Urteil des OLG Köln vom 18.06.1993
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Oberlandesgericht Köln, 19 U 215/92
Datum:
18.06.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 215/92
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 14 O 18/91
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 14.10.1992 - 14 O 18/91 -
wird zurückgewiesen. Die Widerklage des Beklagten wird abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig.
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Soweit der Beklagte mit der Berufung Widerklage auf Zahlung des restlichen
Vertragsentgelts erho-ben hat, war die Widerklage gemäß § 530 I ZPO als sachdienlich
zuzulassen, weil über sie aufgrund des bisherigen Streitstoffes ohne weitere Verzö-
gerung des Rechtsstreits mitentschieden werden konnte.
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Die Berufung ist unbegründet.
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Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht Bonn den Beklagten
zur Rückzahlung des zu einem Drittel geleisteten Entgelts aus dem zwi-schen den
Parteien abgeschlossenen Vertrag Zug um Zug gegen Rückübereignung der vom
Beklagten gelie-ferten Teile und Löschung der auf der Anlage der Klägerin kopierten
Programme verurteilt.
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Die Klägerin hat gemäß §§ 346, 327 BGB den gel-tendgemachten Anspruch gegen den
Beklagten, weil sie durch Schreiben vom 20.12.1990 wirksam vom Vertrag
zurückgetreten ist. Ihr Rücktrittsrecht ergibt sich aus § 326 I BGB. Denn der Beklagte hat
trotz der ihm im Schreiben vom 02.11.1990 zur vollständigen Vertragserfüllung
gesetzten Fri-sten keine Anstalten gemacht, die verbleibenden Vertragspflichten, die
den für die Klägerin aus-schlaggebenden Teil der Gegenleistung ausmachten, zu
erfüllen.
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Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei der über-lassenen Software um Standard-
Software handelte. Jedenfalls hat der Beklagte sich vertraglich zu 80-Mann-Stunden
"Programm-Modifikation" verpflich-tet, worunter nach dem Sprachgebrauch
Abwandlungen oder Abänderungen zu verstehen sind, die sich nach verständiger
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Würdigung der Vereinbarungen zwischen den Parteien nur auf die Anpassung des
Programms auf die individuellen betrieblichen Verhältnisse der Klägerin bezogen haben
können. Der Beklagte selbst räumt ein, das Gegenstand der Vereinbarung auch die
Erstellung von Konvertierungsprogrammen für die vorhandenen Datenbestände der
Klägerin war und diese Daten später auf die erweiterte Anlage der Klägerin eingespeist
werden sollten. Nach den Geamtumständen war demgemäß seitens des Beklag-ten
mehr geschuldet als lediglich eine Software-Lizenz.
Auf Grund der getroffenen Vereinbarungen mußte der Beklagte der Klägerin ein aus 4
Programmteilen be-stehendes Softwarepaket liefern und installieren.
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Dabei stand aufgrund der mündlichen Vertragsver-handlungen als Anforderungsprofil
der Klägerin fest, daß sie den Standard ihrer alten Anlage insbesondere um ein
Personalzeitabrechungsprogramm erweitert haben wollte.
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Soweit der Beklagte rügt, die Klägerin habe bisher nicht angegeben, welche
Anpassungen sie eigentlich verlange und die Klägerin habe kein Pflichtenheft erstellt,
entlastet ihn dies nicht.
