Urteil des OLG Köln vom 31.10.1995

OLG Köln (geschäftsführung ohne auftrag, einwilligung des patienten, vertrag, 1995, abrechnung, abtretung, teilurteil, nichtigkeit, zpo, teil)

Oberlandesgericht Köln, 22 U 268/94
Datum:
31.10.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 268/94
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 7 0 332/93
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil der 7. Zivilkammer
des Land-gerichts Bonn vom 3. November 1994 - 7 0 332/93 -
aufgehoben. Der Beklagte wird unter Zurückweisung seines
weitergehenden Rechtsmittels und unter Einbeziehung des beim
Landgericht anhängig gebliebenen Teils der Klage verurteilt, an die
Klägerin 458.492,45 DM nebst 4 % Zinsen aus 327.490,13 DM vom 25.
Juli 1993 bis 4. Mai 1995, aus 48.181,37 DM vom 16. Februar 1994 bis
4. Mai 1995, aus 32.530,92 DM vom 31. März 1994 bis 4. Mai 1995 und
aus 21.527,73 DM vom 12. Dezember 1994 bis 4. Mai 1995 sowie 7,75
% Zinsen aus 429.730,15 DM seit dem 5. Mai 1995 zu zahlen.
Hinsichtlich des übrigen Zinsbegehrens wird die Klage abgewiesen. Der
Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen
eine Sicherheitslei-stung von 535.000,-- DM abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstrec-kung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die
Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Großbank, öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder Volksbank
erbracht werden.
T A T B E S T A N D
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Die Klägerin rechnete aufgrund vertraglicher Vereinba-rungen mit dem Beklagten,
einem Zahnarzt, über mehrere Jahre dessen Honorarforderungen gegen
Privatpatienten ab, ließ sich die Forderungen abtreten und übernahm ihre Einziehung.
Mit ihrer Klage begehrt sie die Rück-zahlung stornierter Rechnungsbeträge und beruft
sich hierbei auf die vertraglichen Absprachen der Parteien, hilfsweise auf
Geschäftsführung ohne Auftrag und auf Bereicherungsausgleich.
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Die Klägerin hatte sich durch Vertrag vom 22. März/1. April 1989 zur Abrechnung,
Einziehung und Vorfinanzierung der privaten Honorarforderungen des Beklagten
gegen eine bei Auszahlung an den Beklagten zu verrechnende prozentuale Gebühr
verpflichtet. In Zif-fer 6) des Vertrags trat der Beklagte zur Durchführung des Vertrags
alle gegenwärtigen und zukünftig entste-henden privaten Honorarforderungen an die
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Klägerin ab. Ferner verpflichtete er sich in Ziffer 3) des Vertrags, alle für die
Liquidationserstellung notwendigen Unter-lagen monatlich oder quartalsweise bei der
Klägerin einzureichen. Wegen des weiteren Inhalt des Vertrags wird auf die vorgelegte
Kopie der Vertragsurkunde (Bl. 97 d. A.) Bezug genommen.
Der Vertrag vom 22. März/1. April 1989 wurde durch einen weiteren Vertrag vom 17.
März 1992 abgelöst. Darin vereinbarten die Parteien, daß die privat abzurechnenden
Honorarforderungen des Beklagten an die Klägerin verkauft und abgetreten werden
sollten, wobei die Annahme des Kauf- und Abtretungsangebots jeweils mit dem
Eingang der Abrechnungsunterlagen bei der Klägerin erfolgen sollte. In Ziffer 4) des
Vertrags war für die Klägerin ein Recht zum Rücktritt von dem jeweiligen
Forderungskauf u.a. für den Fall vorgesehen, daß der Patient der Weitergabe der zum
Forderungseinzug erforderlichen Informationen und Daten nicht zugestimmt hatte.
Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf die in Kopie vorgelegte Vertragsurkunde
(Bl. 96 d. A.) ver-wiesen.
