Urteil des OLG Köln vom 07.07.1992
OLG Köln (zustand, mehrwertsteuer, vorschlag, herstellung, anlage, rückgabe, wohnung, verjährung, schreibfehler, pachtvertrag)
Oberlandesgericht Köln, 23 U 14/91
Datum:
07.07.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 U 14/91
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 77 Lw 47/90
Tenor:
Auf die Berufungen beider Parteien wird das am 23. Oktober 1991
verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Aachen (77
Lw 47/90) teilweise wie folgt abgeändert: Unter Klageabweisung im
übrigen werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die
Klägerin 25.721,24 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. September 1990
zu zahlen. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin 3/10 und den
Beklagten als Gesamtschuldnern 7/10 auferlegt. Dieses Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Rechtsmittel beider Parteien sind zulässig und haben auch teilweise - die
Berufung der Beklagten allerdings lediglich wegen der Höhe des Zinsan-spruchs -
Erfolg.
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1. Berufung der Beklagten
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a)
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Ohne Erfolg berufen sie sich darauf, das Pacht-objekt habe sich bei Pachtbeginn in
keinem bes-seren Zustand als bei Pachtende befunden. Auf-grund der insoweit
übereinstimmenden Erklärun-gen der Parteien in der vorgerichtlichen Kor-
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respondenz steht fest, daß sie den Sachverstän-digen W. nicht lediglich mit einer
Beschrei-bung der Pachtsache beauftragen wollten. Dieser sollte vielmehr für beide
Seiten verbindlich feststellen, welche Maßnahmen zur Herstellung eines
ordnungsgemäßen Zustands der Gebäude und Außenanlage erforderlich seien und
was sie kosteten, sowie die erforderlichen Arbeiten un-ter Zugrundelegung der
einschlägigen Bestimmun-gen des Pachtvertrages dem jeweiligen Verant-
wortungsbereich der Parteien zuordnen. Damit war den Beklagten der - ohnehin
zweifelhafte (vgl. §§ 586 Abs. 2, 539 Satz 1 BGB) - Einwand abgeschnitten, die
Pachtsache habe sich schon bei Vertragsbeginn nicht in einem ordnungsge-mäßen
Zustand befunden. Das wird verdeutlicht durch das Schreiben ihrer ursprünglichen
Pro-zeßbevollmächtigten vom 17. Mai 1990, in dem sie sich gegen die von der
Klägerin bei der Besichtigung am 7. Mai 1990 erhobenen Forderun-gen teilweise
zur Wehr setzte und zum Schluß erklärte, ihre Mandantschaft sehe den Feststel-
lungen des gemeinsam zu beauftragenden land-wirtschaftlichen Sachverständigen
mit Gelassen-heit entgegen.
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b)
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Die Beklagten dringen auch nicht mit dem Ein-wand durch, sie schuldeten keine
Geldentschä-digung, weil ihnen gestattet sei, die erfor-derlichen Arbeiten selbst
durchzuführen, und sie dies auch der Klägerin stets angeboten hätten. Er scheitert
allerdings nicht an der unter a) dargelegten Einigung der Parteien über die
Beauftragung des Sachverständigen W.. Dem steht nämlich das Schreiben des
erstinstanzli-chen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 28. März 1990 an den
zunächst als Vertreter der Beklagten eingeschalteten R.L.-Verband entge-gen, in
dem er im Anschluß an den Vorschlag zur Beauftragung eines Sachverständigen
wörtlich ausführte:
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"Die Eheleute L. hätten dann die Möglich-keit, die vom Sachverständigen
festgestell-ten Mängel zu beseitigen und fehlende Ein-richtungen zu ersetzen oder
vom Sachverstän-digen ermittelten Kosten zu zahlen."
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Im Ergebnis können indessen die Beklagten daraus nichts für sich herleiten. Indem
sie nämlich nach dem Eingang des für sie ungünsti-gen Gutachtens in erheblichem
Umfang Einwen-dungen erhoben (vgl. ihr Schreiben vom 12. Sep-tember 1990),
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verwirkten sie das Recht auf Selbstbeseitigung anerkannter Mängel. Mit Recht
macht die Klägerin geltend, daß es ihnen nach dem Sinn der Vereinbarung nicht
gestattet sein kann, sich einzelne Maßnahmen "herauszupicken"; dies erscheint
schon wegen der Schwierigkeiten der Koordination der gesamten erforderlichen
Arbeiten unzumutbar.
