Urteil des OLG Köln vom 13.08.2002
OLG Köln: grundstück, verantwortlichkeit, erkenntnis, spiel, unterhalt, haftpflichtversicherung, wiedereröffnung, konzentration, einsichtsfähigkeit, wiese
Oberlandesgericht Köln, 22 U 71/02
Datum:
13.08.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 71/02
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 11 0 406/01
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3. April 2002 verkündete
Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 0 406/01 - wie
folgt abgeändert und neu gefaßt:
Die Klage wird - insgesamt - abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden dem
Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
2
I.
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Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen der
durch Würfe von Steinen und/oder Äpfeln an seinen Fahrzeugen verursachten Schäden.
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1.
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Ein Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich - entgegen der Auffassung des
Landgerichts - nicht aus den §§ 823 Abs. 1, 828 Abs. BGB.
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Die Beklagten sind zur Tatzeit schuldunfähig gewesen, da ihnen die nach § 828 Abs. 2
BGB erforderliche Einsichtsfähigkeit gefehlt hat.
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Die Beklagten waren zur Zeit des Vorfalls Anfang Juli 2001 7 bzw. 8 Jahre alt (Bl. 51
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d.A. unstreitig), also nahe an der unteren zeitlichen Grenze, die das Gesetz für die
Zurechnungsfähigkeit vorsieht.
Der Schadenseintritt ist ersichtlich Folge einer spielerischen Verhaltensweise der
Beklagten gewesen.
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Die Beklagten haben - sei es auf Bitten eines Onkels, Gegenstände von der Wiese des
elterlichen Gartens zu entfernen, sei es aus eigenem Antrieb - Steine und/oder Äpfel
über die auf der Grenze zum klägerischen Grundstück stehende Hecke geworfen. Daß
es sich dabei um eine spielerische Verhaltensweise gehandelt hat, liegt auf der Hand.
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In dieser Spielsituation haben die Beklagten nicht die nach § 828 Abs. 2 BGB zur
Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht gehabt.
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Die Hecke war mindestens 2,50 m hoch (Bl. 51 d. A., unstreitig) und mindestens 30 cm
bis 50 cm breit (Kläger Bl. 65 d.A.). Selbst wenn es theoretisch möglich sein sollte, durch
eine solche Hecke hindurch bei gezielter Nachschau die dahinter abgestellten
Fahrzeuge des Klägers zu sehen, kann nach Auffassung des Senats davon
ausgegangen werden, daß diese Fahrzeuge den Beklagten zur Tatzeit nicht aufgefallen
sind. Die Kinder haben ersichtlich im Garten herumgetobt. Es kann deshalb davon
ausgegangen werden, daß ihnen nicht bewußt war, daß hinter der Hecke Fahrzeuge
standen, die durch die Steine oder gegebenenfalls Äpfel getroffen und beschädigt
werden konnten.
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Daß die Kinder wegen der Beschäftigung der Mutter im Betrieb des Klägers zuvor
mehrfach auf dem Grundstück des Klägers gespielt haben, besagt demgegenüber nichts
Entscheidendes. Dadurch mögen die Beklagten theoretisch gewußt haben, daß auf dem
Grundstück des Klägers Fahrzeuge abgestellt waren. Aber nichts spricht dafür, daß
dieses theoretische Wissen zur Zeit der Tat bei ihnen aktuell die Erkenntnis
herbeigeführt haben könnte, diese Fahrzeuge stünden auch zu dieser Zeit dort und
könnten durch die Steine oder auch Äpfel getroffen und beschädigt werden. Vielmehr
wurde nach der Überzeugung des Senats dieses Wissen, ebenso wie die etwa
allgemein vorhandene Kenntnis von der möglichen Gefährlichkeit von Steinwürfen in
ein nicht einsehbares Gelände, durch die Konzentration auf das Spiel und den hiermit
einhergehenden kindlichen Übermut derart überlagert, daß davon auszugehen ist, daß
den Beklagten zur Zeit des schadensstiftenden Ereignisses die erforderliche Einsicht in
die Gefährlichkeit ihres Verhaltens und ihrer Verantwortlichkeit für einen etwaigen
Schadenseintritt fehlte. Aus den gleichen Gründen kann davon ausgegangen werden,
daß die Beklagten Geräusche vom Aufprall der Steine auf die Fahrzeuge entweder nicht
bemerkt oder nicht zutreffend bewertet haben.
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2.
14
Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus den §§ 823 Abs. 1, 829 BGB.
15
Voraussetzung für die Haftung eines Deliktsunfähigen ist nämlich u. a., daß ihm durch
seine Inanspruchnahme nicht die Mittel entzogen werden, derer er (u.a.) zum
angemessenen Unterhalt bedarf. Es ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, daß
die Beklagten über Geldmittel verfügen, aus denen sie die Forderung des Klägers
begleichen könnten.
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Das bestehen einer Haftpflichtversicherung, die theoretisch für die Schäden aufkommen
könnte, ist in diesem Zusammenhang rechtlich nicht von Bedeutung (vgl. BGH VersR
80, 625 f.). Denn die Eintrittsfähigkeit einer - hier bestehenden - freiwilligen
Privathaftpflichtversicherung setzt die Haftung des Versicherten voraus und kann
deshalb nicht zur Begründung eben dieser Haftung, hier der Haftung der Kinder,
herangezogen werden.
17
Der Berufung der Beklagten hat deshalb der Erfolg nicht versagt werden können.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 ZPO n. F.), dies auch nicht in
Anbetracht des Schriftsatzes des Klägers vom 08.08.2002, der im übrigen auch keinen
Anlaß zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt.
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Streitwert des Berufungsverfahrens
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und Beschwer des Klägers: 12.528,21 EUR
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