Urteil des OLG Köln vom 21.05.1999
OLG Köln (gutgläubiger erwerb, einstweilige verfügung, vormerkung, eintragung, erwerb, vorläufiger rechtsschutz, verfügung, forderung, grundbuch, gefahr)
Oberlandesgericht Köln, 20 U 181/98
Datum:
21.05.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 181/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 16 O 211/98
Tenor:
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 17. Juli 1998
verkündete Urteil des Landgerichts Köln - Az. 16 O 211/98 - abgeändert,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 11.Mai 1998 - selbes
Aktenzeichen - aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass
zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen hat der
Verfügungskläger zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Es fehlt
nämlich für die beantragte einstweilige Verfügung an einem Verfügungsgrund.
2
Ein Widerspruch kann gemäß § 899 BGB aufgrund einer einstweiligen Verfügung
eingetragen werden, wenn das Grundbuch unrichtig ist. Zweck des Widerspruchs ist es,
den wahren Berechtigten vor einem Rechtsverlust infolge gutgläubigen Erwerbs durch
einen Dritten zu schützen (BGHZ 25, 16, 25; Soergel-Stürner, BGB, 12. Aufl., § 899 Rdn.
1; Staudinger-Gursky, BGB, 12. Aufl., § 899 Rdn. 22). Wegen dieses Schutzzwecks
kommt die Eintragung eines Widerspruchs und damit der Erlass einer hierauf
gerichteten einstweiligen Verfügung nicht in Betracht, wenn die Gefahr eines
gutgläubigen Erwerbs nicht besteht. Eine solche Situation liegt hier vor: selbst wenn
man davon ausgeht, dass das Grundbuch unrichtig ist, weil die zugunsten der Fa. S.
bzw. der Verfügungsbeklagten eingetragene Auflassungsvormerkung nicht (mehr)
besteht oder jedenfalls nicht der Verfügungsbeklagten zusteht, besteht die Gefahr, dass
ein Dritter die Vormerkung oder die durch sie gesicherte Forderung gutgläubig erwirbt,
nicht.
3
1. Ob die Eintragung eines Widerspruchs gegen eine Vormerkung überhaupt zulässig
ist, ist streitig. Der Widerspruch gemäß § 899 BGB hat wie erwähnt den Zweck, den sich
aus dem Grundbuch ergebenden guten Glauben eines Dritten zu zerstören und damit
einen gutgläubigen Erwerb zu verhindern. Demgemäß kommt die Eintragung eines
Widerspruchs nur dort in Betracht, wo die Gefahr gutgläubigen Erwerbs besteht.
Umstritten ist die Frage, ob es überhaupt einen gutgläubigen Erwerb einer Vormerkung
geben kann. Während ein Teil der Literatur dies verneint (Staudinger-Gursky, a.a.O., §
892 Rdn. 47; Palandt-Bassenge, BGB, 58. Auflage, § 885 Rdn. 20, jeweils mit weiteren
Nachweisen) und deshalb auch die Eintragung eines Widerspruchs gegen eine
4
Vormerkung generell für unzulässig hält (Staudinger-Gursky, § 899 Rdn. 24; Palandt-
Bassenge, § 899 Rdn. 3) ist nach der auch in der Rechtsprechung vertretenen
Gegenmeinung ein gutgläubiger Vormerkungserwerb zwar möglich (BGHZ 25, 16, 23;
Münchener Kommentar-Wacke, BGB, 3. Aufl., § 883 Rdn. 64 ff. m. w. N.), jedoch
beschränkt auf die Fälle des redlichen Ersterwerbs einer Vormerkung von einem im
Grundbuch eingetragenen Nichtberechtigten sowie der Abtretung eines bestehenden
Anspruchs, für den eine etwa infolge fehlerhafter Bewilligung nicht wirksam entstandene
Vormerkung eingetragen ist. Hiergegen wird eingewandt, dass ein gutgläubiger Erwerb
allenfalls nach §§ 892, 893 BGB stattfinden könne, also einen rechtsgeschäftlichen
Erwerb verlange. Der Erwerb der Vormerkung, die ein unselbständiges Sicherungsmittel
ist, vollziehe sich aber kraft Gesetzes gemäß § 401 BGB und damit nicht
rechtsgeschäftlich (vgl. etwa Soergel-Stürner, § 893 Rdn. 8 m. w. N.).
