Urteil des OLG Köln vom 07.03.2006
OLG Köln: allgemeine geschäftsbedingungen, formularvertrag, aufzug, eigentümer, leitbild, agb, vertragsabschluss, anpassung, räumung, beratung
Oberlandesgericht Köln, 22 U 184/05
Datum:
07.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 184/05
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 14 O 1/05
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln
vom 30.09.2005 - 14 O 1/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits - beider Instanzen - trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Berufung ist zulässig und begründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der mit der Klage geltend gemachten
Renovierungskosten. Denn die Beklagte war zur Endrenovierung nicht verpflichtet. Bei
den maßgeblichen Bestimmungen des Mietvertrages vom 2.10.1992 handelt es sich um
allgemeine Geschäftsbedingungen in einem Formularvertrag, die den Mieter
unangemessen benachteiligen und deshalb unwirksam sind.
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Im Einzelnen:
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1.
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Bei den §§ 15 und 16 des Mietvertrages vom 2.10.1992 handelt es sich um allgemeine
Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB, der auf das Vertragsverhältnis gemäß
Art. 229 § 5 EGBGB Anwendung findet.
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a)
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Bereits das äußere Erscheinungsbild des Vertrages spricht dafür, dass es sich um einen
Formularvertrag handelt, der auf die Bedürfnisse des Klägers als Eigentümer mehrerer
Häuser mit einer Reihe von gewerblichen Mietverhältnissen zugeschnitten und vielfach
verwendbar ist. Dass die Beklagte als Mieterin darin die Verpflichtung übernommen hat,
die Vertragskosten anteilig zu tragen, führt zu keiner anderen Bewertung, da ihr auch
diese Klausel vom Kläger vorgegeben war.
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b)
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Dass der Vertragstext tatsächlich für eine Mehrzahl von Fällen entworfen und vom
Kläger in der Folgezeit auch für andere Mietverhältnisse benutzt worden ist, ergibt sich
aus folgenden weiteren Umständen:
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Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat Eigentümer von insgesamt vier Häusern in L., die – zum Teil überwiegend – zu
gewerblichen Zwecken vermietet werden. Er hat damit Bedarf und Verwendung für
Musterverträge für gewerbliche Mietverhältnisse.
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Der Mietvertrag der Parteien (Bl. 14 ff. d.A.) stimmt bis in sprachliche Eigenheiten mit
dem vom L. Vermieterverein (LVV) herausgegebenen Muster-Geschäftsraummietvertrag
überein, den der Kläger bei einem weiteren gewerblichen Mietverhältnis – einer
Arztpraxis in einem anderen seiner Häuser - im Jahre 1995 verwendet hat, und bei dem
es sich nach allen äußeren Merkmalen eindeutig um einen für eine Vielzahl von
gewerblichen Mietverhältnissen vorformulierten Vertrag und damit um einen
Formularvertrag i.S.d. § 305 BGB handelt (Bl. 136 ff. d.A.). Weitgehend identisch sind
die §§ 1-9 beider Verträge. Zwar fehlt im Vertrag der Parteien § 10 des Mustervertrages
("Aufzug, falls vorhanden"). Dies beruht aber ersichtlich darauf, dass es in diesem
Mietobjekt keinen Aufzug gibt und die entsprechende Ziffer deshalb weggelassen
worden ist. Technisch ist dies mit EDV-gespeicherten Vertragsformularen problemlos
möglich. Es ändert sich lediglich die Nummerierung der folgenden Paragraphen.
Identisch sind ferner die hier maßgeblichen Verpflichtungen zur Vornahme von
Schönheitsreparaturen und zur Renovierung bei Vertragsende (vgl. § 15 Nr.1 und 2
sowie § 16 Nr. 1 des Vertrages der Parteien mit § 16 Nr.1 und 2 sowie § 17 Nr. 1 des
Vertrages 1995). Sogar ungewöhnliche und auffällige Formulierungen finden sich in
beiden Verträgen übereinstimmend wieder, etwa die Wendung "oder /und" statt des
gebräuchlichen "und/oder" in § 1 Nr. 8 (Bl. 15/137 d.A.), oder – in den hier
interessierenden Bestimmungen § 15 Abs.1 (1992)/ § 16 Abs.1 (1995) – die
Schreibweise "Fußboden (-Belag)" (Bl. 21, 143 d.A.).
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Aber auch die Klauseln des Vertrags, den der Kläger mit der Nachmieterin der
Beklagten im Jahre 2004 geschlossen hat (Bl.105 ff. d.A.), weisen weitgehende
Übereinstimmung mit den beiden vorgenannten Verträgen auf. Er enthält lediglich - bei
im Übrigen nahezu wörtlicher Übereinstimmung des § 15 Nr.1 Satz 1 mit der
entsprechenden Bestimmung in den genannten Verträgen – keine Renovierungspflicht
bei Auszug. Jedoch wurde damit ersichtlich nur der Entwicklung der Rechtsprechung
zur Unwirksamkeit einer kumulativen Übertragung von Schönheitsreparaturen und
Endrenovierung auf den Mieter von Wohnraum in Formularverträgen (vgl. BGH NJW
2003, 2234 und 3192) und der damals bereits weit verbreiteten Meinung einer
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Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf gewerbliche Mietverträge Rechnung getragen.