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Aufgrund der geschlossenen Verträge erstellte die Klä-gerin dem Beklagten
kontinuierlich Abrechnungen, deren Inhalt sich aus den in erster Instanz vorgelegten
Anla-genbänden I, II und III ergibt. In zahlreichen Fällen stornierte die Klägerin ganz
oder teilweise Honorarfor-derungen wegen geltend gemachter Direktzahlung an den
Beklagten, behaupteter Behandlungsfehler, Vermögens-losigkeit oder Tod eines
Patienten, fehlenden Einver-ständnisses des Patienten mit der Abrechnung durch die
Klägerin oder bei sonstigen Einwendungen, insbesondere zur Höhe des Honorars.
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Die Klägerin hat vorgetragen, aufgrund ihrer an den Beklagten geleisteten Zahlungen
unter Berücksichtigung der Gegenansprüche des Beklagten und ihrer zahlreichen
berechtigten Stornierungen ergebe sich eine Überzahlung an den Beklagten in Höhe
von 408.202,42 DM, die dieser erstatten müsse. Die Stornierungen seien zu Recht
erfolgt, da der Beklagte diesen entweder bereits zugestimmt habe oder die
vertraglichen Voraussetzungen für einen Stornierung bzw. für einen Rücktritt von
einem Forderungskauf vorgelegen hätten. Der Beklagte schuldet ferner nach den
vertraglichen Vereinbarungen eine Verzinsung der ermittelten Überzahlungen. Einen
Teil dieser Zinsforderung, nämlich einen Betrag von 28.762,30 DM, hat die Klägerin
der eingeklagten Über-zahlung von 408.202,42 DM hinzugerechnet und bis zur letzten
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ihre Klageforderung mit 436.964,72 DM
beziffert.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 436.964,72 DM nebst 8,75 % Zinsen p.a. aus
327.490,13 DM vom 25. Juli 1993 bis 30. September 1993, 8,25 % Zinsen p.a. aus
327.490,13 DM vom 1. Oktober 1993 bis 14. De-zember 1993, 7,75 % Zinsen aus
327.490,13 DM seit dem 15. Dezember 1993, 7,75 % Zinsen p.a. aus 48.181,37 DM
ab Zustellung des Schriftsatzes vom 4. Februar 1994 und 7,75 % Zinsen p.a. aus
32.530,92 DM ab Zustellung des Schriftsatzes vom 29. März 1994 zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise,
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eine zu stellende Sicherheit durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer
Groß-bank oder Sparkasse erbringen zu dürfen.
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Er hat bestritten, daß sämtliche Zahlungen in der von der Klägerin dargestellten Weise
geflossen seien. Im übrigen hat er vorgetragen, daß die Klägerin zum Teil
unberechtigte Stornierungen vorgenommen habe, da inso-weit die vertraglichen
Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien. Auch seien ihm vielfach Anschreiben
der Klägerin nicht zugegangen. Die Zinsansprüche der Kläge-rin seien insgesamt
nicht schlüssig dargelegt.
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Durch Teilurteil vom 3. November 1994, auf das ein-schließlich seiner Verweisungen
im einzelnen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage in Höhe eines
Teilbetrages von 316.055,80 DM nebst Zinsen zugesprochen. Das Landgericht ist von
der Wirksamkeit der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge ausgegangen.
Zur Begründung der Urteilssumme hat das Landgericht ausgeführt, daß bereits nach
dem derzeiti-gen Sach- und Streitstand aufgrund berechtigter Stor-nierungen der
Klägerin eine Überzahlung von insgesamt 316.055,80 DM festzustellen sei, die der
Beklagte nach den vertraglichen Vereinbarungen erstatten müsse. Hinsichtlich eines
Teils der verlangten Zinsen und hinsichtlich eines Teils der stornierten Rechnungen
sei dagegen der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, da insoweit der
Sachverhalt noch weiter aufzuklären sei.
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Die Klägerin hat im Anschluß an das Teilurteil mit einem beim Landgericht
eingereichten Schriftsatz vom 4. Dezember 1994, der dem Beklagten am 12.
Dezember 1994 zugestellt worden ist, die Klage um einen weiteren Betrag von
21.527,73 DM erhöht.
