Urteil des OLG Köln vom 14.06.2000
OLG Köln: genehmigung, handelsvertreter, unternehmen, abstimmung, konkurrenzverbot, agenturvertrag, staub, unternehmer, beschränkung, gerichtsbarkeit
Oberlandesgericht Köln, 19 W 12/00
Datum:
14.06.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 W 12/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 2 O 270/99
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des
Landgerichts Köln vom 20.01.2000 - 2 O 270/99 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
G r ü n d e :
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Die gem. § 17a Abs. 4 S. 2 GVG statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige
Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat
das Landgericht entschieden, dass für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht die
arbeitsgerichtliche Zuständigkeit gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sondern die Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 13 GVG) begründet ist.
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Die Beklagte wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Ansicht des
Landgerichts, § 5 Abs. 3 ArbGG sei auf sie nicht anwendbar, da sie nur nebenberufliche
Handelsvertreterin für die Klägerin gewesen sei. Sie erfülle vielmehr die
Voraussetzungen des § 92a HGB.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte nur nebenberufliche Handelsvertreterin
war, und ob die Vorschrift des § 92a HGB auf nebenberufliche Handelsvertreter keine
Anwendung findet (bejahend: u.a. LAG Frankfurt AP Nr. 2 zu § 92a HGB; Kissel, GVG,
2. Aufl., § 13 Rn. 153; ablehnend u.a. MünchKomm/v. Hoyningen-Huene, HGB, § 92a
Rn. 19; Heymann/Sonnenschein/Weidmeyer, HGB, 2. Aufl., § 92a Rn. 9). Denn selbst
wenn man § 92a HGB auf die Beklagte anwendet, verbleibt es bei der Zuständigkeit der
ordentlichen Gerichte, weil die Voraussetzung des § 92a HGB nicht erfüllt sind.
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Selbständige Handelsvertreter gelten als Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG, wenn sie
sogenannte Einfirmenvertreter sind, d.h. wenn sie entweder vertraglich nicht für weitere
Unternehmen tätig werden dürfen oder wenn ihnen dies nach Art und Umfang der von
ihnen verlangten Tätigkeit nicht möglich ist, und wenn sie während der letzten Monate
des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 2.000,00 DM
einschließlich Provisionen und Ersatz für Aufwendungen bezogen haben. Die
Bestimmung des § 92a HGB bezweckt den Schutz von Handelsvertretern, deren
wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Unternehmer besonders stark ausgeprägt ist
und die deshalb eine dem Arbeitnehmer stark angenäherte Stellung haben
(Staub/Brüggemann, HGB, 4. Aufl. § 92a Rn. 1; MünchKomm/ v. Hoyningen-Huene,
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a.a.O., Rn. 3; Kissel, a.a.O., Rn. 153).
Die Beklagte selbst macht mit der Beschwerde nicht geltend, unselbständige
Handelsvertreterin gewesen zu sein. Auch aus dem Agenturvertrag folgt, dass sie
selbständige Handelsvertreterin war. Die Beklagte konnte nach dem Inhalt des
Vertrages im wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und ihre Arbeitszeit bestimmen.
So waren ihr weder Öffnungszeiten vorgeschrieben noch musste sie persönlich
während der Öffnungszeiten anwesend sein. Ebenso konnte sie ihren Urlaub selbst
bestimmen. Auch die Tatsache, dass ihr von der Klägerin für Ratenverkäufe bestimmte
Richtlinien vorgegeben waren, vermag keine Weisungsabhängigkeit zu begründen.
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Die Beklagte war nicht Einfirmenvertreterin.
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Nach Ansicht des Senats war es der Beklagten vertraglich nicht untersagt, für weitere
Unternehmen tätig zu werden. Das in Ziffer 11.1 des Agenturvertrages enthaltene
Konkurrenzverbot reicht insoweit nicht aus, da der Beklagten dadurch nur das untersagt
wurde, was sie gem. § 86 HGB ohnehin nicht durfte. Ein vertragliches Verbot wird
jedoch auch in den Fällen angenommen, in denen die Aufnahme der Tätigkeit für ein
weiteres Unternehmen von der Genehmigung des Unternehmers abhängig gemacht
wird und eine solche Genehmigung nicht erteilt ist (OLG Stuttgart BB 1966, 1396). Gem.
