Urteil des OLG Köln vom 01.09.2006
OLG Köln: kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, verkehr, sicherheitsleistung, gesamteindruck, steigerung, eigenschaft, gebühr, begriff, form
Oberlandesgericht Köln, 6 U 15/06
Datum:
01.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 15/06
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 22/05
Normen:
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.12.2005 verkündete
Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 81 O
22/05 – geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt 110% des zu vollstreckenden
Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
B e g r ü n d u n g
1
I.
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Die Parteien sind Verlage, die Schulbücher vertreiben. Die Klägerin ist seit dem 15.
Januar 2001 Inhaberin der für ihrer Rechtsvorgängerin im Jahre 1992 eingetragenen
Wortmarke "Schlaufuchs" für die Warenklasse Bücher. Seitdem verwendet sie diese
Marke unter der Bezeichnung "Das clevere SCHLAUFUCHS Übungsbuch".
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Seit Herbst 2004 vertreibt die Beklagte eine Lernbuchreihe mit dem Titel "Lernfuchs"
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wie nachfolgend in Schwarz-Weiß- Kopie wiedergeben.
pp.
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Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Markenrechte und hat Unterlassung,
Auskunft und die Feststellung der Schadenersatzpflicht begehrt.
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Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 16. Dezember 2005, auf dessen
tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug
genommen wird, antragsgemäß stattgegeben.
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Im Berufungsverfahren, in dem die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter
verfolgt, wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.
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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt Zurückweisung der
Berufung.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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II.
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Landgericht hat der Klage
zu Unrecht stattgegeben, denn der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus § 14
Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG gegen die Beklagte zu. Aufgrund der nur geringen
Zeichenähnlichkeit fehlt es trotz der Warenidentität und der durchschnittlichen
Kennzeichnungskraft der Klagemarke an einer Verwechslungsgefahr zwischen den
streitgegenständlichen Zeichen. Es kann daher offen bleiben, ob die Klägerin ihre
Marke rechtserhaltend und die Beklagte das Zeichen markenmäßig benutzt.
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1. Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei kommt es auf
die Nähe der in Betracht zu ziehenden Waren, auf die Kennzeichnungskraft der
Klagemarke sowie auf das Maß der Ähnlichkeit der zu vergleichenden
Kennzeichnungen an, wobei zwischen diesen die Verwechslungsgefahr bestimmenden
Faktoren eine Wechselbeziehung dergestalt besteht, dass der Ähnlichkeitsgrad um so
geringer sein kann, je größer die Kennzeichnungskraft und/oder die Warennähe ist,
während umgekehrt ein höherer Ähnlichkeitsgrad erforderlich ist, wenn die
Kennzeichnungskraft der Klagemarke nur schwach und/oder der Warenabstand größer
ist. Deshalb kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren
Grad der Ähnlichkeit der Waren oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der
Klagemarke ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl. u.a. BGH GRUR 2004, 779, 781
– Zwilling; BGH GRUR 2004, 235, 237 – Davidoff II; BGH GRUR 2004, 239 –
DONELINE).
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a) Das Landgericht hat festgestellt, dass Warenidentität besteht. Beide Parteien
vertreiben Bücher, nämlich sog. Lernhilfen. Das wird von der Berufung nicht angegriffen
und ist auch nicht zu beanstanden.
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b) Die originäre Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke ist als durchschnittlich
einzustufen. Zwar ist die Kombination des Wortes "Fuchs" mit dem Wort "schlau"
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naheliegend und daher wenig originell, da dem Fuchs bekanntlich nachgesagt wird, er
sei schlau. Wird diese Wortkombination als Bezeichnung für Schulbücher verwendet,
kann ihr aber dennoch eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen
werden.
Eine Steigerung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ist von der Klägerin nicht
substantiiert vorgetragen worden. Die Behauptung abstrakter Umsatzzahlen ohne die
Angabe von Marktanteilen genügt hierfür nicht. Der Vertrieb der Bücher stellt insoweit
zunächst nicht mehr als eine rechtserhaltende Benutzung dar. Ebenso wenig lässt sich
aus der Behauptung, es gäbe inzwischen verschiedene Schlaufuchs-Poster, eine
Steigerung der Kennzeichnungskraft herleiten und zwar schon deshalb nicht, weil
Absatzzahlen weder dargelegt noch unter Beweis gestellt worden sind.
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In Betracht kommt allerdings eine von der Beklagten behauptete Schwächung der
Kennzeichnungskraft der Marke der Klägerin durch die Marken "Lesefuchs" und
"Sprachfuchs". Dies gilt zumindest dann, wenn man davon ausgeht, dass auch solche
Zeichen eine Schwächung herbeiführen können, die den gleichen Abstand von der
klägerischen Marke haben wie das angegriffene Zeichen (so Ingerl/Rohnke, 2. Aufl.
2003, § 14 Rn. 399).