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Der Beklagte hat gegen das ihm am 9. November 1994 zu-gestellte Teilurteil am 9.
Dezember 1994 Berufung ein-gelegt und das Rechtsmittel nach entsprechender Frist-
verlängerung mit einem am 9. März 1995 eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Der Beklagte ergänzt sein Vorbringen erster Instanz und macht nunmehr die
Unwirksamkeit der zwischen den Par-teien geschlossenen Verträge geltend. Das
Landgericht habe übersehen, daß beide Verträge wegen Verstosses gegen ein
gesetzliches Verbot (§ 134 BGB i.V.m. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) nichtig seien. Der
Vertrag vom 22. März/1. April 1989 enthalte die Verpflichtung des Beklagten, der
Klägerin alle für ihre Tätigkeit erfor-derlichen Patientenunterlagen ungeachtet der
bestehen-den ärztlichen Schweigepflicht und ohne Rücksicht auf die hierfür
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erforderliche Einwilligung des Patienten zur Verfügung zu stellen. Der Vertrag vom 17.
März 1992 sei ebenfalls nichtig, weil sich der Beklagte auch darin zur Abtretung aller
gegenwärtigen und zukünftigen Honorarforderungen unabhängig davon verpflichtet
habe, ob die Patienten der Weitergabe der zur Abrechnung der Honorarforderungen
notwendigen Informationen und Daten zugestimmt haben. Das für den Fall der
fehlenden Zustimmung vorgesehene Recht der Klägerin zum Rücktritt von dem
betreffenden Forderungskauf rechtfertige keine andere Beurteilung. Aufgrund der
Unwirksamkeit der ab-geschlossenen Verträge seien die Rechtsbeziehungen der
Parteien nach Bereicherungsrecht abzuwickeln und die wechselseitig bestehenden
Forderungen zu saldieren. Ob sich bei einer solchen Saldierung noch ein Zahlungsan-
spruch der Klägerin ergebe, sei offen.
Der Senat hat unter Hinweis darauf, daß bei Nichtigkeit der geschlossenen Verträge
und einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht das Teilurteil des Landgerichts
nicht zulässig sei, den beim Landgericht anhängig ge-bliebenen Teil des Rechtsstreits
an sich gezogen.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt - einschließlich
des in erster Instanz verbliebenen Teils der Klage - abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Berufung zurückzuweisen und den Be-
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klagten nach den in erster Instanz ge-stellten Anträgen, und zwar auch gemäß
dem Antrag aus ihrem Schriftsatz vom 4. Dezem-ber 1994 (Bl. 236 d. A.), also
einschließ-lich des in erster Instanz verbliebenen Teils der Klage zu verurteilen,
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1. ihr zu gestatten, Sicherheit auch durch
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die Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank
zu leisten.
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Die Klägerin ist der Auffassung, die zwischen den Par-teien geschlossenen Verträge
seien wirksam. Im übrigen sei diese Frage aber letztlich nicht entscheidungsrele-vant.
Im Falle der Unwirksamkeit der Verträge ergebe sich nämlich ihr Klageanspruch auch
nach den Vorschrif-ten über die Geschäftsführung ohne Auftrag, jedenfalls aber nach
Bereicherungsgrundsätzen.
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Für den Fall, daß eine Rückabwicklung nach Bereiche-rungsrecht erforderlich sein
sollte, hat die Klägerin eine Übersicht über den Leistungsaustausch der Parteien im
Rahmen der Abwicklung der beiden geschlossenen Verträge vorgelegt, auf deren
Einzelheiten Bezug genom-men wird (Seite 7 bis 11 der Berufungserwiderung vom 5.
Mai 1995, Bl. 294 bis 298 d. A.). Sie trägt vor, danach ergebe sich bereits ohne
Berücksichtigung der von ihr berechneten Vergütungen nach dem beiderseitigen
Leistungsaustausch eine Bereicherung des Beklagten von 366.271,18 DM, so daß die
Urteilssumme des Teilurteils abgedeckt sei. Der Beklagte sei jedoch auch um den
objektiven Verkehrswert der Dienstleistungen der Kläge-rin in Ausführung ihrer
Abrechnungstätigkeit für den Beklagten bereichert und schulde hierfür Wertersatz in
Höhe der üblichen bzw. angemessenen Vergütung für der-artige Dienstleistungen.
