Urteil des OLG Köln vom 23.04.1993

OLG Köln (beschwerde, aufgebot, begriff, lebensgemeinschaft, vorbereitung, geschlecht, zwang, person, fortbildung, sprachgebrauch)

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 82/93
Datum:
23.04.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 82/93
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 5 T 153/92
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführer
zurückgewiesen.
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G r ü n d e
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Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragten am 19. Au-gust 1992 bei dem Standesamt B.
den Erlaß des Aufgebots zum Zwecke der Eheschließung. Der Stan-desbeamte des
Standesamtes B. lehnte mit Bescheid vom gleichen Tage die Anordnung des
Aufgebotes mit der Begründung ab, daß eine Eheschließung zwischen
gleichgeschlechtlichen Personen nicht möglich sei. Das Amtsgericht Bonn hat mit
Beschluß vom 2. Okto-ber 1992 den Antrag der Beteiligten zu 1) und 2), den
Standesbeamten nach § 45 Abs. 1 PStG zum Erlaß des Aufgebotes anzuhalten,
zurückgewiesen. Die sich gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts richtende
Beschwerde hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Bonn durch die angefochtene
Entscheidung vom 11. November 1992 zurückgewiesen. Hinsichtlich der
Begründungen der Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts wird auf
die Akten Bezug ge-nommen.
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Die sich gegen die Entscheidung des Landgerichts richtende weitere Beschwerde
der Beteiligten zu 1) und 2) ist statthaft, §§ 49 Abs. 1 Satz 2 PStG, 27 Abs. 1 FGG. Sie
ist auch im übrigen zulässig, § 29 Abs. 1 FGG.
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Die weitere Beschwerde hat jedoch, wie der Senat bereits in einer gleichgelagerten
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Sache entschieden hat (Beschluß vom 15.03.1992 - 16 Wx 57/93 -), in der Sache
keinen Erfolg. Wie schon das Amtsgericht und das Landgericht in ihren
Entscheidungen rechts-fehlerfrei und überzeugend ausgeführt haben, hat der
Standesbeamte des Standesamtes B. es zu Recht abgelehnt, gemäß § 3 Satz 1
PStG ein Aufgebot für die Beteiligten zu 1) und 2) zu erlassen.
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Das Aufgebot dient der Vorbereitung der Eheschlie-ßung (§ 6 Abs. 1 PStG). Eine
Eheschließung unter gleichgeschlechtlichen Personen ist jedoch nach der
derzeitigen Rechtslage ausgeschlossen; eine dennoch vollzogene Eheschließung
wäre nichtig (vgl. Erman/Aderhold, BGB, 8. Aufl., § 11 EheG Rn 8;
Palandt/Diederichsen, 51. Aufl., § 11 EheG Rn. 14; KG, FamRZ 1958, 60; OLG
Frankfurt, OLGZ 1976, 408). Der Begriff der Ehe, wie er Art. 6 GG und den
Vorschriften des einfachen Rechts, insbesondere des BGB und des EheG
zugrundeliegt, stellt ab auf die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft eines
Mannes mit einer Frau. Dieses Begriffverständnis entspricht nicht nur der ganz
herrschenden Auffas-sung in der Literatur (vgl. beispielhaft: Maunz-Dü-rig, GG, Art. 6
GG Rn. 15; Erman/Aderhold, vor § 1 EheG 1; Müko-Müller-Gindulles, 2. Aufl., § 11
EheG Rn. 17; Palandt/Diederichsen, Einf v. § 1353 BGB Rn. 2; Beitzke-Lüderitz,
FamR, 26. Aufl., § 5 I 1, jeweils mit weiteren Nachweisen), sondern auch der
gefestigten ständigen Rechtsprechung des Bundes-verfassungsgerichts (vgl.
