Urteil des OLG Köln vom 21.05.2004

OLG Köln: prozessführungsbefugnis, gesellschafter, ermächtigung, stammeinlage, prozessstandschaft, obsiegen, transport, massekosten, dispositionsfreiheit, wahrscheinlichkeit

Oberlandesgericht Köln, 18 W 24/04
Datum:
21.05.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 W 24/04
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 91 O 149/03
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der
11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (91 O 149/03)
vom 12.3.2004 teilweise abgeändert.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn
Rechtsanwalt T. aus T. bewilligt, soweit mit der beabsichtigten Klage
eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 12.782,29 € nebst
Zinsen angestrebt wird.
Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.
Gründe
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
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1.
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a. Die beabsichtigte Klage erscheint hinsichtlich eines Teilbetrags über 12.782,29 €
nebst Zinsen erfolgversprechend. Insoweit lässt der Klagevortrag den Schluss zu,
dass der Antragsgegner seine Stammeinlage nicht wirksam erbracht hat aufgrund
der unmittelbaren Rückzahlung. Dessen Einlassung im Rahmen des PKH-
Verfahrens ist mangels näherer Angaben zu dem Verwendungszweck der
Zahlung und der angeblich späteren Rückerstattung unbeachtlich.
b. Anders verhält es sich mit der Klageforderung im Übrigen. Hier ist hinsichtlich der
Barabhebungen vom 20.1.1995 über 1.200 DM, vom 9.2.1995 über 2.000 DM
sowie in Höhe von 20.000 DM nicht hinreichend ersichtlich, dass es sich um
Rückzahlungen an die Gesellschafter gehandelt hat und nicht um Barzahlungen
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im normalen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft, wie von dem Antragsgegner
eingewandt worden ist. Der Antragsteller stützt seine Vermutung, dass die
genannten Beträge "aller Wahrscheinlichkeit nach" an die Gesellschafter "zurück
geflossen" seien, auf ein Schreiben des Beklagten vom 10.6.2003. Dieses enthält
zwar einen Hinweis darauf, dass in der dem Antragsteller vorliegenden Bilanz von
1995 eine Kautionszahlung in Höhe von 40.000 DM ausgewiesen sei. Daraus
lässt aber nicht entnehmen, dass es sich bei den genannten Zahlungen um solche
an die Gesellschafter gehandelt hat.
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2.
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Der Antragsteller ist zur Führung des beabsichtigten Prozesses befugt aufgrund des
Beschlusses des Insolvenzgerichts vom 3.7.2003, mit dem er als vorläufiger
Insolvenzverwalter ermächtigt worden ist, "im Wege einer Klage die Ansprüche der
Gesellschaft gegen die Gesellschafter auf Zahlung der Stammeinlage sowie potentielle
Unterbilanzansprüche geltend zu machen".
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Die grundsätzliche Frage, ob dem sogenannten schwachen vorläufigen
Insolvenzverwalter seitens des Insolvenzgerichts (isoliert) wirksam eine
Prozessführungsbefugnis verliehen werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Wie
auch das Landgericht einräumt ist jedenfalls mit einer durch das Insolvenzgericht
erteilten Einzugsermächtigung die Prozessführungsbefugnis kraft gewillkürter
Prozessstandschaft gegeben. Der zitierte Ermächtigungsbeschluss vom 3.7.2003
beinhaltet seiner Natur nach jedoch zugleich – über den Beschluss vom 28.5.2003
hinaus - eine auf bestimmte Forderungen bezogene Einziehungsermächtigung - und
begründet damit insoweit materiell-rechtlich die Prozessführungsbefugnis.
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Dabei unterliegt es nicht der Beurteilung des Prozessgerichts, ob diese vorbehaltlos
ausgesprochene Ermächtigung sich im Rahmen bloßer Sicherungsmaßnahmen hält
oder darüber hinausgeht. Es obliegt allein dem Insolvenzgericht, die aus seiner Sicht
gebotenen Anordnungen zu treffen. Dabei steht es ihm frei, durch Verhängung eines
allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) dem vorläufigen
Insolvenzverwalter die umfassende Dispositionsfreiheit zu übertragen, die ihm als
sogenannten starken vorläufigen Insolvenzverwalter zugleich eine umfassende
Prozessführungsbefugnis verleiht, welche seitens des Prozessgerichts nicht zu
hinterfragen ist. Es ist dem Insolvenzgericht aber unbenommen, stattdessen gemäß § 22
Abs. 2 InsO die Pflichten und Befugnisse des "schwachen" vorläufigen
Insolvenzverwalters bis hin zur Grenze derjenigen des mit einem begleitenden
Verfügungsverbot bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter auszudehnen (BGH NZI
2002, 543 ff., 546). Eine solche Entscheidung hat das Insolvenzgericht getroffen in
Gestalt einer uneingeschränkten Einziehungs- und Klageermächtigung, konkretisiert auf
bestimmte Forderungen (wie vom BGH a.a.O. gefordert). Auch hier verbietet sich für das
Prozessgericht – wie bei der Übertragung der "starken Verwalterstellung" - eine
Überprüfung auf die Richtigkeit der Ermächtigung.
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3.
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Schließlich kann die Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung verweigert werden,
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die Finanzierung des Prozesses sei den Gläubigern U. und S. Dachbau GmbH
zumutbar.
Die für die Gerichtsgebühren und eigenen Anwaltsgebühren anfallenden Kosten einer
Klage mit dem Gegenstandswert 12.782,29 € belaufen sich in der ersten Instanz auf
etwa 2.550 € und übersteigen damit bereits den für die genannten Gläubigern
erzielbaren Erlös. Bei einem Obsiegen beläuft sich die Insolvenzmasse auf 14.851,30 €
(12.782,29 € + 2.069,01 €). Dem stehen Massekosten von etwa 11.300 € gegenüber
(Verwaltervergütung von 1.490 € und 5.960 €; Gerichtskosten etwa 850 €; Lagerungs-
/Transport-/Steuerberaterkosten 3.000 €), so dass eine frei
Masse von 3.551,30 € verbleibt. Daraus errechnen sich die Gläubigerbeträge von 1.456
€ (41%) und 781,28 € (22%).
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