Folglich müsse, da ihre Vergü-tungssätze im Rahmen des üblichen lägen, die von ihr
insgesamt berechnete Vergütung (116.620,44 DM) dem Be-trag von 366.271,18 DM
hinzugerechnet werden.
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Im übrigen wiederholt und ergänzt die Klägerin ihr Vor-bringen erster Instanz.
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Der Beklagte ist dem in der Berufungserwiderung darge-legten Zahlenwerk für den
Fall einer Abrechnung nach Bereicherungsgrundsätzen nicht entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten
Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übri-gen zulässige Berufung führt zur
Aufhebung des nach der Sach- und Rechtslage nicht zulässigen Teilurteils.
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In der Sache selbst hat die Berufung jedoch - bis auf einen Teil des Zinsanspruchs -
keinen Erfolg, da die Klagesumme von 458.492,45 DM insgesamt zuzusprechen ist.
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1. Zwar sind die in erster Linie geltend gemachten
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vertraglichen Ansprüche wegen Unwirksamkeit der geschlossenen Verträge
unbegründet. Der Klägerin steht aber nach der hilfsweise vorgetragenen berei-
cherungsrechtlichen Abrechnung ein Bereicherungsan-spruch aus §§ 812, 818 BGB
zumindest in Höhe der Klagesumme zu.
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1. Der Beklagte beruft sich zu Recht darauf, daß
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die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge gemäß § 134 BGB i.V.m. § 203
Abs. 1 Nr. 1 StGB unwirksam sind und deshalb der Leistungsaustausch zwischen
den Parteien ohne Rechtsgrund erfolgt ist.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, ist
die Abtretung ärztlicher Honorarforderungen an eine gewerbliche
Verrechnungsstelle, die zum Zweck der Rechnungs-erstellung und Einziehung unter
Übergabe der Ab-rechnungsunterlagen erfolgt, wegen Verletzung der ärztlichen
Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gemäß § 134 BGB nichtig, wenn die
betref-fenden Patienten der Übergabe der Abrechnungsun-terlagen nicht zugestimmt
haben (BGH, NJW 1991, 2955). Dies gilt nicht nur für den Verkauf und die Abtretung
der einzelnen Forderungen, sondern in gleicher Weise für die zugrundeliegende
Rah-menvereinbarung, wenn diese vorsieht, daß der Arzt seine sämtlichen
gegenwärtigen und zukünfti-gen Honorarforderungen unterschiedslos und ohne
Rücksicht auf die persönliche Einwilligung des Patienten zur Abtretung anbieten muß
(OLG Hamm, NJW 1993, 791; OLG Köln, NJW 1993, 793, 794). Denn eine solche
Vereinbarung, die praktisch in jedem Abrechnungsfall zu einer Verletzung des
ärztlichen Berufsgeheimnisses führen kann, ent-hält einen so weitreichenden
Verstoß gegen § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB, daß ihr insgesamt die Wirksam-keit zu
versagen ist.
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Nach diesen Grundsätzen bestehen keine Zweifel, daß der am 22. März/1. April 1989
von den Partei-en geschlossene erste Abrechnungsvertrag nichtig ist. Denn der
Beklagte hat in diesem Vertrag ohne entsprechende Zustimmung seiner Patienten
die Abtretung aller gegenwärtigen und zukünfti-gen privaten Honorarforderungen an
die Klägerin erklärt und sich verpflichtet, alle für die Rechnungstellung notwendigen
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Unterlagen der Klä-gerin monatlich oder quartalsweise einzureichen. Der darin
liegende Verstoß gegen § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB führt zur Nichtigkeit des gesamten
Rahmenvertrags und nicht nur der Vertragsklauseln über die Verpflichtung des
Beklagten zur Weiter-gabe seiner Patientenunterlagen. Es kann nämlich nicht
angenommen werden, daß die Parteien den Vertrag ohne die Klausel über die
Weitergabe der Patientenunterlagen, die für eine ordnungsgemäße Abrechnung
unverzichtbar sind, geschlossen hätten (§ 139 BGB). Die Nichtigkeit des Vertrags
erfaßt ferner das jeweilige Erfüllungsgeschäft der Ab-tretung (BGH, a.a.0., Seite
2957). Es kommt auch nicht darauf an, ob möglicherweise im Einzelfall, was von der
Klägerin nicht vorgetragen ist, eine Zustimmung des Patienten zur
Forderungsabtretung und zur Überlassung der Patientenunterlagen vor-lag. Denn die
Nichtigkeit des Rahmenvertrags er-streckt sich gemäß § 139 BGB auch auf diesen
Fall (OLG Hamm, a.a.0., Seite 792).