Die Streitfrage, ob überhaupt ein gutgläubiger Vormerkungserwerb möglich ist, kann
hier dahinstehen, weil keine der vorgenannten Fallgestaltungen in Rede steht. Um
einen gutgläubigen Ersterwerb vom in Wahrheit nicht berechtigten Bucheigentümer geht
es nicht. Es geht auch nicht um den Fall des redlichen Zweiterwerbs. Hier sind
ausschließlich die Fälle angesprochen, in denen ein bestehender Anspruch mit einer
etwa wegen eines Mangels im dinglichen Bestellungsakt unwirksamen Vormerkung
gesichert ist. Auch dies ist hier nicht der Fall, denn der Verfügungskläger stellt gerade in
Abrede, dass der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch überhaupt noch besteht
bzw. der Verfügungsbeklagten als Gläubigerin zusteht. Existiert der vorgemerkte
Anspruch in Wahrheit nicht, kommt auch ein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung nicht
in Betracht. Nach allgemeiner Auffassung ist nämlich wegen der Akzessorietät der
Vormerkung das Bestehen des vorgemerkten Anspruchs für einen gutgläubigen Erwerb
der Vormerkung unerlässliche Voraussetzung. Anderenfalls könnte eine Forderung
gutgläubig erworben werden, was dem Schuldrecht indessen grundsätzlich fremd ist
(vgl. BGHZ 25, 16, 24; Münchener Kommentar-Wacke, § 883 Rdn. 64). Die Vormerkung
entfaltet also keine Vermutung für das Bestehen des gesicherten Anspruchs (KG OLGZ
1978, 122, 124 = MDR 1977, 500 f.). Kommt damit ein gutgläubiger Erwerb ohnehin
nicht in Betracht, scheidet auch die Eintragung eines Widerspruchs aus (BGHZ 25, 16,
24; Soergel-Stürner, § 899 Rdn. 4; Münchener Kommentar-Wacke, § 899 Rdn. 5;
RGRK-Augustin, § 899 Rdn. 4).
5
Die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs des Anspruchs besteht nach dem oben
Gesagten auch dann nicht, wenn der Anspruch auf Eigentumsübertragung zwar noch
bestehen, nicht aber der Verfügungsbeklagten, sondern wegen der Unwirksamkeit der
Übertragung auf die Antragsgegnerin noch immer der Fa. S. zustehen sollte. Würde die
Verfügungsbeklagte den ihr vermeintlich zustehenden Anspruch weiter übertragen
wollen, wäre der Dritte durch die Eintragung der Verfügungsbeklagten als
Vormerkungsberechtigte in seinem guten Glauben an die Rechtsinhaberschaft der
Verfügungsbeklagten ebensowenig wie an den Bestand der Forderung geschützt,
könnte die Forderung und die Vormerkung also nicht gutgläubig erwerben. Denn der
gutgläubige Erwerb der Vormerkung als unselbständiges, streng akzessorisches
Sicherungsmittel setzt in jedem Falle den Bestand des Anspruches, und zwar in der
Hand desjenigen voraus, zu dessen Gunsten die Auflassungsvormerkung eingetragen
ist. Ebensowenig wie die Vormerkung eine Vermutung für den Bestand des Anspruchs
entfaltet, entfaltet sie eine Vermutung dafür, dass der eingetragene
Vormerkungsberechtigte der wahre Gläubiger des Anspruchs ist. Deshalb besteht auch
dann nicht die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs der Vormerkung durch einen Dritten,
wenn die Antragsgegnerin den Anspruch auf Eigentumsübertragung - sein Fortbestand
6
unterstellt - nicht wirksam erworben hat.
Dies hat zur Folge, dass die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung, mit der
die Eintragung eines Widerspruchs angeordnet worden ist, aufzuheben und der Antrag
auf ihren Erlass zurückzuweisen ist.