Gerade diese, nur in einem Formularvertrag notwendige, Anpassung spricht damit
zusätzlich dafür, dass der Kläger bei seinen gewerblichen Mietverhältnissen
Formularverträge verwendet.
c)
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Der Bewertung des Vertrages der Parteien als Vertrag mit Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, die vom Kläger bei Vertragsabschluss der Beklagten gestellt
worden sind, steht nicht entgegen, dass es im Tatbestand des angefochtenen Urteils
heißt, die Parteien hätten den neuen Vertrag "nach langwierigen Verhandlungen über
eine Verlängerung des Mietverhältnisses" geschlossen. Dies lässt nur darauf schließen,
dass die Frage der Vertragsdauer Gegenstand von Verhandlungen war, nicht aber die
einzelnen Bedingungen des Vertrages. Tatsächlich enthält auch der Vortrag des
Klägers keinen Hinweis darauf, dass, von der Laufzeit abgesehen, die einzelnen
Vertragsbestimmungen vom Kläger nicht einseitig gestellt, sondern zwischen den
Parteien individuell ausgehandelt worden wären.
16
d)
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Schließlich würde der Annahme eines Formularvertrages nicht entgegenstehen, wenn
der hier zu beurteilende Vertrag der erste in einer Reihe vom Kläger verwendeter
Verträge gewesen wäre. Kommt es zumindest zu drei Verwendungsfällen, so gelten die
AGB-Vorschriften bereits beim ersten Anwendungsfall (Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., § 1
AGBG, Rdn.6; Palandt/Heinrichs, 65. Aufl., § 305 Rdn.9 m.w.Nachw.).
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2.
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Die kumulative formularmäßige Überbürdung der turnusmäßigen Schönheitsreparatur-
und Endrenovierungspflicht auf den Mieter in §§ 15 Nr.1 und 16 Nr.1 des Vertrags vom
2.10.1992 ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters nach § 307 BGB
n.F. unwirksam (BGH, NJW 2003, 3192). Beide Regelungen führen in ihrer
Gesamtbetrachtung zu einem Summierungseffekt und dadurch zu einem Übermaß an
Renovierungspflichten. Die Kumulierung dieser Pflichten entfernt sich so weit vom
gesetzlichen Leitbild, nach dem der Vermieter Schönheits- und Renovierungskosten zu
tragen hat, dass eine formularmäßige Überbürdung auf den Mieter unzulässig ist. Eine
Einschränkung der Renovierungspflicht, die die Regelungen in ihrer Gesamtbetrachtung
gleichwohl als wirksam erscheinen lassen könnte (vgl. BGH, NJW 1998, 3114), sieht
der Vertrag nicht vor. Die Unwirksamkeit solcher Regelungen gilt für
Gewerbemietverhältnisse in gleicher Weise wie für Wohnungsmietverhältnisse (BGH,
NJW 2005, 2006). Ein Grund, den gewerblichen Mieter in diesem Punkt anders zu
behandeln als einen Wohnungsmieter, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen (BGH,
a.a.O.).
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3.
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Der Kläger vermag seine Klageforderung auch nicht darauf zu stützen, dass die
Beklagte im Zusammenhang mit dem Euch des Mietvertrags und der Räumung des
Objekts ausdrücklich ihre Bereitschaft zur Übernahme von Renovierungskosten erklärt
habe. Eine solche Äußerung beruhte auf der irrigen Annahme, aufgrund wirksamer
Vertragsbedingungen zur entsprechenden Kostentragung verpflichtet zu sein. Die
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Äußerung konnte daher mangels Erklärungsbewusstseins weder als selbständige
Verpflichtungserklärung noch als deklaratorisches Schuldanerkenntnis verstanden
werden. Aber selbst wenn die Äußerung ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis
darstellen würde, wäre der Beklagten die Berufung auf die Unwirksamkeit der
entsprechenden Vertragsklauseln nicht abgeschnitten, da ihr diese Unwirksamkeit
damals nicht bekannt war, und sie damit auch nicht ohne anwaltliche Beratung rechnen
musste.
Der Berufung der Beklagten war nach allem stattzugeben und die Klage abzuweisen.
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Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 15.02.2006 gab keinen Anlass zu
einer anderen Entscheidung.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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III.
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Die Voraussetzungen für die im Schriftsatz vom 15.02.2006 beantragte Zulassung der
Revision sind nicht erfüllt. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer
Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab, noch hat die Sache über die
Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.702,50 Euro
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