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Der Folgevertrag der Parteien vom 17. März 1992 muß nach der vorgenannten
Rechtsprechung eben-falls als nichtig angesehen werden. Auch in die-sem Vertrag
hat sich der Beklagte ohne Vorbehalt einer entsprechenden Zustimmung des
Patienten mit der Abtretung aller gegenwärtigen und zukünfti-gen privaten
Honorarforderungen an die Klägerin einverstanden erklärt. Zwar haben die Parteien
die Verpflichtung zur Weitergabe der Patienten-unterlagen in diesem Vertrag nicht
ausdrücklich aufgenommen. Sie sind aber auch hier erkennbar von einer solchen
vertraglichen Pflicht des Be-klagten, ohne die der Vertrag nicht durchführbar wäre,
ausgegangen, wie sich insbesondere aus dem Text des § 1 Abs. 2 dieses Vertrages
ergibt (Bl. 96 d. A.), in dem geregelt ist, daß die Übersen-dung der
Patientenunterlagen über den jeweiligen Behandlungsfall das Verkaufs- und
Abtretungsange-bot des Beklagten darstellt, welches bei Eingang der Unterlagen von
der Klägerin angenommen wird. Honorarforderungen gegen Patienten, die der ex-
ternen Abrechnung nicht zugestimmt haben, sind in dem Vertrag nicht
ausgeklammert, so daß sich die Vertragspflichten auch auf diese Honorarforderun-
gen und die Weitergabe dieser Patientenunterlagen erstrecken. Der daraus
folgenden Nichtigkeit des Vertrags steht nicht entgegen, daß die Klägerin nach § 5
des Vertrags ein Recht zum Rücktritt von dem jeweiligen Forderungskauf hat, wenn
ein Patient der Weitergabe seiner Unterlagen nicht schriftlich zugestimmt hat. Die
Regelung dieses Rücktrittsrechts bestätigt vielmehr gerade, daß auch
Honorarforderungen, für die das entsprechen-de Einverständnis des Patienten fehlt,
unter Ver-stoß gegen § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB von dem Ver-trag erfaßt werden. Im
übrigen würde es der Klä-gerin auch freistehen, ob sie ein solches Rück-trittsrecht
überhaupt ausübt.
