Urteil des OLG Köln vom 27.01.2005

OLG Köln: einstweilige verfügung, gewerblicher rechtsschutz, russland, tschechien, ausstattung, herkunft, verkehr, hersteller, korrespondenz, gestaltung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Normen:
Oberlandesgericht Köln, 6 W 4/05
27.01.2005
Oberlandesgericht Köln
6. Zivilsenat
Beschluss
6 W 4/05
Landgericht Köln, 31 O 37/03 SH I
ZPO §§ 890, 891; UWG §§ 3, 5; MarkenG §§ 126, 127
1.)
Der Beschluss der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20.12.
2004 - 31 O 37/03 SH I - wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antrag der Gläubigerin, gegen die Schuldnerin wegen eines
Verstoßes gegen den Beschluss der Kammer vom 17.1.2003 - 31 O
37/03 - ein empfindliches Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft
anzuordnen, wird zurückgewiesen.
2.)
Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens beider Instanzen hat die
Gläubigerin zu tragen.
G R Ü N D E
I
Die Parteien stehen als Anbieter von aus Osteuropa stammenden alkoholischen Getränken
miteinander im Wettbewerb. Durch Beschluss vom 17.1.2003 hat das Landgericht im
Verfahren 31 O 37/03 der Schuldnerin im Wege der einstweiligen Verfügung u.a. untersagt,
Sekt in der nachstehend auf Seite 3 dieses Beschlusses wiedergegebenen Aufmachung in
Deutschland anzubieten und/oder zu vertreiben und/ oder in den Verkehr zu bringen
und/oder zu bewerben, wenn dieser Sekt nicht in Russland hergestellt worden ist.
Im Anschluss an dieses Verbot hat die Schuldnerin den Sekt in einer abgeänderten
Aufmachung auf den Markt gebracht. Hierin sieht die Gläubigerin einen Verstoß gegen die
einstweilige Verfügung und begehrt die Festsetzung von Ordnungsmitteln. Das Landgericht
hat die neue Aufmachung als Verstoß gegen den Kern des Verbotes angesehen und die
Schuldnerin zu einem Ordnungsgeld von 25.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft verurteilt.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin, deren Zurückweisung die
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Gläubigerin begehrt.
pp.
II
Die gem. §§ 793, 890 Abs.1, 891 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und
begründet.
Der Senat hat nicht zu untersuchen und lässt daher ausdrücklich offen, ob auch die neue
Ausstattung der Flaschen gegen §§ 3, 5 UWG oder §§ 126, 127 MarkenG verstößt und
deswegen in einem neuen Erkenntnisverfahren zu verbieten sein könnte. Denn die
Festsetzung von Ordnungsmitteln im Zwangsvollstreckungsverfahren kommt nur in
Betracht, wenn die nunmehr angegriffene Ausstattung sich als Verstoß gegen das bereits
titulierte Verbot darstellt, das die ursprüngliche Ausstattung der Flasche zum Gegenstand
hat. Das ist indes nicht der Fall.
Mit dem Landgericht ist allerdings davon auszugehen, dass in den Verbotsbereich eines
Unterlassungstitels nicht nur die identische Wiederholung des untersagten Verhaltens fällt,
sondern auch solche Handlungen, die nur unbedeutend von der verbotenen Form
abweichen und den Kern des gerichtlichen Verbotes unberührt lassen. Es muss sich also
das Charakteristische der gerichtlich verbotenen in der im Vollstreckungsverfahren
beanstandeten Handlung wiederfinden (vgl. BGH WRP 89, 572, 574 - "Bioäquivalenz-
Werbung"; Senat WRP 89, 334 f; OLG München WRP 02, 266 f; Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Auflage, Kap. 57 RZ 12 mit
ausführlichen Hinweisen auf die ganz herrschende Meinung in der Literatur; Spätgens in
Gloy/Loschelder, Hdb. Wettbewerbsrecht § 108 Rn 44; Lensing - Kramer in MAH
Gewerblicher Rechtsschutz § 5 Rn 101 f). Dabei ist Voraussetzung, dass die abweichende
Fallgestaltung implizit bereits Gegenstand der Prüfung in dem Erkenntnisverfahren war,
das zu dem Titel geführt hat, aus dem vollstreckt wird (vgl. Senat a.a.O. und OLG Frankfurt
WRP 96, 570, 571; OLG Düsseldorf WRP 00, 1420 f; Teplitzky a.a.O. bei FN 29). Nur in
diesen Fällen kann der Entscheidung zugrundegelegt werden, dass eine Verhaltensweise,
obwohl sie äußerlich von dem ausgesprochenen Verbot abweicht, doch von diesem erfasst
ist.