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c)
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Unerheblich ist ferner die Behauptung der Be-klagten, die Klägerin wolle das
Pachtobjekt oh-nehin nicht instandsetzen, sondern es abreißen. Die von den
Beklagten in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(NJW 86, 309 f.) ist nicht einschlägig, weil es dort um die Verpflichtung des Mieters
zur Wie-derherstellung der für seine Zwecke umgebauten Räume bei Ablauf des
Mietvertrages ging. Abge-sehen davon haben die Beklagten für ihre Be-hauptung
keinen Beweis angeboten.
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d)
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Der Klageanspruch scheitert schließlich auch nicht an der Einrede der Verjährung.
Dabei kann unentschieden bleiben, ob die Rückgabe der Pachtsache bereits am
30. April - so der Vor-trag der Beklagten - oder erst bei der gemein-samen
Begehung am 7. Mai 1990 - so die Behaup-tung der Klägerin - erfolgt ist, ferner
auch, ob die Klageschrift entgegen dem auf den 1. No-vember lautenden
Eingangsstempel der gemeinsa-men Annahmestelle für die Justizbehörden Aachen
bereits am 31. Oktober 1990 in den Nachtbrief-kasten gelangt ist. Zutreffend hat
nämlich das Amtsgericht angenommen, daß die 6-monatige Verjährungsfrist (vgl. §
16 des Pachtvertrages, § 591 b BGB) erst ab dem Zugang des Gutachtens des
Sachverständigen W. im August 1990 zu lau-fen begonnen hatte. Die Parteien
waren bereits vor Pachtende über die Frage nach dem Zustand der Pachtsache und
die dementsprechenden An-sprüche der Klägerin in Verhandlungen getreten. Mit
Schreiben vom 3. April 1990 hatten die Beklagten den Vorschlag gemacht, nach
Mittei-lung ihrer Übergabebereitschaft einen gemeinsa-men Besichtigungstermin
abzuhalten und im Fal-le verbleibender Meinungsverschiedenheiten über die noch
durchzuführenden Arbeiten einen Sach-verständigen mit der "Tatsachenfeststellung
und Kostenschätzung" zu beauftragen. In ihrem Ant-wortschreiben vom 23. April
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1990 hatte die Klä-gerin diesen Vorschlag zwar mit der Einschrän-kung des
Wunsches nach sofortiger Hinzuziehung des Sachverständigen angenommen, war
dann aber im Anschluß an das Schreiben der Beklagten vom 27. April 1990 auf
deren Vorschlag durch Teilnahme an dem Termin am 7. Mai 1990 bedin-gungslos
eingegangen. Auch das weitere Vorgehen der Parteien entsprach dieser Einigung.
Sie muß daher in dem Sinn ausgelegt werden, daß eine gerichtliche
Auseinandersetzung bis zum Eingang des Gutachtens zurückgestellt werden sollte.
Dies kommt einer Stundungsabrede im Sinne von § 202 Abs. 1 BGB gleich.
Jedenfalls erscheint die Berufung der Beklagten auf Verjährung nach den
dargestellten Umständen mit Treu und Glau-ben nicht vereinbar.
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Hinsichtlich des geltend gemachten Zinsan-spruchs hat die Berufung der Beklagten
teilwei-se Erfolg. Die erst einen Tag vor der mündli-chen Verhandlung vor dem
Senat von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen der Stadtsparkasse Aachen
sind zum Beleg eines über den gesetz-lichen Zinsfuß hinausgehenden
Verzugsschadens nicht geeignet, weil aus ihnen nicht mit hin-reichender
Deutlichkeit hervorgeht, in welchem Zeitraum die Klägerin welche genauen
Kreditbe-träge zu welchen Zinsbedingungen in Anspruch genommen hat.
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2. Berufung der Klägerin
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Sie hat überwiegend Erfolg; der Klägerin steht über dem vom Amtsgericht
zuerkannten Betrag hinaus ein Entschädigungsanspruch in Höhe von insgesamt
25.721,24 DM zu.
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Der Sachverständige W. hat die zur Herstel-lung des Pachtobjekts erforderlichen
Kosten in seinem ursprünglichen Gutachten auf insgesamt 27.518,92 DM geschätzt.
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Davon abzusetzen sind zunächst - das hat das Amtsgericht übersehen - 65,00 DM
zuzüglich Mehrwertsteuer; es handelt sich um die Seite 11 und 15 des Gutachtens
behandelten Positionen "Teppichoberbelag ent-fernen" und "Rolladenkasten
streichen", die von der Klägerin in erster Instanz zuletzt nicht mehr geltend gemacht
worden sind.