7
2. Ein Verfügungsgrund ergibt sich auch nicht aus dem Bedürfnis des
Verfügungsklägers, gegenüber dem Rechtsverkehr zu dokumentieren, dass das
Grundbuch falsch sei, um so die Verkehrs- und Belastungsfähigkeit des Grundstücks
wiederherzustellen. Es ist bereits fraglich, ob ein Widerspruch hierzu überhaupt in der
Lage ist, denn er dokumentiert lediglich, dass der Widersprechende gegen den
Grundbuchinhalt protestiert; das eingetragene, angeblich falsche Recht wird durch den
Widerspruch nicht beseitigt. Dies gilt hier umso mehr, als der Antragsteller sich in erster
Linie nicht gegen die Eintragung der Auflassungsvormerkung, sondern gegen die
Abtretung des Eigentumsübertragungsanspruchs an die Antragsgegnerin und die
Umschreibung der Vormerkung auf diese richtet. Abgesehen davon kommt dem
Widerspruch auch nicht die Funktion zu, die der Verfügungskläger ihm beilegen will:
Der Widerspruch dient ausschließlich der Verhinderung gutgläubigen Dritterwerbs, nicht
aber darüber hinaus ganz allgemein der Dokumentation einer der angeblich falschen
Eintragung entgegenstehenden Auffassung des Widersprechenden.
8
Auch die weiteren Erwägungen des Antragstellers in seinem nach Schluss der
mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 03.05.1999 rechtfertigen nicht
die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung. Dem Umstand, dass sich der
Antragsteller - wie er befürchtet - immer neuen Gegnern gegenübersieht, wenn der
Widerspruch im Grundbuch gelöscht wird, kann er durch Erhebung der
Hauptsacheklage entgegenwirken. Sollte die Antragsgegnerin danach versuchen, ihre
"Rechtsposition" weiter zu übertragen, hätte das auf das Prozessrechtsverhältnis keine
Auswirkungen, §§ 265 Abs.2, 325 ZPO. Abgesehen davon würde die Antragsgegnerin
auch durch die Eintragung des Widerspruchs nicht in ihrer Verfügungsbefugnis
beschränkt. Der Widerspruch bewirkt keine Grundbuchsperre.
9
Darauf, dass der redliche und rechtschaffene Rechtsverkehr vor Geschäften mit der
Antragsgegnerin, die sich möglicherweise zu Unrecht auf ihre Buchposition berufen und
es unterlassen könnte, eventuelle Erwerber darauf hinzuweisen, dass ihr Recht
bestritten ist, hat der Antragsteller keinen Anspruch.
10
3. Dem Bedürfnis des Verfügungsklägers kann auch nicht auf andere Weise, wie etwa
durch Eintragung einer Löschungsvormerkung oder eines Verfügungsverbotes,
Rechnung getragen werden. Zwar hat der Senat gemäß § 938 Abs. 1 ZPO nach freiem
Ermessen zu bestimmen, welche Anordnungen zur Erreichung des mit der einstweiligen
Verfügung verfolgten Zwecks erforderlich sind. Deshalb ist auch zu prüfen, ob z. B. auch
die Eintragung eines Verfügungsverbotes oder einer Vormerkung anstelle des
beantragten Widerspruchs in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 86, 49 = NJW-RR 1992,
898, Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 938 Rdn. 2). Dabei ist aber bereits fraglich, ob
die Eintragung eines Verfügungsverbotes oder einer Vormerkung nicht bereits daran
scheitert, dass der Widerspruch bei Unrichtigkeit des Grundbuchs der speziellere
Rechtsbehelf ist (so Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz,
Band 2, § 938 Rn. 29). Die Eintragung einer Vormerkung und eines Verfügungsverbotes
scheitert aber auch aus anderen Gründen. Vormerkungsfähig sind nämlich nur
schuldrechtliche Ansprüche (Palandt-Bassenge, a.a.O., § 883 Rn.1), nicht also der
11
dingliche Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB. Ein Verfügungsverbot nach
§ 938 Abs.2 ZPO verbietet sich schon deshalb, weil die Verfügungsbeklagte nach dem
Vortrag des Verfügungsklägers kein Recht besitzt, über das sie verfügen könnte:
entweder bestehen Forderung und Vormerkung überhaupt nicht (mehr), oder sie stehen
jedenfalls nicht der Verfügungsbeklagten zu. Ganz abgesehen von der Frage, ob die
Voraussetzungen für ein Verfügungsverbot oder eine Löschungsvormerkung überhaupt
vorliegen, würden im übrigen auch diese Rechtsbehelfe darauf abzielen, einen
gutgläubigen Erwerb der gesicherten Forderung und der Vormerkung zu verhindern. Da
ein solcher gutgläubiger Erwerb aber aus den oben ausgeführten Gründen nicht zu
befürchten ist, sind solche Maßnahmen in gleicher Weise wie die Eintragung eines
Widerspruchs unzulässig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
12
Berufungsstreitwert: 330.000,00 DM
13