Ziffer 11.2 des Agenturvertrages war die Aufnahme einer Tätigkeit, d.h. das Anbieten
und Verkaufen von Waren und Dienstleistungen, die nicht aus dem Angebot der
Klägerin stammten, nicht von der Genehmigung der Klägerin abhängig, sondern
bedurfte nur der vorherigen Abstimmung mit der Klägerin. Nach Ansicht des Senat ist
die in Ziff. 11.2 vorgesehene Abstimmung schon nicht gleichzusetzen mit einer für ein
vertragliches Verbot sprechenden Genehmigung. Denn an der Abstimmung hatte die
Klägerin allein schon deshalb ein berechtigtes Interesse, um prüfen zu können, ob die
Aufnahme weiterer Waren gegen das Konkurrenzverbot verstieß. Selbst wenn man dies
anders sehen wollte, hat hier die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass der
Beklagten die "Genehmigung" zum Angebot weiterer Waren erteilt worden war, da diese
neben dem Warenangebot der Klägerin Lederwaren und Handtaschen vertrieb. Der
Handelsvertreter verliert aber den Schutz des § 92a Abs. 1 HGB, wenn er mit
Genehmigung des Unternehmers einen Zweiterwerb aufnimmt (MünchKomm/v.
Hoyningen-Huene a.a.O. Rn. 10; Staub/Brüggemann, a.a.O., Rn. 3).
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Die Beklagte war auch nicht nach Art und Umfang der von ihr verlangten Tätigkeit daran
gehindert, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Dies folgt allein schon daraus, dass
sie die Erfüllung der Tätigkeit aus dem Agenturvertrag, d.h. den Betrieb der Agentur und
das Anbieten der Waren der Klägerin nicht höchstpersönlich schuldete. Gemäß Ziffer
7.2 war es der Beklagten ohne jegliche Beschränkung gestattet, während der
Öffnungszeit die Agentur durch Vertreter oder Angestellte führen zu lassen. Angesichts
dessen bestand für sie die - nicht nur theoretische - Möglichkeit, neben der Agentur für
ein weiteres, nicht konkurrierendes Unternehmen tätig zu werden. Sie war in diesem
Fall noch nicht einmal der Klägerin gegenüber anzeigepflichtig. Ist dem
Handelsvertreter die Tätigkeit für ein anderes Unternehmerin nach Art und Umfang der
von ihm verlangten Tätigkeit möglich, sind die Voraussetzungen des § 92a Abs. 1 HGB
auch dann nicht erfüllt, wenn der Vertreter tatsächlich nicht für ein anderes Unternehmen
tätig wird. Nutzt er lediglich die ihm gegebene Möglichkeit tatsächlich nicht aus, verdient
er nicht den von § 92a Abs. 1 HGB bezweckten Schutz.
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Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 92a Abs. 1 HGB und damit die
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Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG nicht erfüllt, verbleibt es bei der Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichte. Es kommt dann nicht darauf an, ob der Handelsvertreter in
diesen Fällen noch als arbeiternehmerähnliche Person angesehen werden kann. § 5
Abs. 3 ArbG enthält eine für Handelsvertreter in sich abgeschlossene
Zuständigkeitsregelung, die der Regelung über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für
arbeitnehmerähnliche Personen in § 5 Abs. 1 ArbGG vorgeht (BAG AP Nr. 1 zu § 92a
HGB; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbG, 3. Aufl., § 5 Rn. 28; MünchKomm/v.
Hoyningen-Huene a.a.O. Rn. 5; Kissel, a.a.O., Rn. 153.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 22.000,00 DM.
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