Urteil des OLG Köln vom 19.07.1999
OLG Köln: elterliche sorge, wohl des kindes, hauptsache, anhörung, konsens, jugendamt, vorschlag, aufklärungspflicht, entscheidungsbefugnis, eltern
Oberlandesgericht Köln, 10 UF 42/99
Datum:
19.07.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 UF 42/99
Vorinstanz:
Amtsgericht Heinsberg, 7 F 329/97
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird die in dem Urteil des
Amtsgerichts - Familiengericht - Heinsberg vom 26.01.1999 (7 F 329/97)
getroffene Sorgerechtsregelung aufgehoben und die Sache insoweit zur
erneuten Überprüfung und Entscheidung - auch über die Kosten des
Beschwerdever-fahrens - an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dem
Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. K. und der Antragstellerin
Prozesskostenhilfe unter Beiord-nung von Rechtsanwalt H. bewilligt.
G r ü n d e :
1
In dem Verbundurteil hat das Amtsgericht die elterliche Sorge für die am 05.09.1995
geborene Tochter der Parteien der Antragstellerin übertragen. Die hiergegen gerichtete
zulässige Beschwerde des Antragsgegners, der die Beibehaltung des gemeinsamen
elterlichen Sorgerechts anstrebt, führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
und Zurückverweisung der Sache, weil das Amtsgericht den Sachverhalt nicht
genügend aufgeklärt hat.
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Im Gegensatz zur Auffassung des Antragsgegners ist die Folgesache nicht deshalb als
in der Hauptsache erledigt anzusehen, weil die Antragstellerin innerhalb von drei
Monaten seit dem 01.07.1998 nicht ausdrücklich beantragt hat, ihr die elterliche Sorge
allein zu übertragen. Zwar ist nach Artikel 15 § 2 Abs. 4 des
Kindschaftsrechtsreformgesetzes eine am 01.07.1998 anhängige Folgesache, die die
Regelung der elterlichen Sorge betrifft, als in der Hauptsache erledigt anzusehen, wenn
nicht bis zum Ablauf von drei Monaten nach dem 01.07.1998 ein Elternteil beantragt hat,
dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil davon allein überträgt.
Ein solcher Antrag kann jedoch auch in einem vor dem 01.07.1998 eingebrachten
entsprechenden eindeutigen, über diesen Zeitpunkt hinauswirkenden Verlangen
gesehen werden (siehe Büttner FamRZ 1998, 594 unter Hinweis auf BT-Drucks.
13/4899 S. 146). Dieser Anforderung ist hier dadurch genügt, dass die Antragstellerin in
der Antragsschrift vom 16.07.1997 den Antrag angekündigt hat, ihr die elterliche Sorge
für die Tochter zu übertragen, und sie dieses Begehren unzweifelhaft nach dem
01.07.1998 weiterverfolgt hat.
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In der Sache hat sich das Amtsgericht von der Erwägung leiten lassen, dass es
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angesichts der zwischen den Parteien bestehenden Spannungen "kaum möglich sein
dürfte", dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Entscheidungen zu treffen;
überdies sei mit einem längerfristigen Aufenthalt des Antragsgegners in der
Bundesrepublik Deutschland wegen der bereits angedrohten Abschiebung nicht zu
rechnen. Diese Erwägungen vermögen die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen
Sorge indes nicht zu tragen. Nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann dem antragstellenden
Elternteil mangels Zustimmung des anderen die alleinige elterliche Sorge übertragen
werden, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und ihre
Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dies
kann im Regelfall nur dann angenommen werden, wenn zwischen den Eltern erhebliche
Streitigkeiten bestehen und aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft zu erwarten
ist, dass sich ihre Konflikte nach der Scheidung fortsetzen und zum Nachteil des Kindes
auswirken werden. Dabei muss sich die fehlende Konsensbereitschaft wegen der
Regelung des § 1687 BGB (alleinige Entscheidungsbefugnis des betreuenden
Elternteils in alltäglichen Dingen) auf Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung
beziehen (vgl. OLG Hamm FamRZ 1999, 38 f.). Dies hat das Amtsgericht nach den
zutreffenden Ausführungen der Beschwerde nicht festgestellt. Überdies hat die
Antragstellerin selbst - auch im Beschwerdeverfahren - nicht konkret vorgetragen, dass
die Parteien in wesentlichen Erziehungsfragen nicht zu einem Konsens finden können
und in welcher Hinsicht dies der Fall sein soll. Auch das Jugendamt hat sich dazu nicht
näher geäußert, weil es irrtümlich von einem dauerhaft übereinstimmenden Vorschlag
der Parteien ausgegangen ist.
Da das Amtsgericht seiner Aufklärungspflicht (§ 12 FGG) nicht genügt hat, ist ihm
Gelegenheit zur Erhebung der erforderlichen Ermittlungen zu geben. Hierbei wird neben
einer ergänzenden Anhörung der Parteien und der Einholung eines weiteren Berichtes
des Jugendamtes ggfls. auch die Anhörung des betroffenen Kindes nach § 50 b FGG in
Betracht zu ziehen sein.
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Beschwerdewert: 2.000,00 DM
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