägerin zu begründen.
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§ 2 Abs. 3 BB-BUZ schreibt lediglich die Prognose fehlender Besserung des
Gesundheitszustandes des Versicherten unwiderlegbar fest, nicht aber auch den Grad
der Beeinträchtigung in seiner Auswirkung auf die bisherige Berufsausübung und die
Ausübbarkeit von sogenannten Vergleichstätigkeiten. Die Klausel schafft eine
beschränkte Ausnahme von der Beweispflicht des Versicherungsnehmers, der alle
Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 BB-BUZ zu beweisen
hat, darunter auch, daß er "voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf ..."
auszuüben. Nur was diese Prognose angeht, macht § 2 Abs. 2 BB-BUZ eine Ausnahme
von der Beweispflicht und schafft insoweit - liegt eine Fortdauer des maßgebenden
Gesundheitszustandes über 6 Monate hinaus vor - eine unwiderlegliche Vermutung
dafür, daß eine Prognose gestellt werden kann, nach dem Stand der medizinischen
Wissenschaft sei keine Erwartung auf Besserung mehr gerechtfertigt (vgl. BGH r + s 94,
72 = VersR 93, 562; r + s 89, 268 = VersR 89, 903). Jedenfalls was den Grad der
gesundheitlichen Beeinträchtigung angeht, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß
bei ihr im Hinblick auf ihre Tätigkeit bei der Telefonauskunft eine mindestens 50%ige
Berufsunfähigkeit vorgelegen hat, wie dies bereits ausgeführt ist.
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Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
66
Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer der Klägerin: 227.831,60
DM.
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