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1. Entgegen der Auffassung der Klägerin richten sich
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ihre Ansprüche bei Nichtigkeit der beiden Verträ-ge mit dem Beklagten nicht nach
den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
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Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß auf ein nichtiges
Auftragsverhältnis grund-sätzlich die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag
anwendbar sind (BGH, NJW-RR 1989, 970). Dementsprechend können auch bei
einem nichtigen Vertrag über die Abrechnung und Einziehung ärzt-licher
Honorarforderungen durch ein Abrechnungs-unternehmen Ansprüche aus
Geschäftsführung ohne Auftrag entstehen, wenn keine Abtretung der For-derungen
erfolgt ist (vgl. OLG Köln, NJW 1993, 793, 794). Im vorliegenden Fall handelte es sich
jedoch um sogenannte Factoring-Verträge, die mit einem Erwerb der einzuziehenden
Honorarforderun-gen durch die Klägerin verbunden waren. Bei die-ser
Vertragsgestaltung sind im Nichtigkeitsfall die Voraussetzungen einer
Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erfüllt. Zwar stellt die Abrechnung und
Einziehung der Honorarforderungen wegen der Unwirksamkeit der Abtretung objektiv
ein fremdes Geschäft dar; bei Wirksamkeit der Abtretung hätte es sich jedoch um
eigene Forderungen der Klägerin und damit um ein ausschließlich eigenes Geschäft
gehandelt. Da nicht davon auszugehen ist, daß sich die Klägerin der Unwirksamkeit
der Abtretungen bewußt war, hatte sie die Vorstel-lung, aufgrund wirksamer
Abtretungen ein eigenes Geschäft zu führen, so daß die bei einem objektiv fremden
Geschäft bestehende Vermutung, dieses Geschäft für den wahren Geschäftsherrn
zumindest mitzubesorgen (BGHZ 40, 28, 31; BGH, NJW 1971, 609, 612), im
vorliegenden Fall widerlegt ist. Es handelt sich daher hier um einen Fall des § 687
Abs. 1 BGB, der bestimmt, daß die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne
Auftrag keine An-wendung finden, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der
Meinung besorgt, daß es sein eigenes sei.
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1. Der Zahlungsanspruch der Klägerin kann sich dem-
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nach nur aus Bereicherungsrecht ergeben. Die Klä-gerin hat gemäß § 812 BGB
Anspruch auf Erstattung der ohne Rechtsgrund an den Beklagten erbrachten
Leistungen, während andererseits auch dem Beklag-ten ein Bereicherungsanspruch
zusteht, soweit seine Patienten aufgrund seiner Einwilligung mit befreiender Wirkung
an die Klägerin Honorar-zahlungen erbracht haben. Bei einem nichtigen
Vertragsverhältnis besteht nach herrschender Sal-dotheorie der Grundsatz, daß die
beiderseitigen Leistungen der Vertragsparteien zu saldieren sind mit der Folge, daß
nur demjenigen, für den ein Überschuß verbleibt, ein Bereicherungsanspruch zusteht
(Palandt-Thomas, BGB, 54. Aufl., § 818 Rdnr. 48 mit Nachweisen aus der
Rechtsprechung).
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Nach diesen Grundsätzen hat auch im vorliegen-den Fall eine Gesamtsaldierung des
Leistungs-austauschs der Parteien während ihres nichtigen Vertragsverhältnisses
stattzufinden. Der Auffas-sung des Oberlandesgerichts Hamm (a.a.0., Seite 793), daß
nur jeweils die wechselseitigen Berei-cherungen aus den einzelnen
Forderungskäufen zu saldieren seien, kann nicht gefolgt werden. Die-se Auffassung
berücksichtigt nicht hinreichend, daß die einzelnen Abtretungen bzw. Forderungsver-
käufe allein der Ausführung des Rahmenvertrags dienen. Sie unterliegen den
Bedingungen dieses Rahmenvertrags und haben bei dessen Nichtigkeit nach § 134
BGB i.V.m. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB keine selbständige rechtliche Funktion, da diese
Nichtigkeit sich - wie ausgeführt - auch auf die einzelnen Abtretungen bzw.
Forderungsverkäufe er-streckt. Letztlich handelt es sich hierbei um die Leistungen zur
Erfüllung des Rahmenvertrags, so daß bei Nichtigkeit des ganzen Vertragsverhält-
nisses eine Saldierung der gesamten beiderseiti-gen Leistungen stattzufinden hat,
was auch allein praxisgerecht ist.
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Die Klägerin hat in ihrer Berufungserwiderung für den Fall einer Abwicklung des
gesamten Vertrags-verhältnisses nach Bereicherungsrecht den Lei-stungsaustausch
zwischen den Parteien in einer Übersicht im einzelnen vorgetragen und hierzu ihre
entsprechenden Abrechnungen vorgelegt. Dem ist der Beklagte nicht
entgegengetreten, so daß gemäß § 138 Abs. 3 ZPO das von der Klägerin dargelegte
Zahlenwerk für die bereicherungsrecht-liche Abwicklung zugrundezulegen ist.