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Im Ergebnis kann diese Frage jedoch offen bleiben, weil eine Verwechslungsgefahr
auch bei einer – nicht geschwächten – durchschnittlichen Kennzeichnungskraft
aufgrund der nur sehr geringen Zeichenähnlichkeit nicht besteht.
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c) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist vom Gesamteindruck der Zeichen
auszugehen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Wortbestandteil "Fuchs" nicht
als prägend anzusehen. Die Klägerin macht insoweit geltend, die Wortbestandteile
"Schlau" und "Lern" seien inhaltsbeschreibend und träten daher zurück. Dem kann nicht
gefolgt werden, weil gerade dem Fuchs bekanntlich Schlauheit nachgesagt wird. Der
Wortbestandteil "Fuchs" ist für Lernhilfen nicht weniger beschreibend als die
Bestandteile "Schlau" und "Lern". Diese nehmen daher ebenso am Gesamteindruck der
Zeichen teil wie "Fuchs."
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Unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass der Verkehr stärker auf
Wortanfänge als auf Wortenden achtet, ist die klangliche Ähnlichkeit zwischen den
Zeichen äußerst gering. Das gilt insbesondere deshalb, weil sich die Wörter nicht nur in
den Anfangsbuchstaben, sondern in der gesamten Anfangssilbe unterscheiden. Ein
Wort, das mit "Lern" beginnt, verwechselt der Verkehr nicht mit einem Wort, das mit
"Schlau" beginnt. Ebenso gering ist die schriftbildliche Ähnlichkeit.
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In Betracht kommt allenfalls eine Ähnlichkeit nach dem Sinngehalt. Eine solche
Ähnlichkeit hat das Landgericht mit dem Argument bejaht, beide Begriffe beschrieben
inhaltlich sehr eng im Zusammenhang stehende menschliche Eigenschaften bzw.
Verhaltensweisen, denn es gelte:
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Wer lernt, ist schlau.
Wer schlau ist, hat gelernt.
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Diesen Folgerungen können sich die Mitglieder des Senats nicht anschließen. Zwar
gehören sowohl der Wortbestandteil "Schlau" als auch der Begriff "Lern" zum
Bedeutungsfeld "Geist, Intellekt, Bildung". Doch kann allein dieser gemeinsame
Bezugspunkt nicht genügen, um eine Zeichenähnlichkeit nach dem Sinngehalt zu
begründen. Andernfalls wären alle Adjektive und Adverben, die im Zusammenhang mit
geistigen oder intellektuellen Fähigkeiten stehen, in markenrechtlicher Hinsicht ähnlich.
Ein solches Ergebnis würde die markenrechtliche Zeichenähnlichkeit und damit den
Schutz einer Marke über Gebühr ausdehnen.
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Darüber hinaus unterscheiden sich die Begriffe nach ihrem Sinngehalt nicht
unerheblich: Schlau ist eine Eigenschaft, die gerade nicht durch Lernen erworben
werden kann. Vielmehr ist es so, dass derjenige, der schlau ist, weniger lernen muss,
um den gleichen Wissensstand zu erreichen. Es gilt daher:
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Nicht jeder, der lernt, wird schlau.
Nicht jeder, der schlau ist, hat gelernt.
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Besteht zwischen den Wortbestandteilen "Schlau" und "Lern" nur eine sehr geringe
begriffliche Ähnlichkeit, so wird diese durch die Übereinstimmung dahingehend, dass es
sich in beiden Fällen um "Füchse" handelt, allenfalls zu einer geringen begrifflichen
Ähnlichkeit.
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2. Angesichts der geringen Zeichenähnlichkeit scheidet eine Verwechslungsgefahr im
engeren Sinne in der Form der unmittelbaren Verwechslungsgefahr trotz der
Warennähe und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft aus.
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3. Auch eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens (sog.
mittelbare Verwechslungsgefahr) liegt nicht vor. Dafür, dass die Klägerin ihr Zeichen
"Fuchs" als Stammbestandteil eines Serienzeichens benutzt, ist nichts vorgetragen.
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4. Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne scheitert schließlich daran, dass der
Verkehr keinen Anlass hat anzunehmen, nur wegen des übereinstimmenden
Zeichenbestandteils "Fuchs" bestünden zwischen den Parteien organisatorische
und/oder wirtschaftliche Verbindungen. Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne
setzt voraus, dass sich die Marke der Klägerin zu einem Hinweis auf das Unternehmen
entwickelt hat (BGH GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling), wofür hier nichts
ersichtlich ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 108 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der
Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die
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Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung durch den Bundesgerichtshof. Streitentscheidend ist vielmehr eine über
den entschiedenen Fall nicht hinausweisende Subsumtion eines individuellen,
tatrichterlich zu beurteilenden Sachverhalts unter Normen und Rechtsgrundsätze, die in
der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits eine Klärung erfahren haben.
Von Hellfeld Wiegelmann Prof. Dr. Steinbeck
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