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Das Amtsgericht hat von den festgestellten Herstellungskosten zunächst 512,00 DM
zuzüglich Mehrwertsteuer abgesetzt. Dabei handelt es sich um die Kosten für den
Ausbau einer Marmorfen-sterbank im Wohnzimmer mit 0,40 m. Breite und den
Einbau einer solchen mit 0,60 m. Breite. Unstreitig war die Fensterbank
ursprünglich 0,60 m. breit. Die Beklagten haben sie auf 0,40 m. gekürzt, weil sie
nach Entfernung ei-nes darunter befindlichen Heizkörpers störend wirkte. Der
Sachverständige hat dazu ergänzend ausgeführt, die Benutzung der Wohnung sei
durch den jetzigen Zustand nicht gemindert, auch wenn nachträglich ein Heizkörper
in diesem Raum wie-der eingebaut werde. Angesichts dessen hält der Senat in
Übereinstimmung mit dem Amtsgericht das Ersatzbegehren der Klägerin für nicht
red-lich.
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Das Amtsgericht hat weitere 1.000,00 DM zuzüg-lich Mehrwertsteuer hinsichtlich
der im Gutach-ten Seite 27 aufgeführten Position "Herstellung eines neuen
Maschendrahtzauns im Hühnerauslauf" abgesetzt. Der Sachverständige hatte
zunächst für die erforderliche Herstellung Kosten von 4.500,00 DM geschätzt. Auf
den Einwand der Beklagten, er habe die Länge des Zauns zu hoch angesetzt, hat er
in seiner ergänzen-den Stellungnahme einen Schreibfehler einge-räumt und ist
danach zu einer Kostenschätzung von 3.500,00 DM gelangt. Die Klägerin hat den
Schreibfehler akzeptiert, aber ihrerseits gel-tend gemacht, aufgrund einer eigenen
Nachmes-sung müsse es dennoch bei dem ursprünglichen Kostenansatz
verbleiben. Sie hat aber nicht nä-her dargetan, wieso der Sachverständige falsch
gemessen haben sollte, so daß bei dem Abzug zu verbleiben hat.
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Die berechtigten Abzüge machen einschließlich Mehrwertsteuer insgesamt
1.797,78 DM aus, so daß aus der Kostenaufstellung des Sachverstän-digen
25.721,24 DM verbleiben.
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Das Amtsgericht hat den geschätzten Kostenbe-trag um die Hälfte mit der
Begründung gekürzt, die Beklagten schuldeten nach dem Pachtvertrag nicht die
Rückgabe in neuwertigem Zustand. Das greift die Klägerin mit Erfolg an. Zutreffend
weist sie nämlich darauf hin, daß die gel-tend gemachten Arbeiten das Pachtobjekt
nicht "neuwertig" machen, sondern von den Beklagten zur Erhaltung eines
gebrauchsfähigen Zustands geschuldet waren. Unzutreffend ist auch die
Bezugnahme des Amtsgerichts auf die Regelung im Pachtvertrag hinsichtlich der
Dachreparaturen. Hierbei handelt es sich um eine Sonderregelung, die keine
analoge Anwendung auf andere von den Pächtern zu erbringende Leistungen
duldet.
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c)
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Einen Ersatz für die ursprüngliche Melkanlage hat das Amtsgericht zu Recht
versagt. Die Klä-gerin selbst ordnet dieses Gerät - zutreffend - dem Begriff des
Inventars zu. Dieses ist in § 2 des Pachtvertrages der Parteien abschließend
aufgeführt. Eine Melkanlage befindet sich nicht darunter.
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Auch hinsichtlich der Heizungsanlage hat das Amtsgericht eine Ersatzpflicht der
Beklagten zutreffend verneint. Unstreitig wurde die al-te Heizung im Verlauf des
Pachtverhältnisses defekt. Entgegen ihrer Auffassung wäre es die Pflicht der
Klägerin gewesen, die Anlage in Ordnung zu bringen, weil sie als wesentlicher
Bestandteil des Hausgrundstücks eine "bauliche Anlage" im Sinne von § 5 Abs. 4
des Pachtver-trages war. Wenn sie Reparatur unterließ und die Beklagten daraufhin
mit Elektroöfen heizten und die Radiatoren - im Rahmen einer Renovie-rung der
Wohnung - abbauten, begründet das nicht ihre Verpflichtung zur Wiederherstellung
der alten Anlage.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 36.078,92 DM.
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Der Wert der durch dieses Urteil begründe-ten Beschwer liegt für beide Parteien
unter 60.000,00 DM.
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