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Danach hat der Beklagte Zahlungen der Klägerin von insgesamt 2.471.955,59 DM
erhalten, während aufgrund der von der Klägerin abgerechneten Honorarforderungen
von insgesamt 2.822.058,14 DM abzüglich der Summe der Stornierungen von
623.473,33 DM und abzüglich der Summe der bis-lang uneinbringlichen Honorare
von 92.900,40 DM an die Klägerin Patientenzahlungen von insgesamt 2.105.684,41
DM geflossen sind. Werden diese beiderseitigen Bereicherungen saldiert, so ergibt
sich bereits ein Bereicherungssaldo zu Lasten des Beklagten von 366.271,18 DM.
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Dieser Saldo erhöht sich indes um den Wert der Abrechnungs-, Vorfinanzierungs-
und Einziehungs-leistungen der Klägerin, für die dem Beklagten anderenfalls
Aufwendungen durch Einsatz eigenes Personals oder einer anderen
Abrechnungsstelle entstanden wären. Nach ständiger Rechtsprechung bemißt sich
der für diese Bereicherung gemäß §§ 812, 818 Abs. 2 BGB zu leistende Wertersatz
nach der üblichen, hilfsweise der angemessenen und höchstens nach der
vereinbarten Vergütung (BGHZ 37, 258, 264; BGHZ 111, 308; Palandt-Thomas,
a.a.0., § 818 Rdnr. 22). Die Klägerin hat in ihrer Berufungserwiderung die Üblichkeit
der von den Parteien vereinbarten Vergütungen im einzel-nen dargelegt. Dieses
Vorbringen hat der Beklagte nicht bestritten, so daß auch für den Bereiche-
rungsausgleich von den vereinbarten Vergütungs-sätzen der Klägerin auszugehen
ist. Danach erhöht sich der Bereicherungssaldo zu Lasten des Beklag-ten um das
von der Klägerin in ihrer Übersicht errechnete und von dem Beklagten rechnerisch
nicht bestrittene Gesamthonorar von 116.620,44 DM auf 482.891,62 DM. Die
Klagesumme von 458.492,45 DM ist mithin durch den Bereicherungs-saldo
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abgedeckt.
1. Der Bereicherungsanspruch der Klägerin ist nicht
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nach § 817 BGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift greift nur ein, wenn der
unmittelbare Zweck der Leistung so bestimmt ist, daß der Empfänger gera-de durch
die Annahme gegen ein gesetzliches Ver-bot oder die guten Sitten verstößt (Palandt-
Tho-mas, a.a.0., § 817 Rdnr. 6). Im vorliegenden Fall beschränkte sich der
Gesetzesverstoß jedoch auf die Überlassung der Patientenunterlagen. Dagegen
waren die bereicherungsrechtlich auszugleichenden beiderseitigen Geld-, Dienst-
und Abtretungslei-stungen nach ihrem Zweck weder gesetzlich verbo-ten noch
sittenwidrig.
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1. Das Teilurteil des Landgerichts, das nach allem
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lediglich über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs auf Herausgabe eines
Bereicherungssaldos entschieden hat, war nach der gegebenen Sach- und
Prozeßlage nicht zulässig.
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Ein Teil eines einheitlichen Anspruchs, dessen Grund streitig ist, darf durch Teilurteil
gemäß § 301 ZPO nur zugesprochen werden, wenn zugleich ein Grundurteil über
den gesamten Anspruch ergeht und die Entscheidung über den Restanspruch nur
noch von Fragen abhängt, die für den bereits zugesprochenen Anspruchsteil nicht
erheblich waren (Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 301 Rdnr. 8). Ist dagegen
nicht auszuschließen, daß die einzelnen Posten einer Gesamtabrechnung im
Schlußurteil anders bewertet werden, hat ein Teilurteil zu unterbleiben (BGH, NJW
1989, 2821, 2822; OLG Köln, FamRZ 1989, 286; Zöller-Vollkommer, ZPO, 19.Aufl., §
301 Rdnr. 3). So liegt der Fall hier; denn bei der Entscheidung über den Rest des
Bereicherungsanspruchs der Klägerin könnten aufgrund neuen Parteivortrags
einzelne Rechnungspo-sten der bereicherungsrechtlichen Saldierung anders
bewertet werden, so daß die Gefahr sich widerspre-chender Entscheidungen besteht
und ein Teilurteil nicht zulässig ist.
