Urteil des OLG Köln vom 14.05.2002
OLG Köln: künstler, eigentum, wohnung, wasser, wertsteigerung, hausrat, sammlung, tausch, nacht, kunst
Oberlandesgericht Köln, 9 U 133/00
Datum:
14.05.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 133/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 478/99
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom
29. Juni 2000 (24 O 478/99) unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 552,20 EUR nebst 4 %
Zinsen daraus seit dem 27.01.2000 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 96 %
und der Beklagten zu 4 % auferlegt.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden dem Kläger zu 95
% und der Beklagten zu 5 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet.
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I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auf Grund der zwischen den Parteien
geschlossenen Hausratversicherung - über den außergerichtlich gezahlten Betrag
hinaus - ein Anspruch auf Zahlung von 552,20 EUR zu, §§ 1, 49 VVG.
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1. In der Wohnung des Klägers ist es zu einem Leitungswasserschaden ( §§ 1 Ziffer 1 c),
3 C VHB 74) an Bildern gekommen, die in seinem Eigentum standen und von der
Hausratversicherung umfasst waren.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass es in der Nacht vom 16. auf
den 17. Juni 1998 zu einem durch eine Undichtigkeit an einem Heizkörper verursachten
Wasserschaden gekommen ist. Dies folgt aus der Aussage des Zeugen E. Dieser hat
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bekundet, er sei in der fraglichen Nacht in der Wohnung gewesen, die er mit dem Kläger
gemeinsam bewohnte. Er habe mitbekommen, wie der Kläger nachts nach Hause kam
und sodann den Schaden im sogenannten "Bilderzimmer" bemerkte. Aus einer
Schadstelle zwischen Wand und Heizungsventil sei ein dünner Wasserstrahl
entwichen, der eine vor dem Heizkörper liegende Bildermappe samt Inhalt nass
gemacht und auch große Teile des Fußbodens unter Wasser gesetzt habe. Es bestand
kein Grund, an der Glaubhaftigkeit der Aussage zu zweifeln.. Die Tatsache allein, dass
den Zeugen mit dem Kläger eine Freundschaft verbindet, ist noch kein Indiz für fehlende
Glaubwürdigkeit in dieser Sache.
Zudem lässt sich die Schadensschilderung des Zeugen mit den Feststellungen der
Sachverständigen C in Einklang bringen. So bekundete der Zeuge E, das mit Nr. 7
bezeichnete Bild habe sich nicht in der Mappe befunden, die etwa einen Meter vor der
Heizung gelegen habe und bereits voll Wasser gelaufen sei. Es sei unabhängig von der
Mappe nass geworden. Es erscheint daher nachvollziehbar, dass dieses Bild als
einziges nach dem Gutachten der Sachverständigen ein anderes Schadensbild
aufgewiesen hat und für restaurierbar gehalten wurde. Da es sich nicht mit den übrigen
Bildern in der Mappe befunden hat, ist der geringere Grad der Beschädigung aus
dessen Standort heraus erklärbar.
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2. Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 6 Abs. 3 VVG i. V. m. § 13 Nr. 1 a) VHB 74 von
der Leistung frei geworden, da der Kläger ihr den Schaden rechtzeitig angezeigt hatte.
Unabhängig vom Eingang des Schadenanzeige-Formulars hat die Beklagte jedenfalls
in anderer Weise von dem Schaden Kenntnis erlangt ( § 33 Abs. 2 VVG). Denn nach
dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag hat der Kläger den Schaden bereits am
Vormittag des 19. Juni 1998 der Beklagten telefonisch gemeldet und um Zusendung des
Schadenanzeigeformulars gebeten.
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3. Bei den beschädigten Gegenständen handelt es sich auch um versicherten Hausrat.
Die Aussage des Zeugen E hat ebenfalls ergeben, dass die 32 bei dem
Schadensereignis beschädigten Bilder im Eigentum des Klägers standen und auch
keine Handelsware darstellten, also zum von § 2 Nr. 1 VHB 74 umfassten Hausrat
gehörten.
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Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, dass es sich bei den streitgegenständlichen Bildern
um Bilder handelt, die zwar ausschließlich von ihm gemalt worden seien, jedoch - teils
schenkweise, teils durch Tausch - in das Eigentum des Klägers übergegangen seien.
Die Tatsache, dass der Kläger so viele Werke des Zeugen besessen hat, lässt sich
dadurch erklären, dass sich auch der Kläger künstlerisch betätigt und beide sich
gegenseitig beschenkt haben. So ist durchaus nachvollziehbar, dass es öfters zum
Tausch gekommen ist. Auch Bilder als Geschenke zu besonderen Anlässen erscheinen
nicht ungewöhnlich. Aus der Aussage des Zeugen geht hervor, dass er seine eigenen
Bilder in einem Planschrank aufbewahrte, also räumlich getrennt von den an den Kläger
übereigneten Bildern. Dies erscheint auch unter Praktikabilitätsgesichtspunkten
naheliegend. Wenn sich in einer Wohnung sehr viele Bilder der beiden Bewohner
befinden, bei denen die Bilder der Künstler sich jeweils ähneln, ist zur Kennzeichnung
der verschiedenen Eigentumsverhältnisse und Verwendungsabsichten eine räumlich
getrennte Aufbewahrung nützlich. So sind Zweifel ausgeschlossen, ob nicht einzelne
Bilder doch noch im Eigentum des Zeugen verblieben sein könnten. Aus der Aussage
zu den getrennten Aufbewahrungsorten der verschiedenen Objekte nach Eigentümer
und Bestimmung folgt auch, dass die beschädigten Bilder keine Handelsware
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darstellten, sondern Teil der privaten Sammlung des Klägers waren.