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Zwar obliegen dem Anwender gewichtige Pflichten, denn er muß seine Wünsche und
Vorstellungen dem Anbieter deutlich machen. Deshalb ist es Pflicht des Anwenders, ein
sog. Pflichtenheft zu erstellen. Die Erstellung eines Pflichtenheftes liegt aber nicht
einseitig beim Anwender. OLG Stuttgart, CR 1989, 598, sieht den Anbieter als
verpflichtet an, das Pflichtenheft zu erstellen. Auch der Anbieter muß daran mitwirken. Er
muß z. B. von sich aus die innerbetrieblichen Bedürf-nisse ermitteln, darauf drängen,
daß der Anwender sie in einem Pflichtenheft niederlegt, für ihn erkennbare Unklarheiten
und Bedürfnisse aufklären, bei der Formulierung der Aufgabenstellung mitwir-ken und
einen Organisationsvorschlag zur Problem-lösung unterbreiten, OLG Köln, VersR 1991,
106 ff. (107): Pflicht des Anbieters, auf Grund der vom Anwender ermittelten Zahl der
Daten (Kunden, Artikel, Geschäftsvorfälle) den Speicherbedarf der Anlage zu ermitteln;
Schmidt, Beratungsleistungen und Mitwirkungspflichten, CR 1992, 709 f. (710). All das
folgt aus dem Know-How des Anbieters und seiner im Regelfall umfangreicheren
Erfahrung im Software- und EDV-Bereich, OLG Stuttgart, CR 1989, 598 (600). Versäumt
der Anbieter diese Pflicht, kann er dem Anwender nicht vorwerfen, daß dieser die
rechtzeitige Vertragserfüllung vereitelt hat. Solange der Anbieter keine konkreten
Forderungen stellt und solange er nicht genau sagt, aus welchem beim Anwender
liegenden Grund er an der Vertragserfüllung gehindert ist, ist der Anwender nicht in der
Lage, von sich aus die Erfüllung des Vertrages voranzutreiben.
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Wie der Beklagte in der Berufungsbegründung vor-trägt, war es für die Erfüllung des
Vertrages von entscheidender Bedeutung, die bisher bei der Klägerin vorhandenen
Daten in die Software des Be-klagten zu überspielen.
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Hierzu hätte es der konkreten Anforderung der nach seiner Auffassung wesentlichen
Datenbestände der Klägerin sowie gegebenenfalls eines eingehen-den Fragenkatalogs
bedurft. Keinesfalls konnte der Beklagte sich auf den Standpunkt stellen, die
Datenbestände der Klägerin nicht zu kennen, und untätigg bleiben. Vielmehr wäre es
seine Aufgabe gewesen, das Datenmaterial durch konkrete Nachfor-schungen zu
ermitteln, nötigenfalls zu sichten, gegebenenfalls erforderliche Aktualisierung anzu-
regen und auf eine zügige Vertragserfüllung selbst hinzuwirken. Dies spätestens nach
dem Schreiben der Klägerin vom 02.11.1990. Zu Recht ist das Landgericht Bonn davon
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ausgegangen, daß die Klä-gerin spätestens in diesem Schreiben die Leistung
abgerufen hat. Dem kann der Beklagte nicht ent-gegenhalten, das wäre technisch gar
nicht in der Kürze der Zeit möglich gewesen. Denn er hätte zumindest alles daran
setzen müssen, die noch erforderlichen Mitwirkungshandlungen der Klägerin
abzuverlangen, um in ihrem Sinne zum Abschluß zu kommen.
Der Beklagte hatte auch kein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der Begleichung der
Rechnung für den G.-Terminal. Der Auftragsbestätigung ist ein Fäl-ligkeitszeitpunkt
nicht ausdrücklich zu entnehmen. Nach der Verkehrssitte ist die Zahlung bestellter Ware
nach Lieferung und Rechnungserhalt fällig. Gründe, warum das im vorliegenden Fall
anders sein sollte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen
werden, daß die Klägerin insoweit vorleistungspflichtig sein sollte und ihr gegenüber
erst eine Verrechnung bei der Schlußzah-lung erfolgen sollte.
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Gegen eine solche Vereinbarung spricht schon der Text der Auftragsbestätigung, in dem
die drei Fäl-ligkeitszeitpunkte für die Zahlungen der Klägerin im einzelnen aufgeführt
sind, ohne daß hinsicht-lich des G.-Terminals ein Kosteneinbehalt bei der
Schlußzahlung vereinbart wäre. Auch der Umstand, daß eine Installation des der
Klägerin so wichti-gen Zeiterfassungsprogramms erst nach Anschluß des Terminals
möglich war und die zweite Rate der Klä-gerin erst bei Installation aller Programme fällig
wurde, bestätigt, daß das Gerät sofort nach Liefe-rung von dem Beklagten bezahlt
werden sollte.
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Da die Klägerin wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist, steht dem Beklagten der mit
der Widerklage geltendgemachte weitere Erfüllungsanspruch nicht zu, der in Höhe der
Kosten für den G.-Terminal schon nach dem eigenen Vortrag des Beklagten un-
schlüssig war.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Gegenstandswert der Berufung und Beschwer für den Beklagten 57.500,00 DM
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