Urteil des OLG Köln vom 04.06.2009

OLG Köln (rechtsverletzung, werk, beschwerde, sache, indiz, inhaber, verletzung, gesetzestext, zweifel, auskunftserteilung)

Oberlandesgericht Köln, 6 W 48/09
Datum:
04.06.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 48/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 9 OH 121/09
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Landgerichts Köln vom 14.4.2009 - 9 OH 121/09 - abgeändert und wie
folgt neugefasst:
Die Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) durch die
Beteiligte zur Erteilung der Auskunft an die Antragstellerin über Namen
und Anschriften derjenigen Nutzer, denen zu den in der Anlage AS 1
angegebenen Zeitpunkten die dort angegebenen IP-Adressen zugeteilt
waren, ist zulässig.
Die außergerichtlichen Kosten tragen die Parteien selbst;
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 131 a Abs. 2 S. 3 u. 4 KostO).
Beschwerdewert: 3.000 €.
G r ü n d e :
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Die sofortige, gemäß § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG statthafte Beschwerde ist zulässig und
hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat zu Unrecht angenommen, die
Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 UrhG seien nicht erfüllt, weil es an einem
gewerblichen Ausmaß der von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtsverletzung
fehle. Zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass eine
Rechtsverletzung gewerblichen Ausmaßes dann vorliegt, wenn ein Musikalbum oder
eine ähnlich umfangreiche Datei während der relevanten Verkaufs- oder
Verwertungsphase in einer Internettauschbörse angeboten wird (vgl. Senat, Beschluss
vom 9.2.2009 – 6 W 182/08, MD 2009, 489). Das Landgericht hat jedoch die
Anforderungen im Hinblick auf die Bestimmung der relevanten Verwertungsphase
überspannt. Das verfahrensgegenständliche Werk ist ein Hörbuch, das die Lesung
eines erfolgreichen Romans enthält. Solche Hörbücher werden, ebenso wie der
zugrunde liegende Roman, üblicherweise über einen längeren Zeitraum vermarktet.
Dies wird dadurch bestätigt, dass die Antragstellerin nach Ablauf von nahezu sechs
Jahren eine zweite Auflage dieses Werks auf den Markt gebracht hat. Zudem wird das
Werk noch immer zu einem üblichen Verkaufspreis angeboten. Dies ist entgegen der
Auffassung des Landgerichts nicht unerheblich, sondern ein wesentliches Indiz dafür,
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dass die Verwertungsphase nicht abgeschlossen ist. Wie der Senat bereits in der oben
genannten Entscheidung ausgeführt hat, ist der Verkaufsrang bei Amazon dagegen
nicht aussagekräftig. Entgegen der Auffassung des Landgerichts setzt ein gewerbliches
Ausmaß im Sinne des § 101 Abs. 1 UrhG schließlich nicht voraus, dass ein Werk
kommerziell besonders erfolgreich ist.
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Landgerichts, ein Auskunftsanspruch
gemäß § 101 Abs. 2 UrhG erfordere, dass das gewerbliche Ausmaß der
Rechtsverletzung offensichtlich ist. § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG setzt eine "offensichtliche
Rechtsverletzung" voraus. Damit der mit diesem Tatbestandsmerkmal bezweckte
Schutz des unbeteiligten Dritten, der Inhaber der IP-Adresse ist, erreicht werden kann,
muss nicht nur die Rechtsverletzung als solche, sondern auch die Zuordnung dieser
Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten "offensichtlich" sein (Senat, Beschluss vom
21.10.2008 – 6 Wx 2/08, GRUR-RR 2009, 9). Ist aber offensichtlich, dass dieser Dritte
eine Rechtsverletzung begangen hat, bedarf er keines weitergehenden Schutzes, der
darauf gerichtet wäre, eine Auskunftserteilung in solchen Fällen auszuschließen, in
denen lediglich rechtliche Zweifel im Hinblick auf das gewerbliche Ausmaß der
Rechtsverletzung bestehen. Hierfür lässt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus
der Gesetzesbegründung etwas herleiten.
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Da nach alledem die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch erfüllt sind, konnte
der Senat in der Sache abschließend entscheiden.
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