BVerfGE 10, 59, 66; 53, 224, 245; 62, 323, 330), die dieses bis in die jüngste Zeit
immer wieder bestätigt hat (vgl. die Entscheidung des BVerfG vom 17.11.1992, NJW
1993, 643, 645). Dieser Rechtsbegriff deckt sich mit dem natürlichen Sprachgebrauch
und bedurfte deshalb we-der einer ausdrücklichen Erläuterung im Grundgesetz noch
in den einfachen Gesetzen. Das Verständnis von Ehe als Lebensgemeinschaft von
Mann und Frau ist unabhängig davon, welche sonstigen Wirkungen man der Ehe
beimißt und wie diese Lebensgemeinschaft im einzelnen gesetzlich ausgestaltet
wird. Insbe-sondere ist dieser Begriff auch unabhängig von jeg-lichen kirchlichen
Vorstellungen von Ehe, da schon der Gesetzgeber des BGB die reine Zivilehe
vorfand und auch nur sie regeln wollte. Haben der Verfas-sungsgeber und der
Gesetzesgeber einen Begriff ganz bewußt in einem bestimmten Sinne verwandt und
deckt sich dieses Verständnis auch heute noch mit dem allgemeinen
Sprachgebrauch, dann ist es der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der
Gewal-tenteilung versagt, diesen Begriff wider den Willen des Gesetzgebers und
gegen den allgemeinen Sprach-gebrauch auszulegen. Insoweit läge keine Rechts-
fortbildung durch die Gerichte vor, sondern ei-ne verfassungswidrige
Verfassungsänderung durch ein hierzu nicht berufenes Staatsorgan. Dem kann nicht
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGG 49, 286
entgegengehalten werden. Zweck dieser Entscheidung, der sich später der
Gesetzge-ber durch das Transsexuellengesetz vom 10. Septem-ber 1980
angeschlossen hat, war es, Personen, die sich unwiderstehlich körperlich und
psychisch zu einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlen, es nicht zu verwehren,
als Person dieses Geschlechts zu leben und am Rechtsleben uneingeschränkt als
Person dieses Geschlechts teilnehmen zu können. Die Ehe zwischen einem Mann
und einem sich zum weibli-chen Geschlecht bekennenden Transsexuellen ist dem-
gemäß uneingeschränkt die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau. Insoweit hat
also keine Fortbildung oder Anpassung des Begriffs "Ehe" durch das Bundes-
verfassungsgericht stattgefunden. Da die beiden Be-schwerdeführer sich
ausdrücklich zum männlichen Ge-schlecht bekennen, ist vorliegend keinerlei Paral-
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lele zur Entscheidung BVerfG 49, 286 gegeben.
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Kommt nach dem derzeitigen Recht eine Eheschließung zwischen
gleichgeschlechtlichen Personen nicht in Betracht, scheidet naturgemäß auch ein
Aufgebot nach § 3 PStG aus, da dieses ausschließlich der Vorbereitung der
Eheschließung dient.
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Ob und in welchem Umfange der Gesetzgeber unter Umständen verpflichtet sein
könnte, auch gesetzli-che Regelungen für gleichgeschlechtliche Paare zu schaffen,
ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Denn es bestünde insoweit
sicher kein Zwang für den Gesetzgeber, in einem solchen Falle etwa ein Aufgebot
vorzusehen, um das es ja vorlie-gend zunächst geht. Es unterliegt allein der poli-
tischen Entscheidung des Gesetzgebers, ohne daß in-soweit irgend welcher
rechtliche Zwang zu erkennen wäre, welche Regelung er insoweit treffen will und
letztlich trifft. Daher ist die Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt vom 29.12.1992,
auf die die Beschwerdeführer sich berufen, gänzlich verfehlt. Sie weist den Gerichten
eine Kompetenz zu, die al-lein dem Gesetzgeber zukommt und greift unzulässi-
gerweise in dessen Gestaltungsspielraum ein.
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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtsko-sten beruht auf § 131 Abs. 1
Satz 1 Ziffer 1 KostO. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Ko-sten ist
nicht veranlaßt.
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Der Beschwerdewert für das Verfahren der weiteren Beschwerde beträgt 5.000,00
DM.
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