Urteil des OLG Köln vom 07.04.2000

OLG Köln: verwaltung, meinung, ermessen, ausnahme, aussichtslosigkeit, rechtfertigung, miteigentümer, form, rechtskraftwirkung, auflage

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 35/00
Datum:
07.04.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 35/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 216/99
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den
Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19.01.2000 -
29 T 216/99 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die
Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Verfahren
der Erstbeschwerde entfällt. Die Antragsgegner haben die
Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen;
außergerichtliche Kosten sind auch für die dritte Instanz nicht zu
erstatten. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird
auf 8.000,00 DM festgesetzt.
G r ü n d e
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Die Antragsteller und die Antragsgegner sind Mitglieder einer aus vier Miteigentümern
bestehenden Wohnungseigentumsanlage. Die Antragstellerin hat im Jahre 1998 gegen
eine Miteigentümerin, die Beteiligte zu 2. a) einen rechtskräftigen Titel auf Beseitigung
einer Markise erwirkt. In der Eigentümerversammlung vom 13.03.1999, an der die
Antragstellerin aus zwischen den Beteiligten streitigen Gründen nicht teilgenommen hat,
beantragte die Beteiligte zu 2. a) darüber abzustimmen, ob die Markise störe. Sie und
die weiteren beiden Antragsgegner beschlossen sodann unter TOP 8 für die
Eigentümergemeinschaft "ihre nachträgliche Zustimmung zum Anbringen der Markise
an der Stelle, an welchem sie zu diesem Zeitpunkt angebracht war".
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Diesen Beschluss sowie weitere unter TOP 6 getroffene Regelungen hat die
Antragstellerin angefochten. Das Amtsgericht hat dem Anfechtungsantrag wegen der
Markise stattgegeben und ihn im übrigen zurückgewiesen. Eine hiergegen eingereichte
sofortige Beschwerde der Antragsgegner blieb ohne Erfolg. Mit ihrer sofortigen weiteren
Beschwerde verfolgen sie ihr Begehren auf Zurückweisung des Anfechtungsantrags
wegen der Markise weiter.
3
II.
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Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27
Abs. 1, 29 FGG, § 45 WEG), jedoch nicht begründet.
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Zwar kommt der nach Zurückweisung einer sofortigen Beschwerde durch das
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Landgericht rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Amtsgerichts vom 27.04.1998
über die Beseitigung der Markise Rechtskraftwirkung nur im Verhältnis zwischen der
Antragstellerin und der Beteiligten zu 2. zu, da die übrigen Mitglieder der
Eigentümergemeinschaft an dem früheren Verfahren nicht formell beteiligt waren (vgl.
Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage, § 45 Rdn. 116). Auch ist es für das
vorliegende Verfahren ohne Interesse, ob das Beseitigungsverlangen der
Antragstellerin - wie das Landgericht gemeint hat - mutwillig ist bzw. sie gem. zur
Duldung der Markise verpflichtet ist, da ihr im Verhältnis zu der Beteiligten zu 2. a)
rechtskräftig ein Beseitigungsanspruch zuerkannt ist.
Bereits das Amtsgericht hat indes rechtlich zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der
auffällig und in unüblicher Weise im Dachbereich angebrachten Markise um eine
bauliche Veränderung handelt, die der Zustimmung aller Miteigentümer bedurft hätte.
Ein gleichwohl unter Missachtung des § 22 Abs. 1 WEG nur mehrheitlich gefasster
Beschluss, mit dem die Eigentümergemeinschaft ihre Zustimmung erteilt, ist auf einen
Anfechtungsantrag hin für ungültig zu erklären (vgl. Senatsbeschluss vom 29.04.1997 -
16 Wx 76/97 - OLGR 1997, 218)
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Um einen derartigen Fall eines unwirksamen Mehrheitsbeschlusses handelt es sich
hier. Regelungsinhalt des Beschlusses war bereits nach dessen klaren Wortlaut die
"Zustimmung" zum Anbringen der Markise und nicht etwa - so die
Interpretationsversuche der Antragsgegner - die Entscheidung, dass die Anbringung
"nicht wieder rückgängig gemacht werden soll". Selbst wenn letzteres wortwörtlich so
beschlossen worden wäre, würde es sich im übrigen ebenfalls der Sache nach um
nichts anderes als um eine Zustimmung zu einer baulichen Veränderung handeln.
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Eine Rechtfertigung kann die Mehrheitsentscheidung entgegen der Meinung der
Antragsgegner schon deshalb nicht in § 21 Abs. 3 WEG finden, weil ausdrücklich
gesetzlich bestimmt ist, dass zustimmungsbedürftige Maßnahmen nicht nach dieser
Norm beschlossen werden können (§ 22 Abs. 1 S. 1, letzter Hs. WEG). Damit erübrigen
sich weitere Ausführungen zu den rechtlichen Erwägungen in der Begründung der
weiteren Beschwerde. Im übrigen würde eine Maßnahme nur dann ordnungsgemäßer
Verwaltung i. S. d. § 21 Abs. 2 WEG entsprechen, wenn sie im Interesse der Gesamtheit
der Wohnungseigentümer erfolgt (Merle a.a.O. Rdn. 60). Dies ist dann nicht der Fall,
wenn die Gemeinschaft zu einer bereits gerichtlich entschiedenen Streitigkeit zwischen
zwei Wohnungseigentümerinnen nachträglich Partei ergreift und versucht, bei
unveränderter tatsächlicher und rechtlicher Ausgangslage durch Mehrheitsentscheidung
einen rechtskräftigen Titel der einen gegen die andere ins Leere laufen zu lassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, der
unterlegenen Beteiligten zu 1. die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz
aufzuerlegen.
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Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand keine
Veranlassung. Im WEG-Verfahren haben die Beteiligten nach § 47 S. 2 WEG ihre
außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst zu tragen. Dieser Grundsatz gilt zwar
nicht ohne Einschränkungen. So kann eine Ausnahme dann in Betracht kommen, wenn
die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig, d. h. die Aussichtslosigkeit für
den betreffenden Beteiligten von vornherein erkennbar war und es deswegen unbillig
wäre, den Verfahrensgegner mit den erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu
belasten (vgl. Senatsbeschluss vom 09.02.2000 - 16 Wx 15/00; Staudinger/Wenzel,
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WEG, § 47 Rd. 19 mit Nachweisen). Vorliegend liegt es zwar auf der Hand, dass seitens
der Antragsgegner versucht wird, den rechtskräftigen Beseitigungsausspruch zu
unterlaufen. Angesichts des Umstands, dass nicht alle Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft an dem früheren Verfahren beteiligt waren, kann die
Ausschöpfung des Instanzenzuges durch die Antragsgegner nicht als mutwillig
angesehen werden. Dies hat die Folge, dass auch die Kostenentscheidung des
Landgerichts, für die die gleichen Erwägungen gelten, entsprechend abzuändern war.
Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 WEG und entspricht den
unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzungen der Vorinstanzen.
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