Diese Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung des Landgerichts im vorliegenden
Verfahren nicht erfüllt. Die Gläubigerin hat die einstweilige Verfügung mit der Begründung
beantragt, durch die Aufmachung der Sektflaschen mache die Schuldnerin irreführende
Angaben über die geografische Herkunft des Sektes. Der Verkehr erwarte angesichts der
Verwendung kyrillischer Schriftzüge in hervorgehobenen großen weißen Lettern auf dem
Frontetikett sowie auf dem Halsetikett und auf dem Rückenetikett, dass es sich um einen in
Russland hergestellten Sekt handele. Zudem sei auf der Rückseite des Halsetiketts der
Kreml dargestellt. Tatsächlich werde der Sekt aber in Tschechien hergestellt, und zwar aus
Trauben, die ebenfalls nicht aus Russland stammten. Diese Beanstandung ist Gegenstand
der ohne Begründung, aber mit Hinweis auf die vorgerichtliche Korrespondenz und die
Schutzschrift 31 AR 23/03 antragsgemäß erlassenen einstweiligen Verfügung.
Der Kern des so umschriebenen Verbotes wird durch die nunmehr vertriebene Aufmachung
nicht verletzt. Charakteristisch für die konkrete Verletzungsform des titulierten Verbotes ist
der Umstand, dass die Aufmachung keinen erkennbaren Hinweis darauf enthält, dass der
Sekt entgegen dem Eindruck, wie er durch die in der Antragsbegründung angeführten
Umstände erweckt wird, nicht aus Russland stammt. Der Hinweis auf einen Produzenten
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mit Sitz in der tschechischen Republik auf dem Rückenetikett war so klein und unauffällig
gehalten, dass er in der Kaufsituation auch von dem durchschnittlich aufmerksamen
Interessenten nicht wahrgenommen wurde und daher nicht geeignet war, die teils
blickfangmäßigen aufgeführten Angaben zu entlokalisieren. Überdies war er aus den von
der Gläubigerin selbst in der das Verfügungsverfahren einleitenden Antragsschrift (dort
S.10) dargestellten Gründen nicht eindeutig, weil der Verkehr wegen des weiteren
Hinweises auf die Lizenz und Qualitätskontrolle des angeblichen russischen
Markeninhabers annehmen kann, der Hersteller habe zwar seinen Sitz in Tschechien,
produziere den Sekt aber in Russland.
Demgegenüber weist die neue Aufmachung mit dem Text "Schaumwein hergestellt in
Tschechien aus osteuropäischen Weinen" einen derartigen entlokalisierenden Zusatz auf
dem vorderen Etikett auf. Zusätzlich ist ebenfalls auf der Vorderseite dort, wo sich früher ein
Hinweis auf die Schuldnerin als Importeurin fand, nunmehr der tschechische Hersteller
namentlich benannt. Weiter bringt die Aufmachung des vorderseitigen Etiketts auch durch
den eingefügten Text: "Hergestellt nach Originalrezeptur der KORNET-Moskauer
Sektkellerei" indirekt zum Ausdruck, dass der - jetzt so bezeichnete - Schaumwein nicht
auch in Russland hergestellt worden ist. Auf dem ebenfalls neu gestalteten Rückenetikett
findet sich der Hinweis "Hergestellt in Tschechien aus osteuropäischen Weinen". Die
Schuldnerin hat damit eine Aufmachung entwickelt, die durch verschiedene Hinweise auf
der Vorder- und Rückseite der Flasche zumindest ansatzweise dem Irrtum über die
Herkunft des Schaumweins entgegenwirkt. Es kann aber nicht angenommen werden, die
Kammer habe bei Erlass der einstweiligen Verfügung inzident auch diese Verletzungsform
mit geprüft und für nicht wettbewerbskonform angesehen. Denn während - von der
erwähnten unauffälligen, missverständlichen und erkennbar nicht ausreichenden Angabe
auf dem Rückenetikett abgesehen - im Verfügungsverfahren allein die Frage zu
entscheiden war, ob die Aufmachung den beanstandeten Eindruck einer Herkunft des
Sektes aus Russland erweckte, ist bezüglich der neuen Gestaltung der Flasche
entscheidend, ob - was allerdings zweifelhaft sein mag - durch die angesprochenen
zusätzlichen Angaben eine hinreichende Entlokalisierung stattfindet. In Rede steht damit
ein anderer Vorwurf und eine Ausgestaltung, die von den Verbotsnormen der §§ 3, 5 UWG
bzw. 126, 127 MarkenG wegen dieser Zusätze jedenfalls weiter entfernt ist als die im
Verfügungsverfahren verbotene Ausstattung. Nach Auffassung des Senates sind in dieser
Konstellation im Vollstreckungsverfahren bei der Anwendung der Kernbereichslehre von
vornherein enge Grenzen zu ziehen, die im Regelfall nur überschritten sein dürften, wenn
sich die angeblichen Bemühungen des Schuldners, dem gerichtlichen Verbot
nachzukommen, wegen zu geringer Abweichungen als nicht ernsthaft gemeint erweisen.
Davon kann indes im vorliegenden Verfahren nicht die Rede sein, weswegen die
Festsetzung der Ordnungsmittel durch die Kammer keinen Bestand haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Beschwerdewert: 25.000 EUR.