4. Für eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit (§ 13 Ziffer 1 b) VHB 74 ist
nichts ersichtlich. Der Zeuge E hat glaubhaft bekundet, dass der Kläger die Mappe mit
den Bildern so bald wie möglich hochkant hingestellt hatte, damit das Wasser abfließen
konnte. Dass zu diesem Zeitpunkt diejenigen Bilder aus der Sammlung, die auf
hochempfindliches Japanpapier gemalt worden waren, ohnehin bereits ruiniert waren,
ist einleuchtend.
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5. Was den Wert der beschädigten Bilder angeht, so schließt sich der Senat den
Ergebnissen des Gutachtens der Sachverständigen C an. Sowohl was die abstrakten
Kriterien zur Wertermittlung angeht, als auch in bezug auf die konkrete Einordnung der
Werke des Herrn E sind die Ausführungen der Sachverständigen überzeugend und
nachvollziehbar. Die Sachverständige hat sich auch mit den Privatgutachten H und N
auseinandergesetzt.
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Nach den Ausführungen der Sachverständigen, denen der Senat folgt, spielt die Qualität
der Arbeiten eine große Rolle für die Marktpräsenz und die Einschätzung des
Marktwertes. Die künstlerische Qualität sagt aber nur im begrenzten Umfang etwas über
den Veräußerungswert aus, wenn der Künstler zwar begabt, aber nicht bekannt ist. Je
bekannter ein Künstler ist, um so höher wird sein Marktwert eingeschätzt. Eine
konstante Preisbildung erfolgt nur dann, wenn regelmäßige, andauernde
Verkaufserfolge vom Künstler zu benennen sind. Je renommierter die Orte der Verkäufe,
um so sicherer die Verkaufserfolge und um so höher die erzielten Preise. Die Galerien
überprüfen diese Grundlagen, wie die Gutachterin auf Grund ihrer Kenntnis des Marktes
dargestellt hat. Sobald der Künstler eines seiner Werke veräußert, muss er es sich
gefallen lassen, dass seine Werke nicht anhand seiner eigenen Einschätzung, sondern
anhand objektiver Kriterien des (Kunst-) Marktes bewertet werden. Und diese richten
sich nach Bekanntheit und bisher erzielten Erlösen. Insoweit vermag der Senat den
Ausführungen des vom Kläger beigebrachten Gutachtens, das die Vorstellungen des
Künstlers zum Maßstab macht, nicht zu folgen.
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Die Sachverständige hat es nicht, wie die Beklagte meint, mit allgemeinen
Feststellungen bewenden lassen, sondern die von ihr verwendeten, oben skizzierten
Kriterien auf den in Rede stehenden Künstler und die 32 beschädigten Werke
angewandt. So hat sie festgestellt, dass der Zeuge zum Zeitpunkt der Begutachtung
keine Verkäufe in der Fachwelt vorweisen konnte und auch nur einen äußerst geringen
Bekanntheitsgrad aufwies. Aufgrund ihrer Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet hat
der Senat keinen Grund, an den von ihr konkret ermittelten Werten zu zweifeln.
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Auf die Verkaufserfolge, die der Künstler laut Klägervortrag in den letzten Jahren (nach
1998) gemacht hat, kommt es vorliegend nicht an.
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Gemäß § 5 Nr. 1 VHB 74 ist der Wert maßgebend, den die versicherten Gegenstände
"zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls" hatten. Eine Wertsteigerung, die die Bilder
im Laufe der Zeit etwa vollzogen hätten, hat daher außer Ansatz zu bleiben. Soweit der
Kläger der Auffassung ist, in den jetzigen Verkaufserfolgen des Zeugen spiegele sich
das Potential wider, das auch den zerstörten Werken bereits 1998 innegewohnt habe,
ist dem versicherungsrechtlich nicht zu folgen. Wie bereits dargelegt, kommt es für die
Wertbestimmung ausschließlich auf den zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes
realisierbaren Preis an. Die bestimmten Gegenständen innewohnende Möglichkeit der
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Wertsteigerung ist von der Hausratversicherung des Klägers nicht umfasst.
Die Sachverständige kommt in dem Gutachten zu einem Gesamtwert der versicherten
Gegenstände von 8.280,- DM (entspricht 4.233,50 EUR). Unter Berücksichtigung der
bereits erfolgten Teilzahlung der Beklagten in Höhe von 7.200,- DM (entspricht 3.681,30
EUR) verbleibt ein noch auszugleichender Betrag von 552,20 EUR.
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5. Der Zinsanspruch ist - entsprechend dem Antrag in der Berufungsinstanz -begründet
gemäß § 291 BGB a. F.
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II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Gründe für die Zulassung des Urteils zur Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO
n.F.).
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Streitwert für die Berufungsinstanz: 11.253,53 EUR (22.010,-- DM)
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Münstermann Gersch Dr. Halbach
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zugleich für den
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aus dem Senat
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ausgeschiedenen
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Richter am Land-
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gericht Gersch
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