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Das Berufungsgericht ist bei dieser Prozeßlage befugt, von einer Zurückverweisung
der Sache an das Landgericht nach § 539 ZPO abzusehen und statt dessen zur
Beseitigung des Verfahrensfehlers den in erster Instanz anhängig gebliebenen Teil
des Rechtsstreits an sich zu ziehen und gemäß § 540 ZPO darüber
mitzuentscheiden, wenn dies sachdienlich ist (BGH, NJW 1960, 339; BGH, WM
1994, 865, 868; Zöller-Vollkommer, a.a.0., § 301 Rdnr. 12). Die Sachdien-lichkeit ist
hier zu bejahen, da der Rechtsstreit aufgrund des nicht bestrittenen Zahlenwerks
über den Leistungsaustausch der Parteien insgesamt entschei-dungsreif ist. Der
Senat hat deshalb den beim Land-gericht verbliebenen Teil des Rechtsstreits an sich
gezogen und die nach Bereicherungsrecht in voller Höhe begründete Klagesumme
zugesprochen.
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1. Der zuerkannte Zinsanspruch ist gemäß §§ 291, 286,
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288 BGB begründet, während das weitergehende Zins-begehren abzuweisen war.
Der Klägerin stehen Zinsen erst seit Rechtshängigkeit zu. Zwar war der Berei-
cherungsanspruch der Klägerin schon vor Rechtshän-gigkeit entstanden, da
maßgeblicher Zeitpunkt hier-für der Zeitpunkt der Vermögensverschiebung ist (Pa-
landt-Thomas, a.a.0., § 818 Rdnr. 3). Der Zahlungs-verzug des Beklagten ist aber erst
während des Beru-fungsverfahrens eingetreten. In erster Instanz gin-gen beide
Parteien noch - ebenso wie das Landgericht - irrtümlich von einer Wirksamkeit der
geschlossenen Verträge aus. Ein Bereicherungsanspruch war von der Klägerin nicht
geltend gemacht und auch zahlenmäßig nicht dargelegt worden, so daß dem
Beklagten die Verzögerung bei der Herausgabe des Bereicherungs-überschusses
zumindest nicht vorwerfbar war (§ 285 BGB). Verzug ist erst mit dem Zugang der
Berufungs-erwiderung der Klägerin vom 5. Mai 1995 eingetreten, in der die Klägerin
erstmals hilfsweise ihren Berei-cherungsanspruch erhoben und schlüssig
vorgetragen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt schuldet der Beklagte lediglich 4 %
Rechtshängigkeitszinsen, danach Ver-zugszinsen gemäß der vorgelegten
Bankbescheinigung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2, § 97 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Streitwert für das Verfahren vor dem Landgericht:
100
a) bis 11. Dezember 1994: 408.202,42 DM (Hauptsumme des Klageantrags ./. des
darin enthaltenen Zinsbetrags, § 4 Abs. 1 ZPO),
101
b) ab 12. Dezember 1994: 429.730,15 DM (408.202,42 DM + Klageerhöhung von
21.527,73),
102
c) Gegenstandswert des Teilurteils: 316.055,80 DM,
103
d) Gegenstandswert des Beweisbeschlusses: 42.138,11 DM (3.908,03 DM + 5.170,45
DM + 33.059,63 DM).
104
Streitwert für das Berufungsverfahren: 458.492,45 DM (436.964,72 DM + 21.527,73
DM, der Abzug wegen einbe-rechneter Zinsen entfällt, da die Klagesumme hilfsweise
insgesamt auf Bereicherungsrecht gestützt ist).
105
Urteilsbeschwer des Beklagten: 458.492,45 DM,
106
Urteilsbeschwer der Klägerin: unter 60.000,-- DM.
107